Nach Tierquälerei-Skandal: Razzia in deutschem Milchvieh-Großbetrieb

Autor: Benita Wintermantel | Kategorie: Essen und Trinken | 02.08.2019

Nach Tierquälerei-Skandal: Razzia in deutschem Milchvieh-Großbetrieb
Foto: CC0 Public Domain / Pixabay / franzl34

Ein großer Milchproduzent im Allgäu verstößt seit Jahren gegen Tierschutzvorschriften. Videos zeigen, wie Mitarbeiter die Kühe massiv quälen – jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Schon seit Jahren werden immer wieder Tierschutzvorwürfe gegen einen der größten bayerischen Milchbauern erhoben. Videoaufnahmen der Tierrechtsorganisation Soko Tierschutz zeigen, wie Mitarbeiter auf dem Hof des Landwirts Franz Endres im Allgäu Kühe massiv quälen und misshandeln. Die Videos liegen auch der Süddeutschen Zeitung, sowie dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" und "Fakt" vor.

[02. August 2019] Nach Tierquälerei-Skandal: Razzia in deutschem Milchvieh-Großbetrieb

Jetzt haben laut der Deutschen Presseagentur (dpa) die Ermittlungen gegen den Milchvieh-Großbetrieb begonnen. Am Mittwoch (31. Juli) fand eine große Razzia in 21 Objekten statt, die mit dem Betrieb in Zusammenhang stehen – darunter auch Praxen und Wohnungen, wie die Staatsantwaltschaft Memmingen bestätigte. Mehr als 160 Polizisten waren dabei im Einsatz und suchten beim Inhaber des Betriebs, bei Mitarbeitern und Tierärzten nach Beweisen. Gegen neun Verdächtige wird nun ermittelt.

Eine 30-köpfige Sonderkommission namens "Fundus" ist damit betraut, die Vorfälle aufzuklären. Sie soll neben den bei der Razzia sichergestellten Unterlagen auch das 400-stündige Videomaterial von Soko Tierschutz auswerten. Wann mit ersten Ergebnissen aus den Durchsuchungen zu rechnen ist, sei derzeit noch nicht abzuschätzen.

Strengere Auflagen, aber keine Betriebsschließung

„Es ist schön, wenn der Staat jetzt endlich handelt. Es hat lange gedauert“, sagte Friedrich Mülln von der Tierschutzorganisation gegenüber der "taz". Doch wie eine Sprecherin des Landratsamts Unterallgäu in Mindelheim der dpa mitteilte, kommt eine Betriebsschließung als Maßnahme im vorliegenden Fall zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht: "Dadurch wäre auch den Tieren nicht geholfen. Diese sind und werden versorgt."

Der Betrieb sei derzeit mit Auflagen belegt: So muss der Landwirt einen Tierschutzbeauftragten einsetzen, der die Einhaltung des Tierschutzgesetzes überwacht. Das Töten von Rindern ist dem Betrieb bis auf Weiteres untersagt und ein amtlicher Tierarzt muss die Tiere untersuchen, bevor sie zu einem Schlachthof transportiert werden. 

[10. Juli 2019] Video deckt auf: Tierquälerei in einem der größten deutschen Milchbetriebe

Die Video-Aufnahmen stammen aus dem Frühsommer dieses Jahres. 30 Tage lang beobachteten versteckte Kameras den Großbetrieb Endres mit tausenden Kühen. Die Tierschützer berichten von zahlreichen Misshandlungen und Nottötungen: "Auf dem Betrieb werden Tiere systematisch Durst, Hunger und Gewalt ausgesetzt. Der dokumentierte Todeskampf der Tiere dauert bis zu neun Tage", so die Soko Tierschutz.

Das Video zeige außerdem, wie der Betriebsleiter persönlich Kühe misshandelt: "Dabei kommen Tritte, Stiche mit einem spitzen Gegenstand und Gewalt mittels eines Traktors zum Einsatz. Mit dem Traktor werden Tiere gewaltsam umhergeschleift und mutwillig schwer verletzt. Besonders grausam: Anstatt durch Entbluten nach Betäubung lässt man Kühe an den Kopfverletzungen des Bolzenschusses über Stunden grausam verenden."

Vor dem Betrieb häuften sich Kadaver. "Die Kontrollen der Behörden sind entweder nicht in der Lage oder nicht Willens diese Grausamkeiten und Straftaten aufzudecken", kritisiert die Tierrechtsorganisation.

Milchproduktion ist grausame Massentierhaltung

"Diese Recherche entzaubert den Mythos von der Milchproduktion im idyllischen Allgäu. Sie ist längst in der Massentierhaltung angekommen, mit schrecklichen Folgen für die Tiere. Jeder kennt inzwischen die grausamen Folgen der Massentierhaltung bei Geflügel und Schweinen. Die Konsumenten und Konsumentinnen von Milchprodukten müssen sich klar werden, dass der Konsum von Kuhmilchkäse die gleichen schrecklichen Folgen für Tiere hat und die Milchproduktion anderen Tierausbeutungs-Industrien an Grausamkeit in nichts nachsteht.

Wir fordern ein hartes Durchgreifen der Behörden gegen die Tierquälerei in der Milchproduktion und appellieren an die Verbraucher auf tierleidfreie Pflanzenmilch zu setzen und dieser Barbarei damit ein Ende zu setzen", so Friedrich Mülln von SOKO Tierschutz aus Augsburg.

"Nicht akzeptable Bilder!"

Professor Holger Martens, Experte für Rinderhaltung, hat die Aufnahmen für die ARD und die Süddeutsche Zeitung begutachtet. Seine Einschätzung: "Ich habe solche Bilder noch nie gesehen. Sie sind nicht akzeptabel. Das sind unerträgliche Zustände. Das verstößt eindeutig gegen die bestehenden Gesetzte. Es ist bedrückend." 

Öko-Test rät: Achten Sie zumindest beim Kauf von Milchprodukten auf Bio-Qualität. Hier ist größeres Tierwohl gewährleistet.

Käserei Champignon nimmt keine Milch von Endres mehr an

Laut der Soko Tierschutz ging die Milch des Betriebs großteils an die Käserei Champignon, die auch Produkte für Weihenstephan herstellt. Am 10. Juli veröffentlichte Champignon auf ihrer Website eine Stellungnahme zu den Vorfällen, zeigte sich betroffen und bekannte sich "eindeutig und unmissverständlich zum Tierwohl". Im Statement heißt es: "Die gelieferte Milch des betreffenden Milchviehhofes war und ist von einwandfreier Qualität, dennoch nimmt die Käserei Champignon, aus ethischen und moralischen Gründen, keine Milch mehr von diesem Hof an."

Soko Tierschutz hat Anzeige gegen den Betrieb erstattet. Auch der Betreuungstierarzt wurde angezeigt. Es besteht der Verdacht, dass er von der Tierquälerei wusste und diese Informationen nicht weitergegeben hatte. Inzwischen hat das zuständige bayerische Verbraucherschutzministerium reagiert und Aufklärung und Sonderkontrollen versprochen – und die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen.

"Report Mainz" berichtet über die Tierquälerei

Die ARD hat im "Report Mainz" über die Vorfälle berichtet. Den Beitrag können Sie hier anschauen.

Weiterlesen auf oekotest.de: