19 Kesselchips im Test

Heimat in Tüten

Jahrbuch für 2017 | | Kategorie: Essen und Trinken | 20.10.2016

19 Kesselchips im Test

Tradition und Authentizität: Schlagworte eines neuen deutschen Genusstrends. Auch die Hersteller von Kesselchips versprechen ehrliches Handwerk. Sind sie also wirklich der bessere Snack? Immerhin: Zwei von 19 Produkten können wir halbwegs guten Gewissens empfehlen.

Tradition, Ehrlichkeit, Handwerk: In einer immer stärker globalisierten Welt sind das die Sehnsuchtswerte, auf denen auch der Erfolg uriger Craft-Beer-Brauereien, kleiner Kaffeeröstereien und charmanter Cupcake-Cafés gründet.

Das Prinzip gilt auch für die Kesselchips: Sozusagen als unumstößlichen Beweis ihrer Unverfälschtheit dürfen die Kartoffelscheiben sogar ihre Schale behalten. Handfest und rustikal wirken sie auch deshalb, weil sie bis zu dreimal dicker sind als die herkömmlichen Kartoffelchips, die in endlos langen Durchlauffritteusen mit bis zu 20.000 Litern Öl produziert werden. Die traditionelle Herstellung der Kesselchips läuft langsamer und schonender ab: In die Behälter, in denen sie frittiert werden, passen nur etwa 2.000 Liter Öl und rund 50 Kilo Kartoffelscheiben auf einmal. Eingebaute Rührfinger bewegen die Chips, ein Mitarbeiter hat ständig ein Auge darauf und rührt regelmäßig per Hand nach. Einen weiteren Unterschied machen die Temperaturen - während die auf Masse und Effizienz ausgelegten Durchlauffritteusen mit circa 180 Grad Celsius befeuert werden, hat das Sonnenblumenöl laut Herstellerangaben bei der Zubereitung im Kessel weit weniger als 150 Grad.

Wir wollten wissen, ob die Kesselchips tatsächlich besser sind als herkömmliche Chips. Wie stark sind sie mit Schadstoffen belastet? Setzen die Hersteller auf zusätzliche Aromastoffe? Und wie hoch sind der Salz- und der Fettgehalt wirklich? Wir haben 19 Sorten in die Labore geschickt.

Das Testergebnis

Das ist ein Novum im ÖKO-TEST: Zwei Sorten Kesselchips schneiden sogar mit "gut" ab. Totalausfälle gibt es insgesamt sieben: fünf Produkte haben so viele Mängel, dass sie ein "ungenügend" kassieren; zwei weitere Chipssorten sind "mangelhaft". Auch aufgrund von Salz und Fett lautet das Fazit: In Maßen spricht wenig gegen den Genuss der meisten Kesselchips im Test.

Einige der Chipshersteller legen 25 bis 30 Gramm als Portion für die Berechnung von Kalorien und Nährstoffaufnahme zugrunde. Das ist eine kleine Müslischale voll. Aber mal ehrlich - wer legt die Chipstüte schon nach zwei beherzten Griffen zur Seite? Eben. Wir halten die Hälfte der größten Tüte im Test für realistischer und haben deshalb 75 Gramm als Portion angenommen.

In allen Kesselchips hat das Labor Acrylamid nachgewiesen. Acrylamid ist eine toxische Substanz, die als unerwünschtes Nebenprodukt beim Backen, Braten, Rösten und Frittieren stärkehaltiger Lebensmittel entsteht. Es löst im Tierversuch Krebs aus und schädigt das Erbgut. Bereits kleine Mengen stellen ein Risiko dar.

Immerhin überschreitet kein Produkt den EU-Richtwert von 1.000 Mikrogramm pro Kilogramm. Dieser steht jedoch in der Kritik: Dänemark hat erst kürzlich einen niedrigeren Wert von 750 Mikrogramm für Kartoffelchips eingeführt. Den knacken zumindest die Kettle Chips Sweet Chilli & Sour Cream locker. Wir meinen: Um die Aufnahme zu begrenzen und weil viele Lebe...

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

So haben wir getestet

Der Einkauf

Kesselchips stammen ursprünglich aus den USA und Großbritannien. Seit sie ihren Weg nach Deutschland gefunden haben, finden sie immer mehr Fans: Discounter, Supermärkte und auch viele Bio-Märkte haben sie in ihr Sortiment aufgenommen. Dort haben wir sie auch gekauft - exotischere Sorten haben wir im Internet bestellt. Die Kesselchips im Test kosten zwischen 86 Cent und 3,18 Euro pro 100 Gramm. Angeboten werden die Tüten in allen möglichen Varianten zwischen 100 und 150 Gramm.

Die Inhaltsstoffe

Kartoffeln sind die Hauptzutat der Kesselchips. Als Naturprodukt sind sie anfällig für Umwelteinflüsse und Schädlinge, die die Landwirte auf dem Feld und bei der Lagerung bekämpfen wollen. Deshalb haben wir die Chips im Labor auf Pestizidrückstände testen lassen. Außerdem standen der Salz- und Fettgehalt, Acrylamid und das potenziell krebserregende 3-MCPD, das bei der Raffination von Fetten und Ölen entsteht, auf der Agenda.

Die Weiteren Mängel

Versprechen die Hersteller etwas, das sie nicht halten können? Werden unrealistische Portionsgrößen zur Berechnung von Kalorien und Nährstoffen herangezogen? Und wie stark unterscheiden sich die deklarierten Salz- und Fettmengen von denen, die das Labor gemessen hat? Das haben wir uns ganz genau angesehen.

Die Bewertung

Wenn das Labor problematische Substanzen in Lebensmitteln nachweist, legen wir unseren Berechnungen eine Portionsgröße zugrunde, um die tatsächliche Gesundheitsbelastung zu beurteilen. Die von vielen Herstellern angegebenen 25 bis 30 Gramm halten wir allerdings für unrealistisch wenig. Um zu berechnen, ob Acrylamid, 3-MCPD oder andere Substanzen unsere Abwertungsgrenzen überschreiten, haben wir deshalb eine Portion von 75 Gramm angenommen.

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