21 Herpesmittel im Test

Virenscanner?

Jahrbuch für 2016 | | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 09.10.2015

21 Herpesmittel im Test

Abhilfe gegen Lippenherpes sollen eine Reihe von rezeptfreien Cremes, Gelen und Pflastern schaffen. Doch deren Effekte sind bestenfalls dürftig.

Einmal Herpes, immer Herpes. Auch wenn die schmerzhaften Lippenbläschen oftmals jahrelang nicht zum Vorschein treten: Die auslösenden Viren stecken im Körper und werden bei passender - und häufiger leider auch unpassender - Gelegenheit aktiv. Das Virus dringt meist schon im Kindesalter über kleine Hautverletzungen oder die Schleimhaut in den Körper ein. Schätzungsweise 90 Prozent aller Erwachsenen sind infiziert, wobei viele nie etwas von einer Infektion merken. Es sei denn, es wird stressig: Ungewohnt hohe UV-Strahlung an der See oder im Gebirge, extreme Hitze oder Kälte, hormonelle Veränderungen, Fieber, Erschöpfung und mentaler Stress können die körpereigene Abwehr so sehr schwächen, dass der Herpes wieder blüht.

Die Behandlung ist schwierig. Die derzeit bekannten antiviralen Arzneimittel vermögen zwar die Vermehrung der Viren zu hemmen, schaffen es jedoch nicht, sie vollständig auszumerzen. Eingesetzt werden häufig Substanzen, die den Bausteinen der Erbsubstanz DNA ähneln, etwa der Wirkstoff Aciclovir. In Tablettenform werden diese Wirkstoffe eingesetzt, um Genitalherpes und schwere Formen von Lippenherpes zu behandeln. Auch die intravenöse Gabe ist möglich.

Bei leichten Formen von Lippenherpes steht hingegen eine lokale Therapie mit antiviralen Cremes im Vordergrund. Als Alternativen dazu werden Zinkpräparate und Melisseextrakte angeboten, neuerdings auch Gele mit Kieselsäuregel sowie Herpespatches, also kleine Pflaster, die die Bläschen abdecken.

Im ÖKO-TEST: 21 rezeptfreie Herpesmittel zur äußerlichen Anwendung, darunter 15 Cremes, vier Gele und zwei Herpespflaster. Wir haben Studien zur Wirksamkeit begutachten lassen und per Deklaration und Analyse nach umstrittenen und bedenklichen Inhaltsstoffen gesucht.

Das Testergebnis

Mehr als ein "ausreichend" ist für kein Präparat drin. Die Effekte sind gering, die Zeit, in der die Bläschen oder Krusten bestehen, wird nur geringfügig verkürzt. Etliche Produkte schneiden aufgrund nicht ausreichend durch Studien belegter Wirksamkeit sowie von Deklarationsmängeln nur mit "mangelhaft" oder "ungenügend" ab.

Um überhaupt einen Effekt zu erzielen, müssen Cremes mit dem Wirkstoff Aciclovir bereits bei den ersten Anzeichen der Herpeserkrankung (Jucken, Brennen, Spannungsgefühl) aufgetragen werden - denn in dieser Phase vermehren sich die Viren - und dann alle vier Stunden bis zu fünfmal täglich. Gleiches gilt für Penciclovir (Pencivir), das sogar alle zwei Stunden anzuwenden ist. Zwar vermögen die Cremes die Symptome etwas zu lindern, den Krankheitsverlauf an sich verkürzen sie aber nur minimal um allenfalls einen halben Tag. Als Anwendungsgebiet wird im Beipackzettel dieser Präparate angegeben "zur lindernden Behandlung von Schmerzen und Juckreiz bei häufig wiederkehrenden Herpesinfektionen mit Bläschenbildung im Lippenbereich". Allerdings sollte man sich keine Hoffnungen machen, dass die Bläschen durch das Eincremen wenig...

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

So haben wir getestet

Der Einkauf

Lange Zeit gab es Mittel zur Behandlung eines Lippenherpes nur in der Apotheke zu kaufen. Inzwischen bieten aber auch Drogerien spezielle Pflaster und Gele für diesen Zweck an. Wir haben 17 Arzneimittel und vier Medizinprodukte eingekauft.

Die Wirkstoffe

Unser wissenschaftlicher Berater, Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, Pharmazeutischer Chemiker an der Goethe-Universität Frankfurt, hat in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur nach Nutzenbelegen für die verschiedenen Wirkstoffe gesucht. Außerdem lassen wir hier einfließen, ob der Beipackzettel wichtige Hinweise für den Anwender enthält: frühzeitig mit der Behandlung beginnen, Produkt mit Wattestäbchen auftragen, bei Fortbestehen der Symptome einen Arzt aufsuchen.

Die Hilfsstoffe

Alle Cremes und Gele wurden auf mögliche Verunreinigungen durch halogenorganische Verbindungen untersucht. Sind in der Gebrauchsinformation Paraffine und verwandte Stoffe deklariert, wurde deren Gehalt analytisch ermittelt. Die Herpespflaster wurden einem Materialscreening, das unter anderem Weichmacher erfasste, unterzogen.

Die Bewertung

Nach den uns vorliegenden Studien verkürzen Wirkstoffe wie Aciclovir, Penciclovir oder Docosanol gegenüber einer Scheinbehandlung die Zeit mit Herpesbläschen und -krusten allenfalls um einen halben Tag. Da sie auch nicht vor einem erneuten Aufblühen eines Herpes schützen, stufen wir ihre Wirksamkeit als nur "wenig überzeugend" ein. Damit schneiden sie nur um eine Note besser ab als Produkte mit nicht ausreichend belegter Wirksamkeit.

Die in etlichen Produkten als Emulgatoren enthaltenen PEG/PEG-Derivate finden in diesem Test - anders als in Kosmetika - keine Erwähnung, da ihre von ÖKO-TEST kritisierte Eigenschaft, Fremdstoffe durch die Haut schleusen zu können, hier hilfreich sein kann, um die Wirkstoffe ins Innere der Herpesbläschen zu transportieren.

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