Alkohol während der Corona-Krise: Auch in kleinen Mengen gefährlich

Autor: Brigitte Rohm / Benita Wintermantel | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 02.07.2020

Alkohol ist in der Coronakrise kein Retter in der Not
Foto: CC0 Public Domain / Pixabay - qimono

Im Stress oder der Isolation der Corona-Krise dienen alkoholische Getränke vielen Menschen als vermeintliche Sorgenlöser. Die Gefahr von Suchtproblemen und häuslicher Gewalt steigt. Auch das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen wird größer – und das bereits ab einer geringen Dosis.

  • In der Corona-Krise wird zu Hause mehr Alkohol konsumiert.
  • Dass Alkohol vor dem Coronavirus schützt, ist ein Mythos. Das Gegenteil ist der Fall: Alkohol schwächt das Immunsystem.
  • Durch den Konsum von Alkohol steigt das Risiko für eine Vielzahl von Erkrankungen.

Die Corona-Krise bringt viele Probleme mit sich: Sorgen um den Arbeitsplatz, Angst um die Gesundheit, Stress in der Familie oder Einsamkeit in der Isolation. In der derzeitigen Situation greifen immer mehr Menschen zum Alkohol.

Eine aktuelle Studie hat festgestellt, dass gut ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland während der Corona-Krise häufiger Alkohol trinken. Die Studie wurde im Rahmen einer anonymen Online-Befragung vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) und dem Klinikum Nürnberg durchgeführt. Repräsentativ ist die Studie allerdings trotz der hohen Teilnehmerzahl nicht.

Gefahr einer Abhängigkeit

Die Ergebnisse lassen trotzdem Rückschlüsse zu: Es wurde deutlich, dass Teilnehmer mit geringerer Schulbildung und höherem, subjektivem Stressempfinden vermehrt zu Alkohol und Tabak griffen. "Das erfüllt uns mit Sorge, da ein Teil der Menschen ihre geänderten Konsummuster nach dem Shutdowns vielleicht nicht wieder zurückregulieren wird", so Thomas Hillemacher, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg, über die Gefahren. Es bestehe immer das Risiko, dass sich eine Abhängigkeit entwickle. Auch biete ein höherer Alkoholkonsum in Kombination mit erhöhtem Stress und geringer Bildung ein erhöhtes Aggressionspotenzial – und damit ein höheres Risiko für häusliche Gewalt.

WHO rät zu weniger Alkohol

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät dazu, gerade jetzt in der Corona-Pandemie den Alkoholkonsum auf ein Minimum zu beschränken. Zum einen schwächt Alkohol das Immunsystem, zum anderen steigt die Gefahr, sich an den Alkoholkonsum zu gewöhnen und langsam, aber sicher in eine Alkoholsucht abzugleiten. Außerdem steige unter Alkoholeinfluss das Risiko für familiäre Gewalt.

Alkohol hat keine Schutzwirkung gegen Coronavirus

Ein Mythos, der derzeit durchs Internet geistert: Das Trinken von hochprozentigem Alkohol schütze vor dem Coronavirus. Alkohol hat hier jedoch keinerlei Schutzwirkung - davor warnen Virologen und auch die WHO. Alkohol bekämpfe das Virus nicht, sondern schwäche vielmehr das Immunsystem und erhöhe das Risiko gesundheitsschädlicher Folgen. Ein starkes Immunsystem ist aber wichtig, um das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus zu reduzieren.

>> Lesen Sie weiter: Coronavirus vorbeugen: So schützen Sie sich vor dem Coronavirus

Was jedoch richtig ist: Zum Desinfizieren der Hände ist 70-prozentiger Alkohol gut geeignet.

Kein Alkohol ist vielleicht doch eine Lösung
Kein Alkohol ist vielleicht doch eine Lösung (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay / Bessi)

Alkohol ist schädlich – schon ab einer geringen Dosis

Ein Glas Wein zum Essen, ein Bier zum Feierabend: Für viele ist Alkohol ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags. Und nicht jedem ist bewusst, dass er seinem Körper damit in jedem Fall schadet. Denn lange Zeit galt die Ansicht, ein tägliches Glas Rotwein sei gesund für das Herz und die Gefäße. Doch neuere Studien konnten diesen Effekt nicht belegen.

Im Gegenteil: Eine große Meta-Studie, erschienen in der Fachzeitschrift "The Lancet", warnt, dass es keine sichere Menge für Alkohol gäbe. Keine Grenze könne ein gesundheitliches Risiko in jedem Fall ausschließen, so die Forscher der University of Washington. Negative Einflüsse und das massive Gesamtrisiko übertrumpfen ihnenzufolge geringfügige positive Effekte.

Das Problembewusstsein ist nach wie vor niedrig

Der "World Cancer Research Fund" bringt mehr als 200 Krankheiten mit dem Konsum von Alkohol in Verbindung. Zu den körperlichen Schäden durch Alkohol zählen etwa Beeinträchtigungen der Organe, insbesondere der Leber, die den Alkohol abbauen muss, und der Bauchspeicheldrüse. Auch Übergewicht, Bluthochdruck und Demenz können damit zuhammenhängen.

Eine große Gefahr birgt das Suchtpotenzial von Alkohol: Die Drogenberauftragte der Bundesregierung gibt zu Protokoll, dass bundesweit etwa 1,3 Millionen Menschen als alkoholabhängig gelten. Und 9,5 Millionen konsumieren Alkohol in "gesundheitlich riskanter Form". Das Problembewusstsein in der Bevölkerung sei nach wie vor niedrig.

Alkohol erhöht auch das Krebsrisiko

Was manchen Menschen nicht bekannt sein dürfte: Alkohol steigert auch das Krebsrisiko eindeutig. Dem Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrum zufolge sind Wein, Bier und andere alkoholische Getränke in Europa bei Männern für eine von elf, bei Frauen für eine von 33 Krebsneuerkrankungen mitverantwortlich. Nachweislich gebe es diesen Zusammenhang für mehrere Krebsarten: Mundraum, Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Darm, Leber und weibliche Brust – für Magenkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs gelte er ebenfalls als wahrscheinlich.

Je mehr Alkohol getrunken wird, desto größer ist das Erkrankungsrisiko. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) schrieb schon vor einigen Jahren: Die beste Krebsprävention ist der komplette Verzicht auf alkoholhaltige Getränke. Auch die eingangs erwähnte Übersichtsstudie von 2018 legt diesen Schluss nahe. 

Grenzwerte kein Freibrief für unbedenklichen Konsum

Wer alkoholische Getränke nicht vollständig aus seinem Leben verbannen möchte, sollte sich zumindest über eines bewusst sein: Zwar liegt die empfohlene Höchstmenge pro Tag für Männer bei nicht mehr als einem halben Liter Bier oder einem Viertelliter Wein (etwa 24 Gramm) und für Frauen bei der Hälfte. Zudem verzichtet man am Besten an zwei Tagen in der Woche ganz auf Alkohol. Doch eine gesundheitlich bedenkenlose Menge gibt es eben nicht.

Vertiefende Information rund um das Thema bietet der erste Alkoholatlas des Deutschen Krebsforschungszentrums.

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