Essbare Insekten – eine nachhaltige Fleisch-Alternative?

Autor: Benita Wintermantel | Kategorie: Essen und Trinken | 11.10.2020

Essbare Insekten – eine nachhaltige Fleisch-Alternative?
Foto: Fotolia (koldunova_anna) / Bugfoundation

Es muss ja nicht unbedingt eine Riesen-Heuschrecken vom Grill sein. Insekten "verstecken" sich in Insekten-Pasta vom Discounter, in Snacks, Müsli und in hippen Burgerkreationen. Hier sieben Gründe, warum es sich lohnt, über den Verzehr von Insekten-Snacks nachzudenken. Plus einige Argumente, die gegen Insektenprodukte sprechen.

In Afrika, Asien und Südamerika stehen Insekten seit jeher auf dem Speiseplan. Der Rest der Welt tut sich mit dem Verzehr der kleinen Tierchen noch schwer. Langsam, aber sicher nehmen die Insekten auch bei uns an Fahrt auf.

Die ersten mutigen Supermärkte machten es vor, inzwischen machen fast alle mit: Insekten essen gehört heutzutage (fast) schon dazu. In den Supermarktregalen finden sich tiefgekühlte Insekten-Pasta, Burgerpatties mit Büffelwurm-Anteil, dazu diverse Proteinriegel, Müslis und Snacks. 

Auch die Burger-Kette Hans im Glück hat Burger-Patties auf Insektenbasis auf der Speisekarte, unter dem zukunftsweisenden Namen "Übermorgen". Die Patties aus Insekten stammen von dem Food-Start-up Bugfoundation. Auch Ikea experimentiert mit Insekten-Köttbullar, die aus Mehlkäfern als Grundmasse bestehen sollen.

Insekten: Das neue Superfood?

Essbare Insekten gelten als zukunftsweisende Innovation im Nahrungsmittelbereich – für die meisten Menschen eine unangenehme Vorstellung. Dabei sind Kerbtiere eine gesunde und umweltfreundliche Nährstoffquelle.

Weltweit gibt es knapp 2.000 essbare Insektenarten: darunter Käfer, Raupen, Bienen, Heuschrecken, Grillen, oder Mehlwürmer. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation ernährt sich ungefähr eine Milliarde Menschen gelegentlich von Insekten. Diese Zahl wird steigen, denn Insekten-Food ist ein Trend, der sich wohl nicht mehr aufhalten lässt.

Wer schon mal den Versuch gemacht hat, Insekten zu essen, wird bestätigen: Die kleinen Tierchen schmecken relativ neutral, Geschmack bekommen sie hauptsächlich durch die Gewürze, mit denen sie aufgepeppt werden. Anbraten macht Heuschrecken, Grillen  und Co. schön knackig. 

Darum macht es Sinn, Insekten zu essen

  1. Insekten enthalten viel Protein.
  2. Sie sind eine optimale Quelle für Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren.
  3. Ihre Produktion ist umweltfreundlicher als die von herkömmlichem Fleisch.
  4. Insekten brauchen im Vergleich zu gängigen Nutztieren deutlich weniger Futter, weniger Platz und weniger Wasser. Als Vergleich: Das benötigte Wasser pro Kilo Fleisch liegt bei Rindern bei 15.000 Litern, bei Mehlwürmern bei nur einem Liter (Quelle: FAO.org).
  5. Insekten verursachen vergleichsweise wenig Treibhaus-Gase: 0,15 Kilogramm pro Kilogramm Körpergewicht bei Insekten, bei Rindern sind es knapp 15 Kilogramm.
  6. Bei Insekten liegt der essbare Anteil des Tierkörpers mit 80 Prozent deutlich höher als zum Beispiel beim Rind, wo er bei nur 40 Prozent beträgt.
  7. Insekten als Nahrungsquelle könnten die Ernährung der Weltbevölkerung sichern.

Wie sicher ist der Verzehr von Insekten?

Insekten als Lebensmittel sind bei uns noch relativ neu, gesetzliche Regelungen dazu werden erst nach und nach auf den Weg gebracht.

Die Verbraucherzentralen haben jetzt in einem Marktcheck Regelungslücken und Kennzeichnungsmägel aufgedeckt. "Gerade die Allergenkennzeichnung ist bei vielen Produkten lückenhaft", sagt Sabine Holzäpfel, Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. "Zudem fehlen oft Hinweise, ob die Produkte bei der Herstellung erhitzt wurden. Bei den Werbeaussagen ist ein erheblicher Anteil von unzulässigen, nährwertbezogenen Angaben aufgefallen."  

In der EU noch keine rechtliche Regelung

Grundsätzlich müssen Insekten für den menschlichen Verzehr gesundheitlich bewertet und zugelassen werden. "Bis jetzt ist noch keine Insektenart in der EU als Lebensmittel zugelassen. Es wurden allerdings bereits mehrere Anträge auf Zulassung gestellt. Unter anderem für den Buffalowurm (Alphitobius diaperinus), den Mehlwurm (Tenebrior molitor) und die Kurzflügelgrille (Gryllodes sigillatus)", so die Verbraucherzentrale Hamburg. Eine Zulassung für eine Insektenart kann mehrere Monate dauern. Bis über die Anträge entschieden ist, dürfen die bestehenden Insektenprodukte im Rahmen einer Übergangsregelung weiter vermarktet werden. 

In der Schweiz sind Insekten als Lebensmittel bereits seit Mai 2017 genehmigt. Dort ist bislang der Verkauf von drei Insekten erlaubt: Mehlwurm, Heimchen (Grille) und Europäische Wanderheuschrecke. Auch in den Niederlanden und in Belgien ist der Konsum bereits rechtlich geregelt.

Wo der Tierschutz bei der Insektenzucht bleibt

Insekten sind Lebewesen. Nach dem aktuellen Forschungsstand haben sie kein Schmerzempfinden wie Säugetiere. Nichtsdestotrotz sind wir bei der Insektenzucht mit wichtigen Fragen konfrontiert: Wie können die Tiere artgerecht gehalten werden? Wie müssen sie gefüttert werden? Wie sieht die Behandlung im Krankheitsfall aus? Und vor allem: Wie werden sie am sinnvollsten getötet?

Insekten-Food: Nichts für Allergiker

Allergiker sollten beim Verzehr von Insekten vorsichtig sein. Wer allergisch auf Schalen- und Krustentiere, Hausstaubmilben und Weichtiere reagiert, kann eine solche Reaktion auch bei Insekten zeigen. 

Eine entsprechende Allergenkennzeichnung ist dereit nicht verpflichtend. Bei allen im Marktcheck der Verbraucherzentralen untersuchten Lebensmitteln wurde auf eine mögliche allergische Reaktion bei bestehender Schalen- und Krustentierallergie hingewiesen. Dagegen fand sich lediglich bei 72 Prozent der Produkte ein entsprechender Hinweis für Hausstaub­milbenallergiker und nur bei gut der Hälfte ein Hinweis für Weichtier­allergiker.

Bei einigen Insektensnacks waren Gluten und Soja als Allergene gekennzeichnet. Das ist vermutlich auf die Fütterung der Insekten zurück­zuführen, da der Darm üblicherweise mitverzehrt wird. "Wer eine bestehende Allergie auf Schalen- und Krustentiere, Weichtiere oder Hausstaubmilben hat, sollte beim Verzehr von Speiseinsekten vorsichtig sein", rät Holzäpfel. Ein verpflichtender Allergenhinweis ist daher dringend nötig, so die Forderung der Verbraucherzentralen.

Insektensnack: Nicht immer reich an Proteinen

Viele Insektenprodukte werden als "reich an Protein" beworben, obwohl der gesetzlich vorgeschriebene Mindestgehalt an Eiweiß nicht enthalten ist. Grund dafür: Oft ist der Insektenanteil sehr gering und der Proteingehalt damit nicht der Rede wert.

Nachhaltigkeit: Nicht automatisch klimafreundlich

Zwar gelten Insekten als nachhaltige Alternative zu Fleisch, doch das trifft nicht pauschal zu. Die Umweltbilanz hängt stark von der Produktionsweise ab:

  • Futterquelle: Ideal ist pflanzliche Fütterung – etwa mit Reststoffen oder Bioabfällen. Der Einsatz von Soja- oder Fischmehl konterkariert die Nachhaltigkeit.

  • Zuchtbedingungen: Kurze Transportwege und regionale Produktion reduzieren CO₂-Emissionen. Importierte Insektenprodukte aus Asien oder Südamerika haben dagegen oft eine schlechte Klimabilanz.

  • Energieverbrauch: Effiziente Zuchtanlagen mit Nutzung von Abwärme oder Ökostrom sind entscheidend für eine gute Gesamtbilanz.

Fazit: Insekten haben das Potenzial, deutlich nachhaltiger als Fleisch zu sein – aber nur, wenn sie ressourcenschonend und regional produziert werden.

Welche Alternativen gibt es noch?

Auch andere Lebensmittel versprechen eine umweltfreundliche Alternative zu tierischem Protein. Dazu gehören:

  • Hülsenfrüchte: Linsen, Bohnen und Kichererbsen sind preiswert, nahrhaft und gut verfügbar.

  • Mykoprotein: Eiweiß aus Pilzkulturen – etwa in Form von Produkten wie "Quorn".

  • Zellkultiviertes Fleisch: Im Labor gezüchtetes Fleisch steckt zwar noch in den Kinderschuhen, könnte aber in Zukunft eine echte Option sein.

  • Fermentiertes Protein: Proteinquellen auf Basis von Mikroorganismen oder Algen sind besonders ressourcenschonend und reich an Nährstoffen.

Ein Vergleich zeigt: Insekten sind nicht die einzige Alternative, aber ein vielversprechender Bestandteil einer nachhaltigeren Ernährung.

Insekten ausprobieren – so klappt’s zu Hause

Wer sich dem Thema nähern möchte, muss nicht gleich Heuschrecken grillen. Für Einsteiger bieten sich Produkte an, bei denen Insekten nur verarbeitet und geschmacklich neutral integriert sind.

Tipps für den Einstieg:

  • Wo kaufen? Insektenprodukte gibt es mittlerweile in gut sortierten Supermärkten, Bioläden oder online (z. B. bei Snack-Insects, Essento oder Bugfoundation).

  • Was probieren? Müsliriegel, Nudeln mit Insektenmehl oder Chips mit Buffalowurm-Anteil sind oft ein guter Einstieg.

  • Wie zubereiten? Ganze Insekten (z. B. Mehlwürmer oder Grillen) lassen sich rösten, mit Gewürzen verfeinern oder in Salate und Bowls mischen.

Wer mutiger ist, kann eigene Rezepte ausprobieren – etwa Insekten-Burger oder Pasta mit gerösteten Heimchen. Geschmacklich ähneln viele Arten übrigens gerösteten Nüssen oder Chips – überraschend mild und knusprig.

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