Pränataldiagnostik: Trisomie-Test bringt Schwangeren keine Sicherheit

Ein Kommentar von Katja Tölle

Autor: Katja Tölle | Kategorie: Kinder und Familie | 12.04.2019

Pränataldiagnostik: Trisomie-Test bringt Schwangeren keine Sicherheit
Foto: pixaybay

Wenn der Trisomie-Bluttest zur Kassenleistung wird, könnten Frauen noch mehr unter Druck geraten, ihn auch zu nutzen, meint Redakteurin Katja Tölle. Denn bei all den Diskussionen um das Recht auf Wissen vergessen viele eins: Frauen haben auch ein Recht auf Nichtwissen.

Gestern debattierte der Bundestag emotional darüber, ob die gesetzlichen Krankenkassen Schwangeren einen neuen Bluttest bezahlen sollen. Über ihn können sie erfahren, ob sie ein Kind mit Downsyndrom erwarten. Die Politik verkennt dabei Grundsätzliches: Die Vielzahl an pränatalen Tests vermittelt Schwangeren keine Sicherheit, dass sie tatsächlich ein gesundes Kind zur Welt bringen. Und: Frauen haben auch ein Recht auf Nichtwissen.

Trisomie-Bluttest & Co.: Ziemlich viele Tests für Schwangere

Ich war guter Hoffnung. So sagt man doch. Na ja, vielmehr sagte man früher so. Vor den Harmony-­Bluttests und den Ersttrimesterscreenings und der Feindiagnostik. Als man nicht wusste, ob da ein Junge kommt oder ein Mädchen. Ob das Baby gesund ist oder eben nicht. Da waren Frauen guter Hoffnung. Nun ja, ihnen blieb ja auch nichts anderes übrig.

Die Schwangeren von heute haben eine Wahl. Vielmehr: ziemlich viele Wahlen. Zwei DIN-A4-Zettel voller Wahlen zum Ankreuzen, um genau zu sein. Die bekam ich beim ersten Frauenarzttermin nach dem Schwangerschaftstest in die Hand gedrückt. Möchte ich einen Bluttest, um das Geschlecht und sechs Chromosomenkrankheiten feststellen zu können? Eine Nackenfaltenmessung? Was ist mit der Feindiagnostik? Ein Toxoplasmose-Test, Fruchtwasseruntersuchung, großer Zuckertest? Mir schwirrte der Kopf.

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Pränatale Diagnose führt bei Risikoschwangeren oft zur Abtreibung

Dass ich das Kreuz erst ganz unten auf der zweiten DIN-A4-Seite gesetzt habe, kam bei der Ärztin nicht gut an. „Ich wünsche keine zusätzlichen Untersuchungen“, hatte ich angekreuzt. Und da, in der Praxis, da war es zum ersten Mal: das Wort Risiko vor dem Wort Schwangerschaft. „Sie sind risikoschwanger“, sagte die Gynäkologin.

Ich war 36, deswegen war bei mir niemand guter Hoffnung. Bei mir suchten wir nach Fehlern. „Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie kein Ersttrimesterscreening möchten, nicht einmal den Bluttest?“, fragte die Ärztin so lange, bis ich mir nicht mehr sicher war. Immerhin sei es ja schon besser zu wissen, was da auf mich zukomme. Dann könne ich mich besser vorbereiten. Das müsse ja gar nicht heißen, dass ich abtreibe. Nein, das muss es nicht heißen. Aber das heißt es für neun von zehn Frauen.

Pränataldiagnostik bringt der Welt keine Sicherheit

Und wäre ich mir sicher gewesen, dass ich die eine von zehn bin? Wenn nach den Tests am Ende da eine Diagnose gestanden hätte, die ziemlich sicher ist, aber eben nur ziemlich? Wenn Ärzte mir gesagt hätten, dass mein Kind wahrscheinlich nicht lebensfähig ist? Oder vielleicht nur wenige Jahre leben wird? Und das Leben für das Kind möglicherweise eine Qual ist? Nein, das war ich nicht. Aber ich war mir sicher, dass ich nicht vor dieser Wahl stehen will. Ich wollte nicht entscheiden, ob ein krankes Kind ein Recht zu leben hat. Ich wollte Nichtwissen.

Wir haben uns für ein Kind entschieden – mit all der Unsicherheit, die das mit sich bringt. In der Schwangerschaft, bei der Geburt und jeden einzelnen Tag danach. Denn welche Sicherheit sollen diese Untersuchungen bringen? Vielleicht hat das Baby keine Trisomie, aber eine andere Krankheit, die niemand vorher erkennen kann. Vielleicht geht bei der Geburt etwas schief. Oder danach, wenn das Kind schwimmen lernt. Oder klettern. Oder das erste Mal mit dem Auto in die Disco fährt.

Alle pränatalen Tests der Welt können eines mit Sicherheit nicht bringen: Sicherheit. Da wollte ich lieber guter Hoffnung bleiben.

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