Im Mai den Rasen nicht mähen: Es gibt gute Gründe, ihn wachsen zu lassen

Autor: Benita Wintermantel / dpa | Kategorie: Bauen und Wohnen | 21.05.2024

Den Insekten zuliebe: Im Mai den Rasen nicht mähen – was bringt der Trend?
Foto: Shutterstock / bymandesigns

Ein gepflegter Rasen ist zwar ein schöner Hingucker, für die Tierwelt aber ziemlich nutzlos. Die Aktion "No Mow May" will mit dem "Mähfreien Mai" etwas gegen das massive Insektensterben tun. Was hat es mit dem Trend auf sich und was bringt er?

Der "No Mow May" kommt ursprünglich aus Großbritannien. In dem Land, das eigentlich für seine gepflegte Rasenkultur bekannt ist, lassen schon seit einigen Jahren Gartenbesitzer den Rasenmäher einen ganzen Monat in der Garage stehen: Im Mai wird nicht gemäht.

Der Hintergrund: Ein akkurat gekürzter Rasen bietet Insekten kaum Futter oder Nistmöglichkeiten. Wer hingegen das Gras wachsen lässt und Wildkräutern die Chance gibt, sich zu vermehren, unterstützt viele Insektenarten.

Durch Nichtstun einen Beitrag für den Naturschutz leisten

Inzwischen ist die Aktion "Mähfreier Mai" aber auch in Deutschland angekommen. Die Gartenakademie Rheinland-Pfalz, die Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 und die Initiative "Tausende Gärten - Tausende Arten" rufen dazu auf, auch hierzulande den Rasen im Mai nach Lust und Laune wachsen zu lassen.

Was uns weniger Arbeit macht, freut die Insekten: "Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der Anteil an nektarreichen Blüten um ein Zehnfaches erhöht, wenn man den Rasenmäher häufiger stehen lässt", erklärt Bettina de la Chevallerie, Geschäftsführerin der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft.

Nicht mähen bedeutet Futter für viele Tiere

Wird der Rasen nicht gemäht, machen sich im Rasen viele Pflanzen breit, die für Insekten einen hohen ökologischen Wert haben. Wer im Mai den Rasenmäher im Schuppen stehenlässt, kann sich noch im selben Monat an Farbtupfern im Grün erfreuen. Blühende Blumen locken neben Hummeln und Schmetterlingen auch besondere Arten an, etwa die Mai-Langhornbiene (Eucera nigrescens) - sie ist beispielsweise spezialisiert auf Wicken. Oder den Perlmuttfalter (Speyeria aglaja) - er futtert den Nektar der Flockenblume. "Verschiedene Sandbienenarten nutzen vor allem Wiesen-Margeriten, um Pollen für ihren Nachwuchs zu sammeln. Und für Laufkäfer sind hohe Grashalme eine gute Sache: Sie suchen zwischen ihnen nach kleinen Spinnentieren. Heuschrecken vertilgen auf langen Halmen sitzend Raupen oder Larven. Die satten Käfer und Heuschrecken wiederum sind Nahrung für Vögel oder das Tier des Jahres, den Igel", erklärt Jenifer Calvi von der Deutsche Wildtier Stiftung.

Pflanzen wie Gänseblümchen, Klee und Löwenzahn sind oft als Unkraut verpönt. Zu Unrecht, denn hierbei handelt es sich eigentlich um Wildkräuter. Laut Margarita Hartlieb von der TU Darmstadt können auf einer natürlichen Blumenwiese von der Fläche eines Basketballfelds etwa 60.000 Insekten leben. 

Mahd tötet Insekten

Jede Mahd bedeutet den direkten Tod für Insektenlarven, Raupen, Grashüpfer. "Nach einem Mähvorgang sind zum Beispiel etwa 80 Prozent der Heuschrecken tot", so Margarita Hartlieb von der TU Darmstadt. Insekten werden zerschlagen oder verenden in den entsorgten Grashaufen. Mangelt es an Insekten, finden Singvögel weniger Nahrung – auch ihre Zahl schwindet nach Untersuchungen seit Jahrzehnten.

Auch wilde Ecken sind eine Hilfe

Wem ein gänzlich ungemähter Rasen zu sehr nach Unordnung aussieht, der muss natürlich nicht die gesamte Rasenfläche stehen lassen. Auch eine einzelne "wilde Ecke" oder eine Wildwuchs-Insel inmitten des gepflegten Rasens hilft Insekten. Andere Stellen im Garten sind dann zum Fußballspielen oder Grillen da.

Und während Bienen, Schmetterlinge & Co. sich an der neuen Pflanzenvielfalt erfreuen, können wir entspannt im Liegestuhl liegen, uns an dem Grün erfreuen und die Insekten beobachten. Denn wer nicht mäht, spart viel Zeit. 

Jede noch so kleine Blühfläche hilft

Wer sich jetzt fragt, ob die Aktion angesichts des immensen Insektensterbens nicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist: "Nein, das ist sie nicht", meint Bettina de la Chevallerie. "75 Prozent der Haushalte haben einen Garten, 7 Prozent einen Schrebergarten und weitere 7 Prozent der Haushalte sind in Gemeinschaftsgärten aktiv. Dazu kommen öffentliche Grünanlagen und Parks – also enorm viel Fläche, auf die wir mehr Einfluss nehmen können als auf die Landwirtschaft".

Jede noch so kleine Fläche, auf der hohes Gras wächst, ist für Insekten eine Hilfe. Und je mehr Menschen bei der Aktion mitmachen, umso größer der Gewinn für die Umwelt.

Die Organisation Plantlife hat in Großbritannien die Folgen des "No Mow May" untersucht und herausgefunden, dass sich der Nektar, der Insekten auf Rasenflächen zur Verfügung steht, durch die Aktion um ein Zehnfaches erhöht.

Wie oft sollte man Wiesen mähen?

  • Blumenkräuterrasen: 4 bis 6 Mal im Jahr
  • Blumenwiese: 2 Mal im Jahr

Tipp: Lassen Sie die Mahd nach den Wiesen liegen, können die Samen aus den Samenständen herausfallen und keimen.

Wenn sich Wildkräuter und Wiesenblumen nicht von allein breit machen, können Sie selbstverständlich nachhelfen: Hacken Sie den Rasen auf und säen Sie Wiesenblumen Ihrer Wahl aus. Kaufen Sie aber keine billigen Samenmischungen, diese enthalten oft keine expliziten Wiesenblumen, sondern einjährige Ackerwildblumen, die zwar im ersten Sommer wunderschön aussehen, im zweiten Jahr aber nicht mehr blühen. Auch eine schöne Idee: Samenbomben selber machen und in den Garten werfen.

Wenn Sie Ihre Wiese düngen möchten, sollten Sie nur organischen Dünger verwenden und auf Pflanzenschutzmittel verzichten.

Wie funktioniert insektenfreundliches Mähen?

Mähen ist nicht gleich Mähen.

  • Kürzen Sie den Rasen auf eine Höhe von circa fünf Zentimetern.
  • Wenn Sie Ihre Wiese von Innen nach Außen mähen, haben Insekten die Chance, in Hecken oder in den Nachbargarten zu fliehen, rät Bettina de Chevallerie.
  • Verzichten Sie auf einen Sichelmäher, der saugt Insekten ein. "Empfehlenswert sind Sichel, Sense, Freischneider oder Balkenmäher."
  • Lassen Sie den Grasschnitt nicht auf dem Rasen liegen, denn das düngt den Boden. Die gewünschten blühenden Wiesenblumen, die die Insekten am liebsten anfliegen, bevorzugen nährstoffarme Böden.

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