Aloe-vera-Saft: Was kann die Heilpflanze im Körper bewirken?

Autor: Hannah Pompalla | Kategorie: Essen und Trinken | 14.08.2025

Aloe-vera-Saft: Was bringt es, ihn zu trinken?
Foto: Valentyn Volkov/Shutterstock; Jorge Elizaquibel/Shutterstock

Der Markt an Aloe-vera-Säften und -Trinkgelen wächst. Dabei werden ihnen unzählige positive Effekte nachgesagt. So sollen sie etwa das Immunsystem stärken, Entzündungen hemmen oder vor Krankheiten schützen. Doch was ist dran an diesem Ruf? Wir haben mit einem Internisten und Gastroenterologen gesprochen.

Die Aloe vera ist seit der Antike als Heilpflanze bekannt. Die "Wüstenlilie" stammt aus Afrika und soll bereits von Kleopatra und Nofretete zur täglichen Haut- und Schönheitspflege genutzt worden sein. Alexander der Große ließ wiederum, so heißt es, verwundete Krieger mit Aloe vera behandeln. Auch innerlich kommt es bereits seit Jahrhunderten zum Einsatz: als Abführmittel und zur Bekämpfung von Würmern.

Heute ist Aloe vera vor allem als Hausmittel gegen Hautbeschwerden wie Sonnenbrände oder trockene Haut bekannt. Das Gel im Inneren der Blätter hat erwiesenermaßen eine kühlende, beruhigende Wirkung, spendet Feuchtigkeit und kann die Regeneration unterstützen. Somit verwundert es nicht, dass die Pflanze für unzählige Kosmetikprodukte verwendet wird.

Aloe-vera-Saft: Was soll er im Körper bewirken?

Inzwischen wächst auch der Markt an Aloe-vera-Produkten zur inneren Anwendung. So gibt es nun neben klassischen Kapseln viele Produkte, die aus dem puren, bitter schmeckenden Blattgel (auch Blattmark genannt) gewonnen werden. Diese werden etwa als "Aloe-vera-Saft", "Aloe-vera-Trinkgel" oder "Aloe-vera-Shot" verkauft. Oft handelt es sich dabei um Nahrungsergänzungsmittel, die in bestimmten Tagesdosen eingenommen werden sollen.

Aloe-vera-Direktsaft besteht zum Beispiel zu 100 % aus dem Innengel frischer Aloe-vera-Pflanzen. Manchmal werden auch Zusatzstoffe wie Vitamin C hinzugefügt. Trinkgele können hingegen auch aus Konzentrat hergestellt sein und Konservierungs-, Verdickungs- und Säuerungsmittel enthalten. Die Zusammensetzung der Produkte variiert also teilweise stark.

Das Blattgel der Aloe vera dient der Pflanze als Wasserspeicher für Trockenperioden. Es wird als regelrechtes "Wundermittel" der Natur vermarktet. So soll es unter anderem:

  • entzündungshemmend wirken
  • die Abwehrkräfte und das Immunsystem stärken
  • den Körper entgiften
  • die Magen- und Darmschleimhaut beruhigen
  • die Verdauung fördern
  • vor Krankheiten wie Krebs, Diabetes und Leberschäden schützen
  • die Kollagenproduktion anregen und so für eine schöne Haut sorgen.
Dem Aloe-vera-Gel werden zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften nachgesagt.
Dem Aloe-vera-Gel werden zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften nachgesagt. (Foto: Valentyn Volkov/Shutterstock)

Wissenschaftliche Belege für Aloe-vera-Blattgel fehlen

Doch wird das Aloe-vera-Blattgel diesem Ruf für die innere Anwendung gerecht? "Wissenschaftliche Belege gibt es kaum, wenn basieren sie auf Zellkultur- oder Tierstudien mit Extrakten und sind nicht auf den Menschen übertragbar", schreibt die Verbraucherzentrale auf ihrer Webseite. Grundsätzlich seien solche krankheitsbezogenen Aussagen verboten.

Auch eher vage Äußerungen wie "kann bei den verschiedensten Erkrankungen als wohltuende Ergänzung eingenommen werden", seien in der Regel unzulässig.

Aloe-vera-Blattgel besteht vor allem aus Wasser

Zum Hintergrund: Das Aloe-vera-Blattgel besteht zu rund 98 bis 99 Prozent aus Wasser. In den Blättern wurden bisher mehr als 200 Inhaltsstoffe nachgewiesen, darunter Vitamine, Mineralien, Fette, Enzyme, Aminosäuren und Salicylsäure.

Als wichtigste Bestandteile gelten jedoch komplexe Zuckerstoffe, vor allem Mucopolysaccharide. Diese langkettigen Zuckermoleküle sind auch für die schleimige, gelartige Konsistenz verantwortlich, daher werden sie auch Schleimstoffe genannt.

Das Mucopolysaccharid Acemannan (auch Aloverose genannt) soll maßgeblich an der positiven Wirkung des Aloe-vera-Gels beteiligt sein. Wissenschaftliche Belege für seine Wirksamkeit fehlen jedoch auch hier.

Die Verbraucherzentrale weist darauf hin, dass die einzelnen Konzentrationen der Inhaltsstoffe generell sehr gering sei und die Pflanze zum Großteil aus Wasser bestehe.

Die Aloe-vera-Pflanze ist in der Wüste beheimatet und sehr widerstandsfähig. Das Gel im Blattinneren dient ihr als Wasserspeicher.
Die Aloe-vera-Pflanze ist in der Wüste beheimatet und sehr widerstandsfähig. Das Gel im Blattinneren dient ihr als Wasserspeicher. (Foto: Meenu Varghese/Shutterstock)

Aloe-vera-Saft: Inhaltstoffe gelangen vermutlich nicht ins Blut

Vom hohen Wasseranteil einmal abgesehen, gibt es noch einen weiteren Grund, weshalb die Wirkung des Aloe-vera-Blattgels oft überschätzt wird. So bezweifelt Professor Roman Huber, Leiter des Zentrums Naturheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg, dass die Inhaltsstoffe des Aloe-vera-Blattgels überhaupt vom Körper richtig aufgenommen werden beziehungsweise in die Blutbahn gelangen, wenn man solche im Handel angebotenen Aloe-vera-Säfte trinkt. 

"Eine systemische Wirkung des Gels ist unwahrscheinlich", sagt der Internist und Gastroenterologe. Denn es sei fraglich, ob die enthaltenen Zucker- bzw. Schleimstoffe, denen die gesundheitsfördernden Wirkungen nachgesagt werden, überhaupt im Dickdarm und somit in der Blutbahn ankommen.

"Die Zuckerstoffe werden im Magen noch überleben. Dann werden die Polysaccharide, die Mehrfachzucker, aber im Dünndarm zu Monosacchariden, also zu Einfachzuckern aufgespalten. Theoretisch könnten sie dann noch über die Darmflora im Dickdarm wirken. Das ist aber noch nicht erwiesen", erläutert der Wissenschaftler den chemischen Vorgang im Körper. Dennoch sei eine systemische Wirkung eher nicht zu erwarten.

Aloe-vera-Gel schützt möglicherweise die Schleimhäute 

Denkbar sei aber, dass die im Aloe-vera-Blattgel enthaltenen Schleimstoffe positive, schützende Effekte auf die Schleimhäute hat, also auf die Mundschleimhaut, Speiseröhre und den Magen. Damit könnten Aloe-vera-Säfte möglicherweise bei Mund- und Magenschleimhautentzündungen sowie Sodbrennen helfen.

Potenziell krebserregende Stoffe unter der Blattrinde

Was die innerliche Anwendung angeht, ist nur eines sicher bewiesen: Aloe vera ist ein effektives Abführmittel gegen Verstopfung. Das ist auf spezielle Pflanzenstoffe zurückzuführen, die sogenannten Anthranoide, die im gelben Saft (Aloe-Latex genannt) unter der Blattrinde enthalten sind. 

Allerdings werden Aloe-haltige Abführmittel heute nicht mehr empfohlen. Denn die stark abführend wirkenden Anthranoide stehen im Verdacht, krebserregend und erbgutschädigend zu sein. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt daher, solche Abführmittel nur für maximal zwei Wochen einzunehmen.

Aloe-vera-Produkte aus ganzen Blättern meiden

Anthranoide sind in allen Aloe-Arten in den obersten Blattschichten zu finden. Das BfR warnt deshalb generell vor Aloe-vera-Zubereitungen – also auch Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel – die ganze beziehungsweise ungeschälte Aloeblätter enthalten.

"Bei der Herstellung von Lebensmitteln mit Blättern von Pflanzen der Gattung Aloe sollten die anthranoidhaltigen äußeren Blattschichten sorgfältig entfernt werden, um Verunreinigungen mit krebsverdächtigen Anthranoiden so gering wie möglich zu halten", schreibt das Bundesinstitut in einer Stellungnahme.

Aloe-vera-Säfte und Nahrungsergänzungsmittel mit Aloe vera dürfen keine Anthrachinone enthalten, und doch werden in manchen Online-Shops Produkte aus ganzen Aloe-Blättern verkauft. Daher gilt es, beim Kauf die Augen offen zu halten.

Aloe-vera-Saft nicht selbst zubereiten

Außerdem wichtig: Sie sollten auf keinen Fall Aloe-vera-Blätter selbst pürieren oder zu Smoothies verarbeiten. Um wirklich anthrachinon-freies Gel zu erhalten, müssen die Blätter sorgfältig geschält werden. Das überlässt man besser Fachleuten. Das bloße Abwaschen des Gels reicht nicht aus. Darauf weist die Verbraucherzentrale hin.

Kann Aloe-vera-Saft auch schaden?

Bleibt die Frage: Können Aloe-vera-Säfte oder -Trinkgele, die nur aus dem Blattmark und nicht aus ganzen Blättern hergestellt wurden, trotzdem bedenklich sein? 

"Anthranoidfreie Aloe-vera-Produkte sind sehr wahrscheinlich harmlos", meint Professor Roman Huber. Bei Nahrungsergänzungsmitteln gelte es, sich genau an die Dosierung zu halten. "Werden die Produkte bestimmungsgemäß eingenommen, sollte nichts passieren", sagt der Facharzt.

Die Hersteller von Aloe-vera-Säften weisen etwa oft darauf hin, dass die Produkte außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt werden sollte. Andere raten Schwangeren von einem Verzehr ab, da er wehenfördernd wirken könnte. Am besten ist es, genau auf die jeweiligen Herstellerangeben zu achten.

Aloe-vera-Saft trinken: Fazit

Abgesehen von einem potenziell schützenden Effekt von Schleimhäuten, scheint das Trinken von Aloe-vera-Gelen oder -Säften wenig sinnvoll zu sein – zumal aussagekräftige, klinische Studien für eine positive Wirkung bei einer inneren Anwendung beim Menschen fehlen.

Vielversprechender sieht die Studienlage bei der äußerlichen Anwendung von Aloe vera aus. So haben Studien gewisse Effekte bei Hautwunden, Sonnenbrand, Schädigung durch Bestrahlung sowie bei Akne und Neurodermitis gezeigt, erläutert Professor Roman Huber. Aber auch diese seien noch nicht gesichert.

Aloe-vera-Produkte aus biologischem Anbau kaufen

Gut zu wissen: Unter den über 450 Aloe-Arten ist die Aloe barbadensis miller – auch "Echte Aloe vera" genannt – die bekannteste und am häufigsten verwendete Art. Der Grund: In ihren Blättern ist die höchste Konzentration der begehrten Wirkstoffe zu finden. Das ursprünglich in der Wüste beheimatete Liliengewächs wird heute weltweit in tropischen und subtropischen Gebieten angebaut. 

Allerdings stammen die Aloe-vera-Produkte, die nach Deutschland importiert werden, laut Verbraucherzentrale überwiegend aus den USA, Mittel- und Südamerika, Spanien und Australien. Dort werden sie meist intensiv in Monokulturen angebaut.

Durch die Düngung zur Förderung eines schnellen Wachstums steige außerdem der Wassergehalt, wodurch sich die Konzentration der beworbenen Inhaltsstoffe verringere. Zudem könnten Pestizide zum Einsatz kommen. Im Bio-Anbau sind hingegen chemisch-synthetische Pestizide verboten. Wer also einen Aloe-vera-Saft probieren möchte, sollte lieber ein Produkt aus kontrolliert ökologischem Anbau wählen.

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