Knapp ein halbes Jahr nach Inkrafttreten eines Gesetzes, das den Verbraucherschutz stärken soll, beklagt die Verbraucherzentrale noch große Defizite. Bei der Umsetzung der neuen Rechte bestehe noch "erheblicher Verbesserungsbedarf", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv). Es wurden Beschwerden ausgewertet, die in den vergangenen Monaten bei den Verbraucherzentralen eingegangen waren.
Als Beispiel nennen die Autorinnen ein in dem novellierten Telekommunikationsgesetz (TKG) enthaltenes Minderungsrecht: Bekommt ein Verbraucher schlechteres Internet als vertraglich zugesichert, hat er Anspruch auf Preisminderung – vorausgesetzt, er kann das über das Breitbandmessung-Tool der Bundesnetzagentur nachweisen.
Preisminderung oft nicht transparent
Dem vzbv ist es hierbei ein Dorn im Auge, dass die Internetanbieter betroffenen Kunden zwar eine Preisminderung anbieten, aber nicht deren Berechnung erklären. Der Einzelne könne dann nicht nachvollziehen, wie der angebotene Minderungsbetrag zustande komme, moniert Kathrin Steinbach vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Ihre Kollegin Susanne Blohm fordert verbindliche Leitlinien für die Berechnungen der Internetanbieter.
Die Bundesnetzagentur führt nach eigenen Angaben Gespräche mit der Telekommunikationsbranche, um "vereinfachte Entschädigungsmodelle" zu erreichen. Die Gespräche liefen noch, sagte ein Behördensprecher. Man werde sicherstellen, "dass die Kundenrechte entsprechend der Novelle des Telekommunikationsgesetzes umsetzt werden".
Außerdem müssen Telekommunikationsanbieter dem Verbraucher seit der TKG-Novelle eine Kurzzusammenfassung des Vertrags zukommen lassen, bevor ein Vertrag abgeschlossen werden kann. Das gilt sowohl für Anrufe von Telefon-Hotlines als auch für die Beratung in Shops.
Viele Beschwerden bei den Verbraucherzentralen
Trotz der neuen Rechte ist der Ärger von Bürgerinnen und Bürger weiter groß. Dies folgerte der vzbv aus der Anzahl von Beschwerden zu telefonisch untergeschobenen Verträgen, die bei den Verbraucherzentralen eingingen. Waren es im ersten Quartal 2020 noch 266, so stieg diese Zahl ein Jahr später auf 328. Im ersten Quartal 2022 waren es sogar 387 solcher Beschwerden. Die Zahl der Beschwerden über untergeschobene Verträge in Shops war ebenfalls relativ hoch.
Zahlung an Internetdienstleister reduzieren
Wer daheim viel schlechteres Internet hat als vom Provider versprochen, kann seit Dezember seine Zahlungen an den Internetdienstleister reduzieren.
Die Bundesnetzagentur hat dafür Kriterien festgelegt. In dem Kriterienkatalog geht es darum, wie groß die Defizite konkret sein müssen, bevor Sie ein Minderungsrecht in Anspruch nehmen dürfen. Die Kriterien gelten für das Festnetz-Internet.
Kriterien für zu schlechtes Internet
Eine schwerwiegende Abweichung und damit ein Minderungsgrund liegen vor, wenn …
- die vertraglich vereinbarte minimale Geschwindigkeit an zwei Messtagen jeweils unter-
schritten wird,
- die normalerweise zur Verfügung stehende Geschwindigkeit nicht in 90 Prozent der Mes-
sungen erreicht wird oder
- an zwei Messtagen nicht mindestens einmal 90 Prozent der vereinbarten maximalen Geschwindigkeit erreicht werden.
Dabei müssen 20 Messungen an mindestens zwei Tagen erfolgen; die Anzahl der Messungen muss überdies gleichmäßig über die Messtage verteilt werden, so der Entwurf.
Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung
Bei der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes in vergangenem Jahr wurde die Rolle der Verbraucher gestärkt. Diese haben seit 1. Dezember 2021 das Recht, das vereinbarte Entgelt zu mindern oder den Provider-Vertrag außerordentlich – d.h. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – zu kündigen, wenn es zu "erheblichen, kontinuierlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Abweichungen bei der Geschwindigkeit zwischen der tatsächlichen Leistung der Internetzugangsdienste und der vom Anbieter angegebenen Leistung" kommt, so die Agentur.
Zwar konnte man Zahlungen an Internetanbieter schon zuvor reduzieren, wenn die Leistung schlechter war als versprochen. Allerdings war es für Verbraucher schwierig, dieses Recht durchzusetzen.
Das hat sich jetzt geändert: Wer Messungen mit der Desktop-App breitbandmessung.de von der Bundesnetzagentur vornimmt, kann mit diesen Werten die Reduzierung der monatlichen Zahlungen rechtfertigen.
Weniger Leistung als vereinbart = weniger Geld
Nun definiert die Netzagentur die Schwelle, ab der ein Verbraucher Anspruch ab Minderung hat. Wie viel man weniger zahlen kann, wurde festgelegt: Bei einer "erheblichen, kontinuierlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Abweichung bei der Geschwindigkeit" kann so viel gemindert werden, wie der Abstand zwischen tatsächlicher und vertraglich vereinbarter Leistung beträgt.
Beim Abschluss von Internetverträgen müssen die Provider in Produktinformationsblättern klarstellen, wie hoch ihre maximalen und minimalen Datenübertragungsraten sind, sowie das Tempo angeben, das normalerweise zur Verfügung steht. An diesen Werten dürfen sich Verbraucher orientieren, um – je nach Ergebnis ihrer Messungen – weniger zahlen zu dürfen.
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