Abschminktücher im Test: Von wegen "biologisch abbaubar" und "kompostierbar"

Magazin März 2023: Ketchup | Autor: Ann-Cathrin Witte/Marieke Mariani/Lisa-Marie Karl | Kategorie: Kosmetik und Mode | 07.03.2023

Im Test: 20 Abschminktücher.
Foto: ÖKO-TEST

Sie sind schnell aus dem Spender gezupft, sofort einsatzbereit und für das ganze Gesicht verwendbar. Die Rede ist von Abschminktüchern. Wir haben 20 solcher Produkte überprüft. Das Fazit: Praktisch, aber nicht immer unproblematisch.

  • 20 Abschminktücher haben wir getestet, darunter viermal zertifizierte Naturkosmetik. 
  • Ein Großteil der getesteten Produkte ist empfehlenswert. 
  • Einige Abschminktüchern bestehen, laut den Herstellern, aus "biologisch abbaubarem" oder "kompostierbarem" Material. Durch die enthaltenen Reinigungsmittel dürfen die Tücher aber auf keinen Fall in den Biomüll oder Kompost.

Auf Reisen und unterwegs sind feuchte Abschminktücher im wiederverschließbaren Spenderpack unschlagbar praktisch. Wer sie allerdings täglich benutzt, häuft mit der Zeit einen beachtlichen Müllberg an. Um das ökologische Gewissen zu beruhigen, greifen wir wenigstens zur Verpackung, die mit "biologisch abbaubarem" oder gar "kompostierbarem" Material wirbt. Damit sind wir auf der sicheren Seite, oder? Ganz so einfach ist es nicht.

Abschminktücher im Test: Nivea, Bebe & Co.

Wir haben 20 Abschminktücher aus Drogerien, Discountern und (Bio-) Supermärkten getestet. Das Ergebnis ist überwiegend positiv. Es gibt aber auch Produkte, die nicht überzeugen. 

Größtes Problem: Die Abschminktücher im Test produzieren viel Müll. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), der auch die Abfallwirtschaft abdeckt, erklärt dazu:

"Feuchttücher, die unter anderem mit Reinigungslotionen getränkt sind, dürfen auf keinen Fall auf den heimischen Komposthaufen und auch nicht in die Biotonne. Gewöhnlich sind bei solchen Tüchern weder das Material, noch die verwendeten Chemikalien, mit denen sie getränkt, teilweise konserviert und deren Eigenschaften nicht umfassend bekannt sind, vollständig biologisch abbaubar." In den Biomüll dürfen die Produkte also nicht, in die Toilette schon gar nicht.

Wie nachhaltig sind die Abschminktücher im Test?

Auch die Naturkosmetik-Zertifizierer Natrue und COSMOS machen Vorgaben zum natürlichen Ursprung der Trägermaterialien. Ansätze zur Plastikvermeidung begrüßen wir. Loben die Hersteller aus, dass ihre Tücher aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, führt dies nicht zur Abwertung.

Minuspunkte verteilen wir aber, wenn das Endprodukt, das mit Reinigungslotion getränkt ist, eine Auslobung "kompostierbar" oder "biologisch abbaubar" trägt. Noch dazu kann kein Hersteller vorhersehen, was mit den Tüchern abgewaschen wird. Gerade wasserfestes Make-up enthält häufig Silikone und synthetische Polymere, die die Umwelt belasten. 

Richtig frech wird es, wenn ein Hersteller die Entsorgung auf dem Heimkompost empfiehlt, die Biotonne aber ausschließt. 

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Das macht Abschminktücher zum Umweltproblem 

Schlussendlich landet alles im Restmüll und damit in der Müllverbrennung. Wirklich umweltfreundlich können feuchte Reinigungstücher also nicht sein. Egal was draufsteht. Beim VKU vermutet man:

"Hersteller wollen mutmaßlich auf der aktuellen Welle der Nachhaltigkeit mitschwimmen, um die immer nachhaltiger orientierte Kundschaft weiter anzusprechen – aus unserer Sicht wird hier nicht einmal der Versuch von mehr Umweltfreundlichkeit bei der Produktion und verwendeten Inhaltsstoffen unternommen, sondern lediglich qua Aufdruck behauptet, die Materialien seien so umweltfreundlich, dass sie sogar auf dem heimischen Kompost abgebaut werden."

Wir werten die Auslobungen "biologisch abbaubar" und "kompostierbar" als Weiteren Mangel ab. Unsere Empfehlung kann nur lauten, feuchte Reinigungstücher sparsam und bloß in Ausnahmenfällen zu verwenden. Für diese wollen wir Ihnen mit unserem Test eine Orientierung geben.

Problemstoffe in getesteten Abschminktücher 

Kommen wir vom Entsorgungsproblem zu unerwünschten Inhaltsstoffen. Vereinzelt kritisieren wir folgende Stoffe:

  • Chlorphenesin und Iodopropynyl Butylcarbamat: Die beiden halogenorganischen Konservierungsmittel können allergische Reaktionen hervorrufen.
  • PEG-Verbindungen: Sie können die Haut durchlässiger für Fremstoffe machen. 
  • Silikone: Sie integrieren sich nicht so gut ins Hautgleichgewicht wie natürliche Fette und Öle. Außerdem sind sie in der Umwelt nur schwer abbaubar. 
  • Kunststoffverbindungen: Sie sind ebenfalls umweltschädlich. 

Außerdem ärgerlich: Die Packung keines einzigen Produkts im Test besteht auch nur zu einem minimalen Teil aus Altplastik. Das geht besser. Immerhin: Manche Hersteller kündigten an, dies in mehr oder weniger naher Zukunft ändern zu wollen.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Für den Test haben wir 20 feuchte Reinigungstücher zur schnellen Reinigung des Gesichts ausgewählt, darunter viermal zertifizierte Naturkosmetik. Die Produkte sollten möglichst für normale Haut/alle Hauttypen ausgelobt sein, vereinzelt griffen wir aber auch zu Produkten für trockene und sensible Haut. Eingekauft haben wir sie zu Preisen von 95 Cent bis 2,99 Euro pro Packung in Drogerien, Discountern und (Bio-)Supermärkten.

Spezialisierte Labore analysierten für uns Diethylphthalat, allergieauslösende Duftstoffe, Moschusverbindungen und Cashmeran sowie Konservierungsmittel und halogenorganische Verbindungen. Fanden sich Cyclosiloxane in der Inhaltsstoffliste, ließen wir das Produkt im Labor zudem auf potenziell fortpflanzungsschädigendes Siloxan D4 testen. Weitere umstrittene Inhaltsstoffe wie PEG/PEG-Derivate, Paraffine und Silikone prüften wir anhand der Deklaration. Die Verpackungen der Reinigungstücher wurden im Labor auf PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen untersucht. Außerdem wollten wir von den Herstellern wissen, ob sie darin recycelten Kunststoff einsetzen.

Bewertungslegende

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) PEG/PEG-Derivate; b) ein gemessener Gehalt von mehr als 1,0 mg/kg halogenorganische Verbindungen (deklarierte halogenorganische Verbindungen in der Tabelle genannt: Chlorphenesin, Iodopropynyl Butylcarbamate). Zur Abwertung um eine Note führt: mehr als 1 Prozent Silikonverbindungen und/oder Paraffine/künstliche paraffinartige Stoffe.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) Silikone und/ oder künstliche paraffinartige Stoffe (hier: Isohexadecan, Dimethicon, Trisiloxane), wenn sie nicht schon unter den Inhaltsstoffen abgewertet wurden, und/oder weitere synthetische Polymere als weitere Kunststoffverbindungen (Acryl- und/oder Methacryl-[Co- und Cross-]Polymere); b) Auslobung "biologisch abbaubar" oder "kompostierbar" bei einem mit Reinigungslotion getränktem Tuch, welches im Restmüll und nicht in der Biotonne und/oder auf dem Komposthaufen zu entsorgen ist. Zur Abwertung um eine Note führt: ein Anteil von Rezyklaten (Post-Consumer-Rezyklat, PCR) von weniger als 30 Prozent in Relation zum Gesamtgewicht der Kunststoffverpackung, keine Angabe hierzu und/oder kein ausreichender Nachweis auf unsere Anfrage.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht. Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir die von den Herstellern versprochenen Wirkungen der Produkte nicht überprüft haben

Testmethoden

Testmethoden (je nach Zusammensetzung der Produkte): Deklarationspflichtige Duftstoffe: DIN EN 16274:2011, GC-MS. Nach Zugabe von Wasser und organischem Lösungsmittel werden die Allergene durch Flüssig-Flüssig-Extraktion aus den Proben extrahiert. Ein Aliquot des organischen Extrakts wird mit GC-MS analysiert. Diethylphthalat/Polyzyklische Moschus- und Nitromoschus-Verbindungen/Cashmeran: Extraktion mit TBME, GC-MS. Formaldehyd/-abspalter: saure Wasserdampfdestillation, Derivatisierung mit Acetylaceton, Ausschütteln mit n-Butanol und Bestimmung mittels Fotometrie. Halogenorganische Verbindungen: a) Heißwasserextraktion mit anschließender Zentrifugation und Membranfiltration, Festphasenanreicherung (SPE), Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts; b) Extraktion mit Essigester, Verbrennung des Extrakts im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Paraffine/Silikone: LC-RI nach Extraktion (ggf. GC-MS).Siloxane (D4-D9): D5 (Decamethylcyclopentasiloxan): GC-FID nach Extraktion; D4 (Octamethylcyclopentasiloxan), D6 (Dodecamethylcyclohexasiloxan), D7 (Tetradecamethylcycloheptasiloxan), D8 (Hexadecamethylcyclooctasiloxan), D9 (Octadecamethylcyclononasiloxan): GC-MS.PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse. Weitere Inhaltsstoffe: per Deklaration.

Einkauf der Testprodukte: Dezember 2022

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