Ja zur Abkehr von Öl und Gas – Freude und Frust auf dem Klimagipfel

Autor: dpa/Redaktion (lw) | Kategorie: Freizeit und Technik | 13.12.2023

UN-Klimakonferenz ruft zur Abkehr von fossilen Energien auf
Foto: Hannes P. Albert/dpa2

Die Menschheit steuert auf eine drei Grad heißere Welt zu. Hauptgrund ist die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, bei der Treibhausgase freigesetzt werden. Damit soll es nun zu Ende gehen – das hat die UN-Klimakonferenz erstmals beschlossen. Nicht alle sind zufrieden.

Nach jahrzehntelanger Diskussion hat sich die Weltgemeinschaft auf der UN-Klimakonferenz in Dubai erstmals auf die Abkehr von Kohle, Öl und Gas geeinigt. Außenministerin Annalena Baerbock sprach am Mittwoch von einem "Tag der großen Freude".

"Diese Klimakonferenz besiegelt de facto das Ende des fossilen Zeitalters", sagte die Grünen-Politikerin. Umweltorganisationen und Wissenschaftler bemängelten allerdings, dass der von mehr als 100 Staaten geforderte klare Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen nicht festgeschrieben wurde. Auch reiche das Ergebnis nicht, um die Erderwärmung wie 2015 in Paris vereinbart auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Vereinbart wurde auch das Ziel, die Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und das Tempo bei der Energieeffizienz in diesem Zeitraum zu verdoppeln. Schon zu Konferenzbeginn wurde ein neuer Fonds zum Ausgleich von Klimaschäden in besonders verletzlichen Staaten auf den Weg gebracht und mit fast 800 Millionen US-Dollar gefüllt (etwa 740 Mio. Euro).

Konferenz-Präsident sieht "historisches Paket"

UN-Generalsekretär António Gutteres lobte den Beschluss zur Abkehr von fossilen Brennstoffen – und rügte den Widerstand etlicher Staaten gegen mehr Ehrgeiz dabei. Der Ausstieg sei unumgänglich, betonte er. "Lasst uns hoffen, dass er nicht zu spät kommt." Unter anderem Saudi-Arabien, Indien und Russland hatten während des zweiwöchigen Treffens mit Zehntausenden Teilnehmern Blockadeversuche unternommen.

Konferenzpräsident Sultan Al-Dschaber aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns, sprach strahlend und applaudierend von einem "historischen Paket". Es sei ein robuster Aktionsplan, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten. Alle Verhandlungsteams hätten ihre Komfortzone verlassen, dafür sei ihnen der Dank künftiger Generationen gewiss.

Nach rund 24-stündiger Verlängerung und nächtlichen Verhandlungen hatte Al-Dschaber das Treffen am Vormittag überraschend plötzlich zum entscheidenden Punkt gelenkt: Direkt zu Beginn der Plenarsitzung verabschiedete er den erst kurz zuvor veröffentlichten Textentwurf mit einem Hammerschlag – so wie auf Klimakonferenzen üblich, wo das Prinzip der Einstimmigkeit gilt.

Inselstaaten fühlen sich übergangen

Doch die besonders von der Klimakrise bedrohten Inselstaaten waren zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Plenum: Eine Vertreterin Samoas, Anne Rasmussen, sagte, die Inselstaaten hätten sich noch koordinieren müssen. Sie äußerte sich irritiert: "Wir können nicht auf unsere Inseln zurückkehren mit der Botschaft, dass dieser Prozess uns betrogen hat." Die nötige Kurskorrektur in der Klimapolitik sei nicht erreicht worden. Für Änderungen war es da aber schon zu spät.

In dem nun beschlossenen 21-Seiten-Papier werden die Staaten aufgefordert, sich von fossilen Brennstoffen in ihren Energiesystemen abzuwenden ("transitioning away"). Mehr als Hundert Staaten aus der EU, Afrika sowie karibischen und pazifischen Staaten hatten zuvor eine weitergehende Formulierung gefordert: nämlich einen schrittweisen Ausstieg ("phasing out").

Auch lässt der Text Hintertüren offen – wie für die weitere Nutzung von Gas sowie den Einsatz umstrittener Technologien zur Speicherung und Abscheidung von CO₂.

Anfang vom Ende: Das waren wichtige Reaktionen

  • Der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser kritisierte: "Die Dominanz und das destruktive Vorgehen der ölexportierenden Länder, der einflussreichen Öl- und Gaslobby sowie der kohleabhängigen Länder wurden auf der Weltklimakonferenz überdeutlich und verhinderten weitergehende und verbindliche Beschlüsse."
    Dennoch sei das Ergebnis der Beginn des Endes der Öl-, Gas- und Kohleindustrie – "nicht mehr, auch nicht weniger".
  • Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, sagte, die Beschlüsse von Dubai könnten ein historischer Schritt werden – "aber nur, wenn in den nächsten Jahren tatsächlich weltweit ein massives Herunterfahren von Kohle, Öl und Gas erfolgt".
  • Der Oxfam-Experte Jan Kowalzig sagte dazu, das Ergebnis habe bedenkliche Schattenseiten und Schlupflöcher, darunter die Betonung der Rolle von Erdgas als Übergangslösung. "Das werden Förderländer und die fossile Industrie als Freifahrtschein für die Ausweitung der Gasförderung werten."
  • Der Ko-Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, erklärte, der Beschluss mache allen Finanzinstituten, Unternehmen und Gesellschaften klar, dass man nun endlich – acht Jahre nach dem Zeitplan von Paris – am wahren "Anfang vom Ende" der von fossilen Brennstoffen angetriebenen Weltwirtschaft stehe. Nun gelte es, die Emissionen bis 2030 um mehr als 40 Prozent zu senken und bis 2050 eine Netto-Null zu erreichen.
  • EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra, der führend für die Europäische Union in Dubai verhandelte, lobte das Ende der Konferenz als Tag, an dem man sich darüber freuen könne, dass "die Menschheit endlich getan hat, was lange, lange überfällig war".
  • Luisa Neubauer von Fridays for Future sagte, die Klimabewegung habe für diese globale Abkehr von fossilen Energien hart gekämpft. Gemessen am Widerstand der Lobby für Kohle, Öl und Gas, die mit hunderten Vertretern angereist war, sei das ein großer Schritt, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
    Die Konferenz habe jedoch auch gezeigt, "dass die Profite der Öl-Firmen bis heute erfolgreicher beschützt werden als die betroffensten Regionen der Welt."
  • Die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder erklärte, in dem Abschlusstext werde der Bedarf von "Billionen von Dollar" anerkannt, die zur Bekämpfung des Klimawandels in ihren Ländern erforderlich seien. Doch gebe es eine enorme Kluft zwischen den Bedürfnissen der Entwicklungsländer und den verfügbaren Finanzmitteln.

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