Kreidezähne bei Kindern: Weichmacher und Antibiotika könnten mitverantwortlich sein

Autor: Benita Wintermantel | Kategorie: Kinder und Familie | 25.02.2022

Kreidezähne bei Kindern
Foto: Prof. Dr. Norbert Krämer

Ungefähr 15 Prozent der Kinder leiden unter fleckigen und bröckelnden Zähnen, Tendenz steigend. Bei den sogenannten "Kreidezähnen" ist die Bildung von schützendem Zahnschmelz gestört. Kreidezähne erkennen und behandeln – alle Infos im Überblick.

  • Bei den sogenannten Kreidezähnen (Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation, kurz MIH) ist der Zahnschmelz so stark beschädigt, dass er weich wird. Durch die mangelnde Schutzschicht sind die Zähne anfällig für Karies.
  • Fast 29 Prozent der zwölfjährigen Kinder sind von Kreidezähnen betroffen.
  • Die genauen Ursachen sind noch unbekannt. Als mögliche Ursachen werden neben einer erblichen Veranlagung auch Antibiotika, Dioxine und Weichmacher in Kunststoffen diskutiert.

Was sind Kreidezähne?

Als Kreidezähne werden Zähne bezeichnet, bei denen der Zahnschmelz weicher als normal ist. Schon wenn die Zähne im Kindermund durch den Kiefer brechen, sind sie fleckig und bröckelig. Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde bezeichnet Kreidezähne als "neue Volkskrankheit". Der medizinische Fachbegriff für die bröselnden Zähne ist Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH).

Entdeckt wurde MIH erst 1987, inzwischen schlagen Zahnärzte Alarm, weil in den Praxen immer häufiger verzweifelte Eltern von Kinder mit Kreidezähnen erscheinen. Aktuelle Studien zeigen, dass weltweit ungefähr 15 Prozent der Kinder an MIH leiden. Bei den Zwölfjährigen sollen es bereits knapp 29 Prozent sein. Ganz genaue Zahlen gibt es bislang nicht. Aber eines ist klar: Die Schmelzbildungsstörung wird zu einem immer größeren Problem.

Kreidezähne führen zu Karies

Kreidezähne sind unschön anzusehen, sie tun weh – und vor allem sind sie gefährlich. In der porösen Zahnoberfläche können sich leicht schädliche Bakterien einnisten, die Gefahr von Karies steigt. Zudem lässt sich die raue Oberfläche nur schlecht sauber halten. Die betroffenen Kinder haben Schmerzen, wenn Kälte oder Luft an die empfindlichen Zähne kommen. Das macht das Putzen nochmals schwieriger.

Welche Zähne betroffen sind, ist ganz unterschiedlich: Mal sind es nur die Backenzähne, mal auch die Schneide- oder Frontzähne. Die Flecken rangieren farblich von weißlich-gelb bis gelblich-braun. Betroffen sind hauptsächlich die bleibenden Zähne, das macht die Krankheit so unerfreulich.

Eltern sollten Kindern beim Zähneputzen helfen.
Eltern sollten Kindern beim Zähneputzen helfen. (Foto: Shutterstock / Jacob Lund)

Gestörte Mineralisation bei Kreidezähnen

Die Entwicklung und Aushärtung der Zähne findet zwischen dem achten Schwangerschaftsmonat und dem vierten Lebensjahr statt. In dieser Phase werden Kalzium und Phosphat in den Zähnen eingelagert.

Bei Kreidezähnen ist der Prozess des Aushärtens gestört, der Zahnschmelz bleibt weichlich. Die Zähne sind häufig schon kaputt, wenn sie durchbrechen. 

Gründe für MIH noch unklar

Warum plötzlich so viele Kinder von MIH betroffen sind, ist noch unklar. Mangelnde Zahnpflege ist es nicht – häufig sind die Zähne schon beim Durchbruch durch den Kiefer bröselig. Die Ursachen für die Schmelzbildungsstörung werden deshalb in der Schwangerschaft und in den ersten Lebensmonaten und -jahren gesucht.

Antibiotika stehen ebenso in Verdacht wie Erkrankungen während der Schwangerschaft oder Umweltgifte. Als mögliche Gründe werden folgende Punkte diskutiert (Quelle: DGZM/DGKiZ):

  • Infektionskrankheiten in den ersten drei Lebensjahren
  • chronische Atemwegserkrankungen des Kindes
  • Bisphenol A (BPA)
  • geringer Vitamin-D-Spiegel
  • frühkindliche Einnahme von Antibiotika

Die Ernährung hat auf die Entstehung von Kreidezähnen keinen Einfluss, so vermuten Experten.

Kreidezähne: Sind Antibiotika die Ursache?

Der aktuelle Zahnreport 2021 der Barmer Krankenkasse meint, einen Zusammenhang zwischen Medikamenten und MIH erkannt zu haben: "Kinder haben häufiger Kreidezähne, wenn sie in den ersten vier Lebensjahren bestimmte Antibiotika erhalten haben." Allerdings sei noch unklar, wie dieses Zusammenwirken genau funktioniert. Hier seien weitere Untersuchungen erforderlich.

Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) sowie die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) weisen in einem Statement darauf hin, dass die im Barmer-Report herausgestellten Zusammenhänge zwischen frühkindlicher Einnahme von Antibiotika und mangelnder Schmelzbildung eine von mehreren möglichen Ursachen darstellt. Auch die Zahnarzt-Verbände betonen, dass hierzu weitere wissenschaftliche Studien dringend erforderlich seien.

BPA mitverantwortlich für Kreidezähne?

Bisphenol A (BPA) gehört zu den Chemikalien, die sich im Alltag kaum gänzlich vermeiden lassen: Es steckt zum Beispiel in Plastikbehältern, Spielzeug, Konserven- und Getränkedosen. Trinkflaschen für Kinder, Schnuller und auch Spielsachen, die ohne BPA hergestellt wurden, sind an der Kennzeichnung "BPA-frei" zu erkennen.

BPA wird aufgrund einer 2013 im American Journal of Pathology veröffentlichten Studie als möglicher Verursacher für Kreidezähne diskutiert. In Tierversuchen wurde trächtigen Ratten und neugeborenen Rattenbabys BPA eingeflößt. Die Forscher beobachteten später bei den Tieren massive Störungen in der Schmelzentwicklung.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält den direkten Zusammenhang zwischen Bisphenol A und Kreidezähnen bei Kindern aber für "unwahrscheinlich". Man müsse bei der Entstehung von MIH von einem multifaktoriellen Geschehen ausgehen, so das Fazit des BfR.

Auch ÖKO-TEST meint, dass sich die Frage, inwieweit BPA für bröselige Kinderzähne verantwortlich ist, nach dem aktuellem Forschungsstand nicht beantworten lässt.

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Wichtig bei Kreidezähnen: Karies vermeiden

Heilen lassen sich Kreidezähne leider nicht. Ganz wichtig ist deshalb eine besonders intensive Prophylaxe: Kinder sollten die Zähne so gründlich wie nur möglich putzen, Eltern dürfen dabei möglichst lange mithelfen. Wichtig für die Zahnpflege ist eine fluoridhaltige Zahncreme, außerdem der regelmäßige Besuch beim Zahnarzt (mindestens zwei Mal jährlich). Der Zahnarzt kann die beschädigten Zähne fluoridieren und versiegeln. Das macht sie weniger empfindlich und anfällig.

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