Alte Apfelsorten, alte Tomatensorten: Rückkehr des guten Geschmacks

Autor: Redaktion | Kategorie: Essen und Trinken | 13.06.2020

Alte Apfelsorten: Geschmacklich besser als jeder Apfel aus dem Supermarkt.
Foto: imago images / Arnulf Hettrich

In Supermärkten gibt es nur wenige Apfelsorten und noch weniger verschiedene Tomaten- und Kartoffelsorten. Dabei hat die Natur viel mehr zu bieten. Engagierte Landwirte und Hobbygärtner bauen in Vergessenheit geratene Gemüse und Früchte wieder an, zum Beispiel alte Tomatensorten und alte Apfelsorten – für den Erhalt der Sorte, aber vor allem wegen ihres hervorragenden Geschmacks.

Eckart Brandt ist ein Landwirt, wie er im Buche steht: Vollbart, kräftig gebaut, verschmitztes Lächeln und immer mit einer Latzhose bekleidet. Was er macht, steht hingegen in keinem Lehrbuch – oder nur in denen, die er selbst geschrieben hat. Brandt ist Apfelbauer und züchtet im Alten Land in der Nähe von Hamburg alte Apfelsorten.

Alte Apfelsorten: Vom Handel aussortiert

Viele alte Apfelsorten kann man bei Eckart Brandt kaufen. Entweder als frische Frucht oder als jungen Baum. Es gibt Apfelsorten mit so nett klingenden Namen wie Wohnster Prinz, Holsteiner Zitronenapfel oder Altländer Pfannkuchen. Geheimrat Dr. Tiel, Gute Graue und Graf Moltke sind dagegen einige der Birnensorten, die im vergangenen Jahr auf Brandts Obstliste standen.

Warum diese Leidenschaft für alte Sorten? Viele seien unempfindlicher als das, was im Supermarkt über die Scannerkasse geht, nennt Brandt einen der Vorzüge. Außerdem wolle er die Artenvielfalt der Region erhalten. Sie sei ebenso ein Kulturgut wie Kirchen und Baudenkmäler.

Was sind eigentlich alte Sorten?

Alte Sorten, das sind Früchte und Gemüse, die vor vielen Jahren einmal kultiviert wurden, die zwischenzeitlich aber vom Markt verschwanden, da sie den Ansprüchen des Handels nicht entsprachen. Sie fielen durchs Raster, weil sie entweder zu groß oder zu klein waren, nicht "knackig" genug schmeckten oder nur vollreif geerntet werden konnten und sich deshalb für längere Transporte per Lkw nicht eigneten. Kurz: Alles, was nicht wie aus dem Bilderbuch aussah, verschwand.

Heute umfasst das Apfelangebot hierzulande im Wesentlichen drei Sorten, fand Stefanie Böge heraus. In ihrer vor einigen Jahren veröffentlichten Doktorarbeit "Der Weg zum Standardapfel und Möglichkeiten der Wiedergewinnung von Vielfalt" nennt sie die Früchte, die vor allem in deutschen Supermärkten zu finden sind: Es sind Golden Delicious (in manchen Regionen auch Gelber Köstlicher genannt), Cox Orange und Boskop. Diese drei Sorten sind gut transportfähig, lange lagerbar und von weitgehend einheitlicher Größe.

Die frühere Vielfalt blieb beim Aussortieren ungeeigneter Früchte, im Fachjargon auch "Entrümpelung" genannt, auf der Strecke. Immerhin zählte der Pomologe Friedrich Jacob Dochnahl, der von 1820 bis 1904 lebte, zu seiner Zeit noch 1.263 Apfel-, 1.040 Birnen- und 12 Quittensorten. Engagierten Landwirten wie dem Apfelbauern Eckart Brandt ist es zu verdanken, dass auch die nächste Generation wieder erfährt, dass es wohlschmeckendere Apfelsorten gibt als Golden Delicious oder Granny Smith.

Alte Kartoffelsorten: Die Faszination der Kartoffelknolle

Ungewöhnliche Form, aber richtig lecker: die alte Kartoffelsorte "Bamberger Hörnchen".
Ungewöhnliche Form, aber richtig lecker: die alte Kartoffelsorte "Bamberger Hörnchen". (Foto: imago images / Gerhard Leber)

Karsten Ellenberg dagegen hat sich der Kartoffel verschrieben. Bei ihm wachsen rund 100 verschiedene Kartoffelsorten auf dem Acker. Ihn faszinieren der Sortenreichtum, die verschiedenen Formen und Farben und natürlich die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Sie reichen von würzig über cremig bis hin zu buttrig. Bei den neuen Sorten, die es in jedem Supermarkt zu kaufen gibt, finde man dieses Geschmackspotpourri kaum noch.

In Ellenbergs Kartoffelshop kann man die alten Sorten (online) kaufen und zu Hause in Ruhe probieren. Da gibt es Knollen mit rosa Schale und rosa Fleisch, tief lilafarbene Kartoffeln und solche, die von außen wie eine Kuh gefleckt sind. Mit rund vier Euro das Kilo sind sie nicht ganz billig. Aber sie zu kosten, lohnt sich. Die Blaue Anneliese ist ebenso wie die Rote Emmalie optisch wie kulinarisch einfach ein Highlight. Die eine leuchtet lila auf dem Teller, die andere pink. Das sollen wirklich Kartoffeln sein? Der Geschmackstest bringt dann das Aha-Erlebnis: Es sind wirklich Erdäpfel, wenn auch ganz besondere. Nur mit einer Prise Salz und ein wenig Butter schmecken sie am besten. Sie munden leicht würzig und zerfallen beim Essen im Mund. Viele Genießer denken ähnlich: Auf Speisekarten guter Restaurants haben sich Bamberger Hörnchen und natürlich Linda, für deren Erhalt sich Ellenberg jahrelang eingesetzt hat, längst etabliert.

Ist das Bemühen von Eckart Brandt und Karsten Ellenberg von Erfolg gekrönt oder vergeblich? Die Welternährungsorganisation FAO schätzt, dass in den vergangenen 100 Jahren rund 75 Prozent der landwirtschaftlichen Vielfalt unwiederbringlich verloren gegangen ist. Betroffen sind nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Getreidesorten.

Alte Tomatensorten: Paradeiser mit Profil

Erich Stekovics möchte dem Schrumpfen der Tomatenvielfalt etwas entgegensetzen. Er züchtet Tomaten oder Paradeiser, wie die roten Früchte in Österreich heißen. Aber was heißt hier Rot: Die rund 3.000 Sorten, die er kultiviert, deren Pflänzchen man bei ihm kaufen kann oder deren Samen er hütet wie einen Schatz, sind nicht nur rot. Sie leuchten auch gelb, schwarz, braun, violett oder grün, sie sind gestreift, gescheckt oder gepunktet. Sie tragen so schöne Namen wie Weißer Pfirsich, Reisetomate und Wladiwostok. Und sehen auch nicht alle wie normale Tomaten aus, sondern eher wie kleine Birnen, Paprikaschoten, Knoblauchzehen oder Herzen. Sie sind klein wie Kirschen oder auch fast so groß wie eine Ananas. Und sie schmecken je nach Sorte süß und fruchtig-frisch, ein bisschen nach Kiwi oder auch mal nach Nuss.

Kaum als Tomate zu erkennen: Reisetomaten gehören zu den alten Tomatensorten.
Kaum als Tomate zu erkennen: Reisetomaten gehören zu den alten Tomatensorten. (Foto: BAO-Images Bildagentur / Shutterstock)

Schon sein Vater habe Gemüse kultiviert und eine Vielzahl von Grünzeug angebaut, erzählt Stekovics, der einmal Theologie studiert hat, sich dann aber doch lieber dem Gemüseanbau zuwandte. Weil ihm der Duft von Paprika in der Nase hing und er das Aroma seiner Kindheit wiederfinden wollte, fing Erich Stekovics an, alte Obst- und Gemüsesorten anzubauen. Heute gilt sein Interesse vor allem den Tomaten: Mit mehr als 300 Sonnentagen im Jahr ist Frauenkirchen am österreichischen Neusiedlersee, wo Stekovics lebt, ein ideales Tomatenanbaugebiet.

Jetzt lesen: 20 Tomatensäfte im Test – oft fehlt das Aroma

Liste alter Sorten: Arche des Geschmacks

Damit alte Obst- und Gemüsesorten, Tierrassen und auch regionale Spezialitäten im Bewusstsein erhalten bleiben, hat die Organisation Slow Food e.V. die Arche des Geschmacks ins Leben gerufen. Analog zum biblischen Rettungsschiff finden in dieser Arche alle pflanzlichen und tierischen Vertreter ihren Platz, "die unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen am Markt nicht bestehen" können: vom Aussterben bedrohte Nutztierrassen und Pflanzenarten wie das Angler Rind, das Bunte Bentheimer Schwein und das Rhönschaf oder eben Teltower Rübchen, Maiwirsing oder Filder Spitzkraut.

Aber auch einst regional sehr verbreitete Lebensmittel wie die Burger Brezel, der Nieheimer Sauermilchkäse oder der deftige Ostheimer Leberkäs zählen zu den immer zahlreicher werdenden Passagieren der Arche. Bedingung für die Aufnahme ist, dass die geschmackliche Qualität erstklassig ist, das Produkt eine lange Geschichte und einen für die jeweilige Region identitätsstiftenden Charakter hat und es nur noch vereinzelt hergestellt wird.

Heute zählt die Arche allein in Deutschland über 70 Passagiere, und es gibt etliche Anwärter, die noch an Bord wollen. Weil sie ein kulinarischer Gewinn sind, entstanden aus den anfänglichen Aktivitäten des Sammelns und Dokumentierens regionale Projekte, die dazu geführt haben, dass es die Archepassagiere wieder mancherorts zu kaufen gibt.

Übersicht: Alte Apfelsorten mit viel Geschmack

  • Berliner Schafsnase: Der saftige, festfleischige Apfel lässt sich roh essen und ist in der Küche vielseitig verwendbar. Er ist zwar Mitte Oktober reif, hat aber seinen besten Geschmack von Dezember bis März. Synonym wird für den in Norddeutschland verbreiteten Apfel auch die Bezeichnung Berliner Schlotterapfel verwendet.
  • Drüwken: Er ist klein, süß-säuerlich und stellt nur geringe Ansprüche an den Boden. Der Drüwken eignet sich als Tafelapfel, in der Küche und zum Entsaften. Der Apfel, der auch Kleiner Herrenapfel oder Traubenapfel heißt, ist im September reif. Genossen wird er am besten zwischen Oktober und Dezember.
  • Doppelmelone: Dieser Apfel ist sehr groß, rot gestreift und duftet intensiv nach Frucht. Er ist im September reif und kann sofort gegessen werden.
  • Geheimrat von Oldenburg: Die rötlich-gelbe Frucht ist sehr reich an Vitamin C. Gepflückt wird sie im Oktober, genossen werden kann sie dann sofort bis in den Dezember hinein.

Übersicht: Alte Kartoffelsorten mit viel Geschmack

    Alte Kartoffelsorten wie die Rote Emmalie schmecken intensiv und leuchten ungewohnt farbig.
    Alte Kartoffelsorten wie die Rote Emmalie schmecken intensiv und leuchten ungewohnt farbig. (Foto: Jana Lösch / Shutterstock)
    • Vitelotte noire: Schale und Fleisch sind tiefviolett und dabei leicht weiß marmoriert. Vitelotte noire ist festkochend, dabei aber ein wenig sämig. Das Aroma ist zart, weshalb sie auch als Trüffelkartoffel bezeichnet wird. Die dünne Schale lässt sich gut mitessen. Grandios ist die blaue Kartoffel für bunte Kartoffelsalate und als Pellkartoffel mit Sauce vinaigrette. Die blaue Farbe kommt vom sekundären Pflanzenstoff Anthocyan, der offenbar das Krebsrisiko mindert und die Sehkraft stärkt.
    • Bamberger Hörnchen: Sie ist wohl die bekannteste alte Sorte und inzwischen auf vielen Höfen zu finden. Die Knolle ist dünn und lang und dabei ein wenig gebogen. Die Schale ist gelbrosa, das Fleisch gelb. Die festkochende Kartoffel hat ein frisches, würziges Aroma.
    • La Ratte: Die Form erinnert wirklich ein wenig an eine Ratte: Sie ist dünn, länglich und mittelgroß. Die festkochende Sorte mit brauner Schale und hellgelbem Fleisch, die vor allem in Frankreich angebaut wird, hat einen würzigen Geschmack und Biss. Sie eignet sich gut als Beilage zu Spargel.

    Übersicht: Alte Tomatensorten mit viel Geschmack

    • Grünes Zebra: Die grünen Streifen geben ihr den Namen. Bei Reife schlägt der Farbton in Gelbgrün um. Das Fruchtfleisch schmeckt sehr würzig und ausgesprochen aromatisch tomatig.
    • Schwarze Russische Tomate: Die plattrunden Früchte fallen wegen ihrer ungewöhnlichen, braunschwarzen Färbung auf. Je mehr Sonne sie abbekommen haben, umso dunkler werden sie. Die Früchte sind sehr saftig und aromatisch. In reifem Zustand platzt die dünne Schale leicht.
    • Berner Rose: Eine der besten Feinschmeckersorten mit rosarotem Fleisch. Der Geschmack ist intensiv tomatig und ausgewogen fruchtig.
    • Ananastomate: Sie gehört zu den größten unter den Tomaten und bringt bis zu einem Kilo auf die Waage, unter günstigen Umständen auch mehr. Das Fleisch enthält sehr wenige Kerne. Am intensivsten schmeckt man ihr sehr fruchtiges Aroma roh.
    • Bührer Keel: Die Sorte wird auch Zahnradtomate genannt, weil eine aufgeschnittene Scheibe im Aussehen einem Zahnrad ähnelt. Die Früchte sind mittelgroß bis sehr dick und stark gerippt, festfleischig und wenig saftig, also eine ideale Kochtomate.
    • Gelbe Birnenförmige: Leuchtend gelbe Früchtchen in Form kleiner Birnen. Die Dünnschaligkeit macht sie besonders fein als Naschtomate, aber ungeeignet für den Handel, da die Früchtchen leicht platzen. Die Tomate ist auch unter dem englischen Namen Yellow Pearshaped bekannt.

    Das rät ÖKO-TEST: Äpfel für Allergiker

    Viele Allergiker vertragen keine Äpfel. Doch manche Sorten machen keine oder weniger Probleme. Die BUND-Gruppe Lemgo hat Allergiker melden lassen, welche Sorten sie vertragen und welche nicht. Das Ergebnis: Gut bekömmlich waren oft die alten Sorten, zum Beispiel Weißer Klarapfel, Alkmene, Goldparmäne, Gravensteiner und Roter Boskop.

    Auch Wissenschaftler der Berliner Charité haben die Verträglichkeit von Äpfeln überprüft und weisen in ihrer kleinen Studie zwölf Sorten wie Alkmene, Berlepsch und Finkenwerder Herbstprinz als verträglicher für Allergiker aus. ÖKO-TEST hat die Studie der Berliner Charité für Sie zusammengefasst.

    Doch immer gilt: Probieren geht über Studieren, eine Garantie gibt es nicht. Die Sorten erhält man auf Wochen- und in Bio-Märkten oder beim Apfelbauern direkt.

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