Wir haben insgesamt 19-mal geschrotete Leinsamen im Labor prüfen lassen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Viele Produkte fallen durch.
Dazu gehören auch die Bio Primo Leinsamen geschrotet, die vom Müller Drogeriemarkt angeboten werden. Sie schneiden, wie drei weitere Produkte, nur mit "ungenügend" ab. Damit gehören sie zu den insgesamt zehn Produkten die durchfallen. Doch warum fallen die Bio-Leinsamen der Drogeriekette besonders negativ auf?
Pestizid in Bio-Leinsamen überschreitet gesetzlichen Grenzwert
In den geschroteten Bio-Leinsamen von Müller hat das Labor das besonders bedenkliche Pestizid Chlorpyrifos nachgewiesen – und das in einer Menge, die den gesetzlichen EU-Grenzwert von 0,01 Milligramm pro Kilogramm überschreitet. Wir bewerten den festgestellten Gehalt daher als "stark erhöht".
In der EU ist das Insektizid für den Einsatz in der Landwirtschaft sogar verboten. Die geprüfte Charge stammt zwar aus Indien – aber auch Ware, die von dort kommt, muss mindestens den EU-Vorgaben für Pestizidrückstände entsprechen. Das ist bei den Bio Primo-Leinsamen im Test nicht der Fall.
Dafür ziehen wir im Teilergebnis Inhaltsstoffe vier Noten ab. Mehr noch: Zwei weitere Notenabzüge erfolgen im Teilergebnis Weitere Mängel, weil wir Chlorpyrifos ausgerechnet in einem Bio-Produkt gefunden haben. Im Bio-Anbau sind chemisch-synthetische Pestizide verboten. Wir finden, dass sich Verbraucherinnen und Verbraucher darauf verlassen können sollten.
Müller reagierte auf unserer Laborbefund: Laut Anbietergutachten wurde in der chargenbezogenen Rohware kein Chlorpyrifos nachgewiesen.
Blausäure in Bio-Leinsamen von Müller im Test
Der zweite Hauptkritikpunkt: Die geprüften Bio Primo-Leinsamen von Müller enthalten eine aus unserer Sicht "erhöhte" Menge an Blausäure. Das ist ein akut toxischer Stoff, der beim Zerkleinern der Samen freigesetzt wird. Ab einer gewissen Konzentration kann Blausäure Vergiftungserscheinungen wie Kopfschmerzen, Atemnot und Schwindel auslösen.
In der EU gelten deshalb verschiedene Grenzwerte für Blausäure in geschroteten Leinsamen – je nachdem, ob sie zum rohen oder erhitzten Verzehr ausgelobt sind. Die Leinsamen von Müller sind nur zum erhitzten Verzehr gedacht, darauf weist der Aufdruck "Nur zum Kochen und Backen verwenden. Nicht roh verzehren!" hin.
Für das Produkt gilt somit ein Grenzwert von 250 Milligramm Blausäure pro Kilogramm Leinsamen. Diese Höchstmenge schöpfen die Müller-Leinsamen zu mehr als die Hälfte aus. Dafür ziehen wir im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes bereits Noten ab.
Zum Vergleich: Blausäure steckt in allen geschroteten Leinsamen im Test, aber in unterschiedlichen Gehalten. In den meisten Produkten stufen wir sie als "erhöht" ein, in einem Fall sogar als "stark erhöht". Nur bei fünf Produkten handelt es sich nur um "Spuren", die wir nicht abwerten.
Wichtige Angaben fehlen auf der Verpackung
Darüber hinaus kritisieren wir, dass bei den geschroteten Bio-Leinsamen von Müller Empfehlungen bezüglich der Verzehrmenge fehlen. Diese halten wir aufgrund der Blausäure, die beim Schroten freigesetzt wird, für wichtig.
Zwar tragen die Müller-Leinsamen im Test den Hinweis, dass sie nur zum Kochen und Backen verwendet und nicht roh verzehrt werden sollten. Unserer Ansicht nach reicht das aber nicht aus. Denn es ist nicht auszuschließen, dass geschrotete Leinsamen trotz dieser Angabe roh gegessen werden.
Deswegen sind wir der Meinung, dass zur Sicherheit auch noch entsprechende Verzehrbeschränkungen aufgedruckt werden sollten. Da es in Deutschland nichts Vergleichbares gibt, haben wir uns bei der Bewertung an den Kennzeichnungsempfehlungen des österreichischen Lebensmittelbuchs orientiert.
Demnach vermissen wir bei den getesteten Bio-Leinsamen von Müller die Information, dass Erwachsene höchstens einen Esslöffel (das entspricht etwa 15 Gramm) geschrotete Leinsamen pro Mahlzeit essen sollten. Ebenso fehlt uns die Angabe, dass Kinder höchstens einen Teelöffel (etwa 4 Gramm) davon am Tag verzehren sollten – und dass geschrotete Leinsamen für Kinder unter vier Jahren nicht geeignet sind. Schließlich kann Blausäure für Babys und Kleinkinder deutlich schneller gefährlich werden.
Fehlende oder unzureichende Verzehrempfehlungen beanstanden wir im Leinsamen-Test mehrfach.
Wie schmecken die geschroteten Bio-Leinsamen von Müller?
Bleibt die Frage: Wie schlagen sich die geschroteten Bio Primo-Leinsamen im Sensorik-Test? Hier gab es nichts zu beanstanden. In puncto Geschmack und Geruch urteilte das geschulte Sensorik-Team: "Sehr aromatisch, saatig, nussig, ganz leicht bitter, ganz leichte Firnisnote". Somit schnitten die Bio-Leinsamen von Müller in diesem Teilbereich mit der Note "sehr gut" ab.
So setzt sich das Gesamturteil zusammen
Das Gesamturteil beruht auf dem Teilergebnis Inhaltsstoffe. Da die geschroteten Bio-Leinsamen von Müller Chlorpyrifos in einer Menge enthalten, die den EU-Grenzwert überschreitet, ziehen wir vier Noten ab. Zwei weitere Notenabzüge erfolgen, weil im Müller-Produkt aus unserer Sicht zu viel Blausäure steckt. Denn der EU-Grenzwert für Blausäure in Leinsamen, die nur zum erhitzten (und nicht rohen) Verzehr vorgesehen sind, wird zu mehr als 50 Prozent ausgeschöpft.
Daher kann das Teilergebnis Inhaltsstoffe – und damit auch das Gesamturteil – nur "ungenügend" lauten. Mehr Details zu Bewertung und Prüfmethoden lesen Sie hier im Artikel zum Test im Abschnitt Testverfahren.
Der Test zeigt: Viele geschrotete Leinsamen im Test enttäuschen, nur ein Produkt ist empfehlenswert. Wir kritisieren vor allem zu viel enthaltene Blausäure. Mehr dazu lesen Sie hier: Leinsamen-Test: Giftige Blausäure entdeckt – und es gibt weitere Probleme
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