Wer einkauft und Produkte vergleicht, findet auf einigen von ihnen den sogenannten Nutri-Score. Das auf den Produkten aufgedruckte Label bewertet Lebensmittel anhand ihrer Nährstoffzusammensetzung und ausgewählter Zutaten. Das Ergebnis wird auf einer fünfstufigen Farb- und Buchstabenskala dargestellt – von A (grün = günstig) bis E (rot = ungünstig).
Grundlage der Bewertung ist ein von unabhängigen Forscherinnen und Forschern entwickelter Algorithmus, der die Nährwertangaben pro 100 g bzw. 100 ml eines Produkts berücksichtigt. Je niedriger die Gesamtpunktzahl ist, desto besser fällt der Nutri-Score für ein Produkt aus. Ungünstige Inhaltsstoffe (z. B. Zucker, gesättigte Fettsäuren, Salz) erhöhen die Punktzahl; günstige Inhaltsstoffe (z. B. Ballaststoffe, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte) führen zu einem geringeren Punktwert und somit zu einer besseren Bewertung.
Das halten Verbraucherinnen und Verbraucher vom Nutri-Score
In Deutschland wurde der Nutri-Score vor fünf Jahren von der damaligen Bundesernährungsministerin Julia Klöckner eingeführt. Das Ziel war, Verbraucherinnen und Verbrauchern bei der Wahl ihrer Lebensmittel mehr Transparenz zu ermöglichen. Allerdings ist das Label auf freiwilliger Basis. Das bedeutet, dass Unternehmen selbst entscheiden dürfen, ob ihre Produkte und welche ihrer Produkte einen Nutri-Score erhalten.
Doch wie gut wird der Nutri-Score von Verbraucherinnen und Verbrauchern angenommen? Um das zu erfahren, hat Foodwatch eine Studie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: 91 Prozent der Befragten kennen den Nutri-Score, das Label hat also einen hohen Wiedererkennungswert. Auch die Zustimmung zum Nutri Score ist hoch: Zwei Drittel der Befragten plädieren für eine verbindliche Kennzeichnung mit dem Nutri-Score – nur 16 % lehnen dies ab.
Trotz dieser grundsätzlichen Zustimmung wird das Label im Moment jedoch nicht verbreitet benutzt. Lediglich 31 Prozent der Befragten gaben an, den Nutri-Score sehr häufig oder häufig für Einkaufsentscheidungen im Supermarkt zu berücksichtigen.
Nutri Score sorgt auch für Verunsicherung
Das könnte auch daran liegen, dass die wenigsten Verbraucherinnen und Verbraucher den Nutri-Score richtig verstehen: Gut 70 Prozent der Befragten sind sich mindestens teilweise unsicher, was er aussagt. Nur 14,5 Prozent der Befragten gaben an, ganz sicher zu wissen, was das Label bedeutet.
71 Prozent der Befragten wünschen sich eine bessere Erklärung und mehr Infos: "Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es in der Breite der Gesellschaft nicht klar ist, was der Nutri-Score eigentlich bedeutet", sagt Studienleiter Professor Achim Spiller von der Georg-August-Universität Göttingen.
Und so richtig im Alltag angekommen ist das Label laut den Studienleitern auch nicht: Die ungestützte Bekanntheit liegt bei lediglich 14 Prozent. Das bedeutet, dass nur 14 Prozent der Befragten den Nutri-Score nannten, als sie aufgefordert wurden, ein Label zu nennen, an dem man erkennen kann, ob ein Lebensmittel zu einer gesunden Ernährung beiträgt. Zum Vergleich: Das bekannteste Label war das Bio-Label mit 24 Prozent der Nennungen.
Auch das Vertrauen in den Nutri-Score lässt zu wünschen übrig: Nur 36 Prozent haben volles oder viel Vertrauen. Zum Vergleich: Dem Bio-Label vertrauen 49 Prozent der Befragten.
Verbreitung lässt zu wünschen übrig
"Insgesamt hat der Nutri-Score viel Potenzial, dieses wird jedoch nicht genutzt", erklärt Sarah Häuser von Foodwatch. Das liege auch daran, dass die Verbreitung des Labels nicht ausreichend sei. Eine Studie der Verbraucherzentralen aus dem Jahr 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich 40 Prozent der Lebensmittel im deutschen Lebensmitteleinzelhandel mit dem Label versehen sind. Dazu gehören mehrere führende Markenartikler (u. a. Dr. Oetker, Iglo, Danone) sowie die vier größten Handelsunternehmen Rewe, Edeka, Aldi und Lidl mit ihren Eigenmarken.
Auch gibt es laut den Studienleitern einen zunehmenden Ausstieg aus der Nutri-Score-Kennzeichnung: "Bei der Einführung des Nutri-Scores konnte man als Unternehmen zeigen, dass man innovativ ist und eine Pionierrolle einnehmen, wenn man den Nutri-Score verwendete." Diese Vorreiterrolle sei aber oft zum vermeintlichen Nachteil geworden, wenn die Konkurrenz auf das Label verzichtete.
Vor allem seit der jüngsten Anpassung des Bewertungsalgorithmus hätten sich einige Unternehmen wieder von der Kennzeichnung zurückgezogen. Die Anpassung führte dazu, dass bestimmten Produktgruppen, wie beispielsweise Brot strenger, aber zutreffenderen bewertet wurden. Auch in anderen Bereichen, etwa der Biobranche oder im Segment der Erfrischungsgetränke, stößt der Nutri-Score weiterhin auf Skepsis und wird kaum verwendet.
Insbesondere Markenartikel würden häufig auf die Kennzeichnung verzichten – wohl auch, weil der Score häufig eher rot als grün ist.
Foodwatch fordert verpflichtenden Nutri Score auf Lebensmitteln
Foodwatch fordert von Bundesernährungsminister Alois Rainer die bundesweite verbindliche Einführung des Nutri-Scores: "Fast alle Verbraucher:innen kennen zwar den Nutri-Score – doch solange nur vereinzelte Produkte im Supermarkt damit gelabelt sind, kann die Lebensmittelampel ihre positive Wirkung nicht entfalten", erklärt Luise Molling.
Dabei sei die Kennzeichnung aber wichtig, um Verbraucherinnen und Verbrauchern eine grobe Orientierung zu geben. Molling: "Der Nutri-Score ersetzt nicht die allgemeinen Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, aber er hilft, eine Wahl zu treffen und bietet eine grobe Orientierung bei der Auswahl vergleichbarer Produkte."
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