Als sich Mario Balotelli nach dem 2 zu 0 gegen Deutschland im Halbfinale der Europameisterschaft 2012 das Trikot vom Leib riss, müssen die Marketingabteilungen der Hersteller von elastischen Klebebändern gejubelt haben: Drei parallel verlaufende, hellblaue Klebestreifen zierten das breite Kreuz des Fußballers der italienischen Nationalmannschaft und sprangen Millionen von Fernsehzuschauern unübersehbar ins Auge.
Entwickelt hat die bunten Pflaster in den 70er-Jahren der Japaner Kenzo Kase, von Haus aus Chiropraktiker und Akupunkteur. Sein Ziel: Ein Tape, das in Textur und Dicke der menschlichen Haut nahekommt. Es soll körpereigene Heilungsvorgänge begünstigen, dabei Muskeln und Gelenke stützen, ohne aber die körperliche Beweglichkeit einzuschränken.
Aufgebaut sind die kinesiologischen Tapes aus einem elastischen Baumwollgewebe mit einem wellenförmig aufgebrachten Acrylatkleber auf der Unterseite. Sie sind luft- und feuchtigkeitsdurchlässig, können auch beim Duschen getragen werden und bleiben je nach Anlage drei bis fünf Tage auf der Haut, bevor sie gegebenenfalls erneuert werden. Die Tapes sind längselastisch, das heißt, sie können in Längsrichtung gedehnt werden, häufig auf das 1,3- bis 1,4-Fache ihrer ursprünglichen Länge.
Ziel der Anwendung: Aufgeklebt sollen sie die oberste Hautschicht ein wenig anheben, sodass Blut und Lymphe besser fließen können. So wird einerseits das verletzte Gewebe besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt, andererseits der Abtransport von Stoffwechselprodukten, die während der Heilung entstehen, erleichtert. Gleichzeitig wird die Reizung von Schmerzrezeptoren in der Haut gemindert, sodass der Schmerz nachlässt.
Das Anlegen der Tapes ist allerdings eine Wissenschaft für sich. Mal werden die Klebestreifen zunächst von Hand gedehnt und dann auf den entspannten Muskel geklebt. Es geht aber auch umgekehrt: Man nimmt das Tape, wie es ist, und klebt es auf den gedehnten Muskel. Mal werden mehrere Streifen parallel geklebt, mal y-förmig, mal fächerförmig. Der Fachmann unterscheidet unter anderem Muskel-, Bänder-, Korrektur-, Bindegewebs-, Neural- und Lymphtechniken. Denn die beanspruchten Anwendungsgebiete sind breit gestreut: Sie reichen von der Behandlung von Gelenkarthrose, Rücken- und Nackenbeschwerden über Schlaganfall, Migräne, Kopfschmerzen und Tinnitus bis hin zu Schwangerschaft und Regelbeschwerden.
"Richtig angebracht wirken die elastischen Tapes durchblutungsfördernd und schmerzlindernd, da sie eine stimulierende Wirkung auf Muskeln, Gelenke, Lymph- und Nervensysteme haben", erklärt Ute Repschläger, Vorsitzende im Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK). In der Physiotherapie komme Taping aber selten allein zum Einsatz, betont Repschläger. Mit gezielter Krankengymnastik kombiniert, könne Taping jedoch den Therapieerfolg optimieren.
Handelt es sich bei den bunten Klebestreifen in erster Linie um eine Modeerscheinung o...