Bund zahlt AKW-Betreibern 2,4 Milliarden - Durchbruch nach zehn Jahren

Autor: Fatima Abbas, dpa | Kategorie: Geld und Recht | 05.03.2021

Bund zahlt AKW-Betreibern 2,4 Milliarden - Durchbruch nach zehn Jahren
Foto: Wolfilser/Shutterstock

Kurz vor dem zehnten Jahrestag des Unglücks von Fukushima kommt die überraschende Einigung: Die Bundesregierung will die Energiekonzerne in Deutschland mit Milliarden für den Atomausstieg entschädigen.

Es heißt, es sei Zufall gewesen, dass die Einigung ausgerechnet jetzt zustande gekommen ist. Nur wenige Tage vor dem zehnten Jahrestag der Nuklearkatastrophe von Fukushima hat sich die Bundesregierung überraschend mit den Betreibern der Atomkraftwerke in Deutschland verständigt: Knapp 2,43 Milliarden Euro sollen die Konzerne RWE, Vattenfall, Eon/PreussenElektra und EnBW als Entschädigung für den bis 2022 geplanten, vorzeitigen Atomausstieg vom Bund erhalten, wie das Umwelt-, das Wirtschafts- und das Finanzministerium am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten.

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Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte bereits am Donnerstagabend über die Einigung berichtet, die aber zunächst von offizieller Seite nicht bestätigt wurde. Nach den nun offiziell verkündeten Zahlen soll Vattenfall mit 1,425 Milliarden Euro den größten Teil der Entschädigung erhalten. 880 Millionen Euro sind für RWE vorgesehen, 80 Millionen Euro für EnBW, und 42,5 Millionen Euro würden an Eon/PreussenElektra gehen. "Die Einigung ist zu einem Preis gelungen, der deutlich unter den Vorstellungen der Unternehmen liegt", sagte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth.

Jahrelanger Rechtsstreit zur Meilerabschaltung endet

Mit der Vereinbarung geht ein zehn Jahre andauernder Rechtsstreit zu Ende. Ausgelöst hatten ihn vor allem die im Jahr 2011 gekippten Laufzeitverlängerungen, die die damalige Bundesregierung erst wenige Monate vor der Fukushima-Katastrophe den Konzernen zugesagt hatte. Statt länger Atomstrom produzieren und verkaufen zu dürfen, mussten Vattenfall, RWE und Co ihre Meiler zu festen Terminen abschalten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2016 und zuletzt im September 2020 den Gesetzgeber verpflichtet, eine Ausgleichsregelung für nicht mehr nutzbare Stromkontingente und vergeblich vorgenommene Investitionen zu erlassen. Jahrelang herrschte Streit darüber, wie und in welcher Höhe der Ausgleich zu erfolgen hat.

Zuletzt zog Vattenfall sogar vor das internationale Schiedsgericht der Weltbank (ICSID), um sechs Milliarden Euro Entschädigung zu erwirken. Erst im vergangenen Jahr hatten die Richter in Karlsruhe darüber hinaus entschieden, dass die Bundesregierung die Grundlage für Entschädigungszahlungen komplett neu regeln müsse - sie sei so nicht zumutbar.

Die Unternehmen hätten sich mit der jetzigen Einigung verpflichtet, sämtliche anhängigen Klageverfahren zurückzunehmen und auf künftige zu verzichten, unterstrichen die Ministerien am Freitag.

Auch Stromerzeuger sind zufrieden mit der Einigung

Auch die Konzerne zeigten sich zufrieden. "Das ist eine konservative Umsetzung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die für uns letztlich akzeptabel ist", sagte Vattenfall-Präsidentin Anna Borg. Zugleich betonten die Unternehmen, dass die Einigung noch unter Vorbehalten stehe. Auch untereinander müssen sie sich teils noch über die Strommengen einigen - etwa Eon und Vattenfall, die die Kernkraftwerke in Brunsbüttel und Krümmel gemeinsam betrieben hatten.

Bevor alle Eckpunkte in einem Vertrag verankert werden können, müssen die Konzerngremien noch zustimmen. Die endgültige Regelung soll der Bundestag dann mit einem neuen Gesetz besiegeln - all das aber auch unter dem Vorbehalt, dass die EU-Kommission am Ende zustimmt. Angestrebt wird der Vollzug noch in diesem Jahr. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat den Milliardenausgleich bereits für seinen Nachtragshaushalt eingeplant.

Kritik seitens Umweltverbände und Opposition

Umweltverbände und Opposition übten teils scharfe Kritik'an dem überraschenden Deal. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sprach von einem "Ende mit sehr bitterem Beigeschmack". Die Entschädigung falle viel zu hoch aus. Das befanden auch Politiker der Linken, Grünen und selbst der FDP, die im Jahr 2011 den vorgezogenen Atomausstieg mitentschieden hatte. Der Linken-Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutlin nannte die Einigung eine "blamable Skandal-Atomausstiegsrechnung".

Die Vorsitzende des Umweltausschusses, Sylvia Kotting-Uhl, wies bei aller Kritik darauf hin, dass die Steuerzahler "noch glimpflich davongekommen" sein könnten. Die Klage von Vattenfall in Washington hätte womöglich eine noch viel höhere Summe nach sich gezogen.

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