Baby schläft nicht: Was können Eltern tun?

Spezial: Mein Baby 2022 | Autor: Frank Schuster | Kategorie: Kinder und Familie | 03.05.2022

Baby schläft nicht: Schlafberaterin Britta Wempe gibt Tipps.
Foto: Igor Sokolov (breeze)/Shutterstock

Was tun, wenn das Baby einfach nicht schlafen will? Die Schlafberaterin Britta Wempe erklärt im Interview, wie Eltern ihren Kleinen dabei helfen können, in den Schlaf zu finden.

Britta Wempe arbeitet im Familiengesundheitszentrum in Frankfurt am Main. Sie ist Schlafberaterin sowie systemische Einzel-, Paar- und Familienberaterin. Im Interview erklärt sie, warum es oft Probleme beim Einschafen gibt, was Eltern tun können, wenn ihr Kind einfach nicht schlafen will, und weshalb es nicht in Frage kommt, Kinder im Bett schreien zu lassen.  

ÖKO-TEST: Schlafprobleme setzen Eltern unter Stress. Was können sie tun?

Britta Wempe: Eltern haben manchmal Erwartungen, die mit der Entwicklung des Kindes nicht zusammenpassen. Sie wollen zu früh zu viel. Sie sind bemüht, strengen sich unheimlich an, schauen auf das, was nicht geht, statt ihr Kind zu beobachten und seine Signale und seinen Rhythmus zu erkennen.

Wichtig in der Schlafberatung ist, den Eltern Sicherheit zu vermitteln, zu zeigen, was sie schon richtig machen, und ihnen dabei zu helfen, auf die Entwicklung des Kindes zu blicken. Eltern sollen nie das Gefühl haben: Wir haben das von Anfang an verkehrt gemacht.

Es gibt in der Schlafberatung kein zu spät. Es ist besser zu denken: Ich vertraue auf die Kompetenz meines Kindes, als zu denken: Ich muss es meinem Kind beibringen. Ich sage gerne: Die Kinder wachsen uns entgegen. Die Fähigkeit zur Selbstregulation entwickelt ein Kind in den ersten Lebensmonaten.

Baby schläft nicht: Eltern sollten das Schlafverhalten ihrer Kinder nicht miteinander vergleichen. Einschlafen lernen ist sehr individuell.
Baby schläft nicht: Eltern sollten das Schlafverhalten ihrer Kinder nicht miteinander vergleichen. Einschlafen lernen ist sehr individuell. (Foto: Nick Fedirko/Shutterstock)

Baby schläft nicht: Das sind mögliche Gründe 

Warum gibt es oft Probleme mit dem Einschlafen?

Babys fällt es häufig schwer, die Kurve in den Schlaf zu bekommen, weil sie mit ihren Gefühlen noch nicht gut umgehen können oder schlicht noch nicht wissen, wie Einschlafen ohne aktive Unterstützung funktioniert. Auch Übermüdung macht das Einschlafen oft schwerer.

Während Entwicklungsschüben stellen auch viele Eltern fest, dass das Baby schwerer einschläft, da es die neuen Erfahrungen verarbeiten muss. Andererseits können Eltern die Erwartung haben, dass das Einschlafen schnell gehen muss. Sie sind deshalb oft zu engagiert beim Einschlafen-Helfen und bleiben auf Dauer bei den Unterstützungsmaßnahmen aus der ersten Babyzeit wie Einschlaftragen oder Einschlafstillen.

Kleinere Babys sind oft stark auf die aktive Unterstützung beim Zur-Ruhe-Kommen angewiesen. Hier kann Tragen, Schaukeln, Saugen und Stillen sehr hilfreich sein. Das Baby muss erst das Bewusstsein entwickeln, dass manche unangenehmen Gefühle bedeuten: Ich bin müde, ich muss jetzt schlafen. Und es muss die Fertigkeit entwickeln, wie Einschlafen funktioniert.

Wie unterschiedlich ist das Schlafverhalten von Babys?

Kinder sind individuell sehr verschieden darin, das Einschlafen zu lernen. Es gibt eine große Varianz. Eltern sollten sich daher nicht verrückt machen, indem sie etwa das Schlafverhalten ihrer Kinder untereinander vergleichen. Wenn Kinder lernen, eigenständig einzuschlafen, ist das der goldene Schlüssel für einen besseren Schlaf in der Zukunft.

Baby nicht einfach im Bett schreien lassen 

Was halten Sie von der Ferber-Methode? Der US-Kinderarzt Richard Ferber empfiehlt, Kinder einfach ins Bett zu legen und wegzugehen.

Das Kind alleine in seinem Bettchen schreien zu lassen, kommt auf keinen Fall in Frage. Babys, vor allem kleinere, haben noch gar keine Vorstellung davon, ob die Eltern überhaupt wiederkommen, nachdem sie das Zimmer verlassen haben.

Es gibt sanftere Methoden, um dem Kind den Raum zu geben, das Einschlafen zu lernen. Ziel muss es sein, die Bindung zum Kind zu unterstützen, es in der Gewissheit zu wiegen, dass die Eltern ihm helfen.

Welche Methoden empfehlen Sie?

Es ist gut, so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig aktiv zu sein. Bei der Schritt-für-Schritt Methode lässt man stufenweise immer mehr Einschlafhilfen weg. Zum Beispiel lässt man, wenn das Kind im Bett liegt, nur noch die Hand da, nimmt sie dann weg, setzt sich weiter weg und verlässt schließlich das Zimmer.

Beim Rausgehen nicht sagen: "Ich gehe jetzt", sondern: "Ich komme gleich wieder." Oder: "Ich setze mich hier hin und lese noch ein bisschen." Beim begleitenden Einschlafen wird man quasi zur Bettumrandung, wartet ab und beobachtet das Kind, während es versucht einzuschlafen.

Benötigen Kinder Einschlafrituale?

Strukturen und Rituale werden im Laufe des ersten Lebensjahrs immer wichtiger, etwa den Abend ruhig einzuläuten und Außenreize zu reduzieren. Vor dem Einschlafen immer das gleiche Lied zu singen, kann dem Baby signalisieren: Jetzt ist es Zeit, zur Ruhe zu kommen.  

Baby schläft nicht: Hilft Stillen oder Tragen? 

Taugt das Stillen als Einschlafhilfe?

Einschlafstillen kann gerade am Anfang sehr hilfreich sein, damit das Kind zur Ruhe kommt. Mit der Zeit sollte das Kind aber lernen, im Bett liegend und nicht an der Brust einzuschlafen. Um dahin zu kommen, kann angeboten werden, zuerst zu stillen und sich dann zum Schlafen zu legen.

Vor allem bei schon älteren Babys kann die Mutter in einem anderen Raum als dem Kinder- oder Schlafzimmer stillen und danach sagen: "Wir gehen jetzt schlafen."

Um es zum Schlafen zu bringen, laufen viele Eltern stundenlang mit dem Baby auf dem Arm durch die Wohnung.
Um es zum Schlafen zu bringen, laufen viele Eltern stundenlang mit dem Baby auf dem Arm durch die Wohnung. (Foto: topperspix/Shutterstock)

Wie sieht es mit Tragen aus?

Auch hier gilt: Tragen und Hinlegen mit der Zeit trennen. Denn wird auf Dauer das Kind erst abgelegt, wenn es tief schläft, kann es langfristig passieren, dass das Kind versucht, den Schlaf immer länger hinauszuzögern, da es ahnt, dass es dann wieder abgelegt wird.

Zur Umstellung das Kind in den Armen, nicht in einer Trage oder im Tuch, so lange tragen, bis es sich auf das Einschlafen einstellt. Dann gemeinsam hinlegen und dem Kind den Raum geben, ohne aktive Unterstützung in den Schlaf zu finden.

Kann das Baby mit ins Elternbett?

Das kommt darauf an, wie die Eltern damit zurechtkommen. Da gibt es keine feste Empfehlung. Auch wenn Eltern meist wollen, dass das Kind im eigenen Bett schläft: Viele Kinder suchen beim Schlafen nun mal sehr stark den körperlichen Kontakt. Der Mensch ist ein geselliges Wesen. Die meisten Kinder der Erde schlafen nicht alleine in einem eigenen Bett in einem eigenen Zimmer.

Wenn die Familie allerdings merkt, auf diese Weise keiner von uns gut schläft, muss man einen anderen Weg finden oder sich über die Anschaffung eines breiteren Betts Gedanken machen. Auf Dauer merken die meisten Kinder jedoch, dass sie in ihrem eigenen Bett ruhiger schlafen können.  

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