Rezyklate: Wie viel Kunststoff wird wirklich recycelt und was kann jeder tun?

Autor: Frank Schuster, Christine Throl | Kategorie: Freizeit und Technik | 22.03.2021

Kunststoff-Recycling: Wie viel Plastik recyceln wir? Was kann ich tun?
Foto: Shutterstock/Extarz

Weniger als die Hälfte der Kunststoffe, die wir zur Wertstoffsammlung geben, erlebt tatsächlich eine Wiederverwertung. Wie kann das sein? Und wie könnte sich der Anteil recycelter Kunststoffe in Verpackungen erhöhen? ÖKO-TEST beantwortet die wichtigsten Fragen. 

Alle sprechen von Rezyklaten. Was ist das eigentlich und warum sind sie wichtig? Die Masse an Plastik auf der Erde nimmt immer mehr zu. Ursache sind vor allem auch Kunststoffverpackungen. Eine Möglichkeit, das einzudämmen: gebrauchte Kunststoffe aufzubereiten und wiederzuverwerten, also zu recyceln.

Was sind Rezyklate? 

Rezyklate sind diejenigen Anteile in Produkten und Verpackungen, die aus dem Kreislauf der Wiederverwendung stammen. Man unterscheidet zwischen 1. Post-Consumer-Rezyklaten (PCR), also recyceltem Plastik aus Haushaltsabfällen, und 2. Post-Industrial-Rezyklaten (PIR), die von Überbleibseln aus der Kunststoffindustrie stammen, zum Beispiel Stanzreste oder fehlerhafte Chargen.

In Deutschland gibt es doch die Mülltrennung. Also stecken in Kunststoffverpackungen viele Rezyklat-Anteile, oder?

Ja, aber noch lange nicht genug. Die Deutschen trennen zwar seit mehr als 30 Jahren fleißig ihren Abfall und geben Kunststoffe in den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne. Doch noch immer kommt viel zu wenig davon aus dem Recycling-Kreislauf zurück. Laut Statistik des Umweltbundesamts wird mehr als die Hälfte der Kunststoffabfälle in Deutschland "thermisch verwertet". Das heißt: Sie werden in Müllverbrennungsanlagen oder Kraftwerken verbrannt.

Nur wenig Kunststoff wird wiederverwertet 

Nur 46,6 Prozent der Kunststoffe – also etwas weniger als die Hälfte – werden "werk- und rohstofflich" genutzt, also wiederverwertet. Der Anteil an PCR aus Haushalten beträgt dabei sogar nur 38,6 Prozent. Der Rest sind PIR aus der Kunststoffindustrie. Weil diese noch nicht in Verpackungen oder Produkten enthalten waren, handelt es sich streng genommen nicht um Rezyklate, sondern um Neumaterial. Das kritisieren einige Umweltverbände.

Auf vielen Produkten steht doch schon "Rezyklat-Anteil X %". Ist das Greenwashing und damit Verbrauchertäuschung?

In manchen Fällen ja. Wenn der Anbieter beispielsweise nicht zwischen wiederverwerteten Kunststoffen aus dem Gelben Sack und Industrie-Resten unterscheidet.

2019 verlor deshalb zum Beispiel der Wasch- und Reinigungsmittelkonzern Henkel einen Rechtsstreit: Die Firma hatte damit geworben, dass ein Aufhängekörbchen für WC-Kugeln zu 100 Prozent aus recyceltem Kunststoff bestehe. Ein Konkurrent hatte bemängelt, dass die Bezeichnung "recycelt" darauf nicht zutreffe, da es aus Post-Industrial-Rezyklat bestehe.

Wer seinen (Plastik-)Abfall vernünftig trennt und korrekt entsorgt, sorgt dafür, dass sich die Recyclingquote erhöht von Kunststoffen.
Wer seinen (Plastik-)Abfall vernünftig trennt und korrekt entsorgt, sorgt dafür, dass sich die Recyclingquote erhöht von Kunststoffen. (Foto: Shutterstock/Kwangmoozaa)

Warum ist der Anteil wiederverwendeter Kunststoffe nicht längst höher?

Um Recyclingplastik aus Verpackungen aus dem Gelben Sack zu gewinnen, ist ein hoher technischer Aufwand nötig. Die Verpackungen müssen sortiert, gereinigt, zerkleinert und aufbereitet werden. Denn: Verpackungsabfälle aus Haushalten sind häufig verschmutzt.

Und: Sie sind selten sortenrein. Das heißt, in ihnen sind gleich mehrere unterschiedliche Kunststofftypen miteinander verbunden, teils noch mit anderen Materialien, etwa Aluminium. Beispiel Cremetube: Der Tubenschlauch besteht aus PE (Polyethylen) mit einer Innenbarriere aus EVOH (Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer), die Tubenschulter aus HDPE (High Density Polyethylen) und der Verschluss aus PP (Polypropylen). Selbst wenn der Verbraucher, wie empfohlen, Tube und Verschluss trennt, landet immer noch ein Plastikmix im Gelben Sack.

Die Hersteller verwenden deshalb oft sortenreine und für sie günstigere "Rezyklate" aus der Kunststoffproduktion oder aus dem PET-Pfandflaschen- oder dem PE-Milchflaschen-Kreislauf.

Kosmetikhersteller nutzen Rezyklate nur zögerlich

Weshalb haben Putzmittel eine bessere Quote als Kosmetikartikel?

Auch bei Putzmitteln ein Problem: Die Verpackungen – und damit das Ausgangsmaterial für ein mögliches Recycling – ist oft verschmutzt. Während Hersteller von Waschmitteln und Reinigungsmitteln wenig Bedenken haben müssen, ihre Produkte in Flaschen und Kanister aus bereits gebrauchten Kunststoffen zu füllen, stellt dies Produzenten von Kosmetik-Produkten vor hygienische Herausforderungen.

Der Anbieter einer Baby-Wundschutzcreme erklärte ÖKO-TEST: "Im Gelben Sack werden neben Lebensmittelverpackungen auch Verpackungen für Medikamente, Reinigungsmittel, Motorenöl, Waschmittel usw. gesammelt und zusammen recycelt. Es findet nur eine Trennung nach Kunststoffmaterial statt und nicht jedoch nach Herkunft und Reinheit. Für die Verpackung eines Wasch- und Reinigungsmittels mag eine solche Qualität genügen, aber nicht für produktberührende Verpackungen im Säuglings- und Kleinkinderbereich."

Manche Babykosmetikhersteller wie Bübchen setzen jedoch schon recyceltes Plastik ein und verwenden dafür Plastikflaschen aus der Getränkeindustrie. Durch eine bessere Reinigung und Qualitätssicherung wäre es generell möglich, den Rezyklat-Anteil auch in Verpackungen von Kosmetika zu erhöhen. Doch das steigerte wiederum die Kosten. Dennoch haben sich inzwischen viele Kosmetikanbieter zum Ziel gesetzt, die Quote zu steigern.

Plastik reduzieren: Es ist wichtig, dass in Verpackungen auch recycelte Kunststoffe aus der Wertstoffsammlung stecken.
Plastik reduzieren: Es ist wichtig, dass in Verpackungen auch recycelte Kunststoffe aus der Wertstoffsammlung stecken. (Foto: ImagineStock/Shutterstock)

Rezyklate: Gesetze könnten Quote steigern 

Was kann getan werden, damit die Quote steigt?

Viel – vor allem vom Gesetzgeber und von der Politik. Das 2019 in Deutschland in Kraft getretene Verpackungsgesetz verlangt zwar jetzt schon, Anreize zu schaffen, um die Verwendung von Rezyklaten und nachwachsenden Rohstoffen zu fördern. Eine Pflicht, recycelten Kunststoff zu verwenden, ist in dem Gesetz jedoch nicht festgeschrieben. Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Naturschutzbund Nabu fordern deshalb PCR-Mindestquoten.

Thomas Fischer, Wirtschaftskreislauf-Experte der DUH: "Mindestquoten könnten dazu führen, dass mehr Verpackungsmüll aus dem Gelben Sack zu Rezyklat aufbereitet wird. Zudem muss eine Verpflichtung zur Recyclingfähigkeit her. Viele Verpackungen sind nur gering recyclingfähig, weil sie aus Verbundmaterialien sind. Schließlich muss das Verhältnis Verpackung zu Inhalt optimiert werden – also keine halb leeren und übermäßig dicken Verpackungen mehr."

Was können Sie als Verbraucher tun, um zur Lösung des Plastikproblems beizutragen?

Die folgenden Hinweise helfen, weniger Plastik zu konsumieren und ein möglichst effektives Recycling zu unterstützen:

  • Verpackungsmüll möglichst vermeiden.
  • Mehrweg vor Einweg.
  • Wenn schon Einweg, dann die Wertstoffe richtig trennen – also den Aludeckel vom Joghurtbecher ziehen und den Verschluss der Shampoo-Flasche abdrehen, bevor sie im Gelben Sack landen.
  • Plastikfreie Produkte kaufen, zum Beispiel feste statt flüssige Seife für Hände und Körper sowie festes Shampoo und Haarseifen für die Haare.
  • Leere Plastikflaschen und -behälter aufbewahren und wiederverwenden.
  • Allzweckreiniger, Waschlotionen und viele andere Produkte gibt es inzwischen auch zum Nachfüllen, zum Beispiel als Konzentrate.

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