Viele Menschen starten mit einer Tasse Kaffee in den Tag, andere genießen ihn bewusst nach dem Essen – sei es als Espresso, Cappuccino oder Filterkaffee. Doch oft ist davon zu lesen, dass es keine gute Idee sei, vor oder nach dem Essen einen Kaffee zu trinken.
Der Grund: Kaffee hemme die Aufnahme von Eisen aus der Nahrung. Das liege an den enthaltenen Gerbstoffen (Tanninen), die zu den sekundären Pflanzenstoffen gehören. Die Stoffe würden die Eisenionen im Magen binden, wodurch das Eisen nicht über die Dünndarmwand in den Blutkreislauf gelangen könne. Somit könne das Eisen vom Körper nicht "resorbiert" werden, wie es im Fachjargon heißt.
Daher ist oft die Empfehlung zu lesen, man solle mindestens 30 Minuten vor und nach dem Essen keinen Kaffee trinken. Das wird vor allem Menschen nahegelegt, die ohnehin einen Eisenmangel haben. Aber ist das wirklich sinnvoll?
Kaffee zum Essen: Hemmt das Getränk die Eisenaufnahme?
"Das ist ernährungsmedizinischer Unsinn", betont Professor Johannes Georg Wechsler, Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie in München. Kaffee würde zwar schon gewissermaßen die Eisenresorption im Dünndarm hemmen. "Aber nicht so sehr, dass es große Probleme bereiten würde", sagt der Ehrenpräsident des Berufsverbandes Deutscher Ernährungsmedizinerinnen und Ernährungsmediziner.
"Wenn man zum Beispiel ein Rindersteak isst und kurz danach einen Cappuccino oder Espresso trinkt, wird die Eisenaufnahme um etwa 20 Prozent gehemmt. Das ist aber medizinisch nicht relevant", veranschaulicht der Fachmann. Bei entkoffeiniertem Kaffee werde die Aufnahme übrigens um gut zehn Prozent verringert.

Eisentabletten nicht mit Kaffee kombinieren
Anders sieht es aber aus, wenn ein diagnostizierter Eisenmangel besteht und eine Supplementierung mit entsprechenden Präparaten nötig ist. Dann ist es nicht sinnvoll, die Tabletten zum bzw. nach dem Kaffeetrinken einzunehmen, da der Körper sonst nur zirka ein Drittel des Eisens resorbieren kann, so Wechsler.
"Die Eisentabletten sollte man aber sowieso erst abends einnehmen, damit das Eisen besser aufgenommen wird", sagt der Facharzt. In schweren Fällen eines Eisenmangels könnten auch Infusionen notwendig sein.
Eisenwerte regelmäßig kontrollieren lassen
Fest steht also: Wer gerne Kaffee trinkt, muss sich laut Ernährungsmediziner Johannes Georg Wechsler keine Sorgen um eine mögliche verringerte Eisenaufnahme machen. Das gelte sowohl für gesunde Menschen als auch solche, bei denen bereits ein Eisenmangel festgestellt wurde – sofern sie zum Kaffee keine Eisentabletten einnehmen.
Auch Personen, die ein Risiko für einen Mangel haben, müssten nicht vorbeugend auf einen Kaffee vor oder nach dem Essen verzichten. Dazu gehören vor allem:
- Frauen mit starken Menstruationsblutungen
- Schwangere
- Vegetarierinnen und Vegetarier
- Veganerinnen und Veganer
- Menschen mit chronisch-entzüntlichen Darmerkrankungen, die einen erhöhten Blutverlust und Resorptionsstörungen haben.
Diese "Risikogruppen" sollten aber ihre Eisenwerte regelmäßig von einem Arzt oder einer Ärztin kontrollieren lassen – genau wie Menschen, die bereits einen Mangel haben.
Gesunde, abwechslungsreiche Ernährung ist wichtig
Wichtig sei vor allem, insgesamt auf eine gesunde, vielfältige Ernährung zu achten, anstatt sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wann genau ein Kaffee "erlaubt" ist.
Generell spricht sich Wechsler gegen eine "Verbotsmedizin" aus. "Man muss sich das Leben nicht unnötig schwer machen", sagt der erfahrene Gastroenterologe, der 20 Jahre lang Chefarzt der Inneren Abteilung im Krankenhaus Barmherzige Brüder in München war und nun in seiner Privatpraxis tätig ist.

Tee & Co.: Nicht nur Kaffee hemmt die Eisenaufnahme
Übrigens: Nicht nur Kaffee hemmt die Eisenaufnahme. Auch zahlreiche andere Lebensmittel können die Eisenresorption verringern. Das gilt etwa für schwarzen und grünen Tee sowie Rotwein. Denn diese Getränke enthalten ebenfalls Tannine.
Hinzu kommt, dass es neben Tanninen noch weitere Stoffe gibt, die für eine verringerte Eisenaufnahme sorgen können. Dazu zählen folgende Hemmstoffe:
- Phosphate in Softdrinks wie Cola
- Calcium in Milch- und Milchprodukten sowie Käse
- Phytinsäure (Phytate) in Getreide, vor allem Vollkornprodukte sowie Mais, Hülsenfrüchte und ungeschälter Reis
- Oxalsäure (Oxalate) in Kakao, Schokolade, Rhabarber, Spinat, rote Bete
Diese Stoffe können die Eisenaufnahme um bis zu 30 Prozent hemmen, erläutert Wechsler. "Das ist aber alles nicht so dramatisch. Bei einer normalen, gesunden Ernährung besteht kein Eisenmangel", möchte er beruhigen. Um einem Mangel vorzubeugen, gelte es, sich vielfältig und ausgewogen zu ernähren.
Um dies zu erreichen, plädiert der Spezialist für eine flexitarische Ernährung. Das ist eine Ernährungsform, die überwiegend auf pflanzlichen Lebensmitteln basiert, die auch in Maßen hochwertige Fleisch- und Fischprodukte einschließt.
Wer zum Beispiel jeweils zweimal pro Woche Fleisch und Fisch isst und an anderen Tagen reichlich Gemüse und Obst, müsse sich keine Sorgen um einen Nährstoff- beziehungsweise Eisenmangel machen.
Eisen nur bei einem Mangel supplementieren
Wichtig zu beachten: Eisen ist lebenswichtig und unter anderem essenziell für die Blutbildung und Zellfunktion. Es sollte aber nur supplementiert werden, wenn tatsächlich ein Mangel besteht.
Denn eine unnötige dauerhafte hohe Eisenzufuhr kann schädlich sein. Nehmen Erwachsene dauerhaft zu viel Eisen zu sich, ist zum Beispiel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs erhöht. Bei Schwangeren, die keinen Mangel haben, kann eine zusätzliche Eisenaufnahme wiederum das Risiko für Frühgeburten und ein niedriges Geburtsgewicht erhöhen.
Ob ein Mangel besteht, kann der Hausarzt mit einem Bluttest feststellen. Typische Symptome für einen Eisenmangel sind etwa Müdigkeit, Blässe, Schwindel, Abgeschlagenheit, Kurzatmigkeit und Depression.
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