Delta-Variante in der Schule: Warum Kinder geschützt werden müssen

Virologin Jana Schroeder im Interview

Autor: Meike Rix | Kategorie: Kinder und Familie | 13.07.2021

Virologin Jana Schroeder im Interview: So können Schulen im Herbst offen bleiben.
Foto: mother_ana/Shutterstock

Nach den Sommerferien kommen zumindest an den Grundschulen nur ungeimpfte Kinder zusammen. Ohne Schutzmaßnahmen würden sich alle mit dem Corona-Virus anstecken. Die Virologin und Ärztin Jana Schroeder erklärt im Interview, warum das für die Kinder gefährlich wäre und was jetzt passieren muss, damit die Schulen offen bleiben.

Jana Schroeder ist Virologin und Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie am Mathias-Spital Rheine. Ein Interview über mögliche Folgen für Kinder nach einer Ansteckung mit Corona und wichtige Maßnahmen für Schulen: 

ÖKO-TEST: Ist es überhaupt noch sinnvoll, weiter und weiter zu versuchen, die Kinder in der Schule vor einer Ansteckung mit Corona zu schützen?

Jana Schroeder: Ich glaube schon, dass auch die Kinder die Chance haben sollten, noch uninfiziert bis zur Impfung zu kommen. Denn es gibt eben nur die zwei Möglichkeiten: Impfung oder Infektion. Die Infektion durch die Kinder durchrauschen zu lassen, was ohne Schutzmaßnahmen eindeutig passieren würde, halte ich für problematisch.

Es ist ja tatsächlich schon möglich, sein gesundes Kind ab zwölf impfen zu lassen. Die STIKO empfiehlt die grundsätzliche Impfung aller Kinder derzeit nicht, weil sie sagt, ihr reichen dafür die Daten nicht aus, sie rät aber auch nicht davon ab.

Welche Befürchtungen haben Sie denn für Kinder ohne Vorerkrankungen?

Die eigentliche Erkrankung ist bei Kindern tatsächlich meistens sehr mild und häufig ohne Symptome. Aber die Folgeerkrankungen sind auch für Kinder relevant. Eine Impfung mit solchen Nebenwirkungen wie dieses Virus sie für Kinder hat, würde niemals zugelassen.

Das eine Thema ist das sogenannte PIMS-Syndrom, eine ausgeprägte Immunreaktion, die einige Wochen nach einer von 1.000 bis einer von 5.000 Infektionen auftritt. 70 Prozent der Kinder mit PIMS kommen auf die Intensivstation.

Das zweite Thema, Long Covid, ist eine große, wenig erforschte Unbekannte. Es ist noch nicht klar, wie viele Kinder es betrifft, aber es ist klar, dass es auch Kinder betrifft. Das höchste, was ich jemals gelesen habe, sind 40 Prozent, das halte ich für unrealistisch, das niedrigste zwei Prozent. Die Daten aus England deuten auf ungefähr sieben Prozent hin.

(Foto: ÖKO-TEST)

Was bedeutet Long Covid bei Kindern?

Die Kinder beschreiben Gehirnnebel, sie können nicht nachdenken, haben Temperaturregulationsstörungen, Herzstolpern, ganz wechselhafte Symptome. Man weiß noch nicht einmal, wie lange eine Erkrankung damit andauert. Wenn man etwa zulässt, dass sich jedes Kind unter zwölf mit Corona ansteckt, dann würde sich bei sieben betroffenen Kindern von 100 gesamtgesellschaftlich gesehen eine sehr große Zahl ergeben.

In den Grundschulen kommen nur ungeimpfte Kinder zusammen. Welche Maßnahmen wären jetzt am wichtigsten, um die Schulen offen zu halten?

Das erste ist, die Inzidenz in der Bevölkerung insgesamt niedrig zu halten. Wir brauchen eine Maskenpflicht in Innenräumen nach der Rückkehr aus dem Urlaub. Außerdem technische Maßnahmen wie Luftfilter in den Klassenräumen.

Die Testpflicht sollte beibehalten werden, und zwar in Form von einer Pool-PCR, das sind die sogenannten Lolli-Tests, zwei bis dreimal die Woche. Die Schnelltests übersehen einfach zu viele Infektionen, und bei der Delta-Variante ist es wirklich relevant, dass man alle erwischt.

Und wenn die Inzidenz bei den Schulkindern stark hoch geht wie in England?

Dann sollten die Schulen mit kleineren Gruppengrößen reagieren können, etwa indem sie studentische Hilfskräfte beschäftigen, Unterricht nach draußen verlagern, weitere Räume zur Verfügung haben. Es muss auch dringend vorbereitet werden, dass bei Ausbrüchen an einer Schule ein übergangsloser, unkomplizierter Wechsel in Distanzunterricht möglich ist, sodass nicht so viel ausfällt.

Konzepte müssen jetzt beschlossen werden, damit es nicht wieder so ist wie im letzten Jahr, dass der Sommer verschlafen wird und dann plötzlich die Schulen wieder zu sind.

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