Basische Nahrungsergänzungsmittel im Test: Sind sie empfehlenswert?

Jahrbuch für 2016 | Autor: Jürgen Steinert | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 09.10.2015

Wir haben 32 basische Nahrungsergänzungsmittel getestet. Welche Präparate überzeugen?
Foto: YAKOBCHUK VIACHESLAV/Shutterstock

Stress, falsche Ernährung: Das lässt unseren Körper angeblich übersäuern. Um dem entgegenzuwirken, gibt es eine ganze Reihe von Basenpulvern. Doch dem gesunden Verbraucher nutzen sie nicht.

Aktualisiert am 09.10.2015 | Es gibt viele Gründe, sauer zu reagieren: Stress in der Beziehung, die verspätete Bahn, Ärger im Büro: Aber kann unser Körper durch Stress und falsche Ernährung auch übersäuern? Anscheinend ja, denn warum sonst gäbe es einen ganzen Industriezweig, der vom Verkauf basischer Produkte lebt, die überschüssige Säure neutralisieren sollen.

Wir haben 32 basische Nahrungsergänzungsmittel getestet. Wir haben sie im Hinblick auf einen möglichen Nutzen unter die Lupe genommen, im Labor auf Arsen, Blei und Cadmium untersuchen lassen und einen kritischen Blick auf die Deklaration geworfen.

Das Ergebnis: Einige wenige Produkte kommen gerade noch mit einem "mangelhaft" davon, der Rest ist "ungenügend". Fehlender Nutzen für den gesunden Verbraucher, überdosierte Inhaltsstoffe und eine lausige Deklaration führen zu diesem vernichtenden Urteil.

Basische Nahrungsergänzungsmittel versprechen den Körper zu entsäuern. Aber ist ihre Einnahme notwendig?
Basische Nahrungsergänzungsmittel versprechen den Körper zu entsäuern. Aber ist ihre Einnahme notwendig? (Foto: ronstik/Shutterstock)

Brauchen wir basische Nahrungsergänzungsmittel?

Viele Anbieter berufen sich bei der Frage nach dem Nutzen ihres Produktes auf zulässige gesundheitsbezogene Angaben. Allerdings komme ein verschlechterter Säure-Basen-Stoffwechsel durch eine unzureichende Zinkaufnahme in der Allgemeinbevölkerung der EU nicht vor, fügt die europäische Lebensmittelbehörde EFSA in ihrer wissenschaftlichen Stellungnahme dazu an.

Gesundheitsbezogene Angaben, denen zufolge Natrium-, Kalium-, Calcium- oder Magnesiumcitrate helfen, das Säure-Basen-Gleichgewicht zu erhalten und so die Knochengesundheit zu unterstützen, hat die EU-Kommission mangels ausreichender Nachweise für nicht zulässig erklärt, Gleiches gilt für Natrium- und Kaliumcarbonate und -hydrogencarbonate. Für uns heißt das: Der gesunde Verbraucher hat von der Einnahme der getesteten Basenpulver keinen Nutzen.

Mangels einer gesetzlichen Regelung für Höchstmengen von Vitaminen und Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln orientieren wir uns weiterhin an den Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).

Der Markt für basische Nahrungsergänzungsmittel ist groß. Doch ihre Wirksamkeit ist umstritten.
Der Markt für basische Nahrungsergänzungsmittel ist groß. Doch ihre Wirksamkeit ist umstritten. (Foto: MIA Studio/Shutterstock)

Arsen in basischem Nahrungsergänzungsmittel im Test 

Viele Basenpulver enthalten Hydrogencarbonate. Die eingesetzten Mengen lassen aber Folgen wie Völlegefühl, Aufstoßen und Blähungen erwarten, denn in der empfohlenen Tagesdosis entsprechen sie häufig denen von Arzneimitteln gegen Sodbrennen.

Völlig unnötig ist der Zusatz von Kieselerde. Sämtliche beanspruchten gesundheitsbezogenen Angaben wurden von der EFSA nicht zugelassen. Auch Beigaben wie Zeolith oder Korallenpulver lassen sich wissenschaftlich nicht begründen. In einigen Pulvern stecken verschiedene pflanzliche Zubereitungen, die auch mengenmäßig ausgelobt werden. Wir bemängeln hier eine fehlende nähere Beschreibung, ob von den Zubereitungen irgendwelche Effekte zu erwarten sind.

Ein Präparat im Test fiel zudem durch einen erhöhten Arsengehalt auf. 13 weitere Produkte liefern vergleichsweise viel Nickel, umgerechnet mehr als 20 Mikrogramm (µg) pro Tagesdosis. Für Trinkwasser gilt ein Höchstwert von 20 µg pro Liter.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Spezial Vitamine 2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2016 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Eingekauft wurden Nahrungsergänzungsmittel, deren Hersteller entweder einen Beitrag zum Säure-Basen-Haushalt ausloben oder deren Name nahelegt, dass sie als "Basen"-pulver- oder -kapseln Säuren neutralisieren sollen oder die von Internetapotheken entsprechend beworben wurden. Quellen waren Apotheken, Drogerien, Reformhäuser und der Versandhandel.

Der Nutzen: Was bringen Basenpulver? Dazu haben wir den Anbietern zwei Fragen gestellt: 1. Auf welche Untersuchungen, die allgemein den Nutzen einer basischen Nahrungsergänzung belegen, beziehen Sie sich? 2. Gibt es produktspezifische Studien, in denen die Wirkung Ihres Produktes auf den Säure-Basen-Haushalt untersucht worden ist? In beiden Fällen sollten uns die Anbieter diese Untersuchungen nennen. Parallel dazu haben wir selbst medizinische Datenbanken nach solchen Studien und aktuellen Forschungsergebnissen durchforstet.

Inhaltsstoffe und Deklaration: Anhand der Deklaration ließen wir prüfen, ob die angegebenen Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen im Einklang mit den Höchstmengenempfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung stehen und ob die gesundheitsbezogenen Angaben tatsächlich den Segen der EU-Kommission haben. Da es sich bei den Basenpulvern vor allem um Mischungen verschiedener Mineralstoffe handelt, haben wir sie im Labor auf mögliche bedenkliche Verunreinigungen wie Arsen, Cadmium, Nickel, Blei, Quecksilber und Thallium untersuchen lassen.

Die Bewertung: Da sich Nahrungsergänzungsmittel nicht an Kranke richten, steht für uns die Frage im Vordergrund, ob sie dem gesunden Verbraucher nutzen. Ist dies nicht der Fall, können die Produkte nicht besser als "befriedigend" abschneiden. Zu hoch dosierte maßgebliche Inhaltsstoffe und fragwürdige Auslobungen machen daraus aber schnell ein "mangelhaftes" oder gar "ungenügendes" Gesamturteil.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Maßgebliche Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) kein Nutzen für den gesunden Anwender; b) Angaben u./o. Hinweise, die sich auf die Gesundheit oder die Gesunderhaltung von Körperteilen oder -funktionen beziehen; c) Mangan; d) Eisen; e) Kupfer; f) bis zu 2 mg isoliertes Betacarotin pro höchste empfohlene Tagesdosis; g) mehr als 30 µg Selen pro höchste empfohlene Tagesdosis; h) ein fehlender oder nicht ausreichender Hinweis zur Nichtanwendung bei Kindern und Jugendlichen bei Zusatz von Zink. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) mehr als 2,25 mg Zink pro höchste empfohlene Tagesdosis, wenn nicht bereits der Zusatz von Zink bei fehlendem Hinweis zur Nichtanwendung bei Kindern und Jugendlichen abgewertet wurde; b) mehr als 60 µg Chrom pro höchste empfohlene Tagesdosis; c) mehr als 80 µg Molybdän pro höchste empfohlene Tagesdosis; d) mehr als 500 mg Calcium pro höchste empfohlene Tagesdosis; e) mehr als 250 mg Magnesium pro höchste empfohlene Tagesdosis; f) mehr als 500 mg Kalium pro höchste empfohlene Tagesdosis; g) mehr als 10 µg Vitamin D pro höchste empfohlene Tagesdosis; h) unzulässige oder zu allgemeine gesundheitsbezogene Angaben; i) mehr als 5 mmol (305 mg) Hydrogencarbonat in einer Tagesdosis; j) nicht näher definierte pflanzliche Bestandteile, die mengenmäßig ausgelobt sind; k) ein fehlender Warnhinweis bei magnesiumhaltigen Produkten, dass diese nicht für Kinder unter vier Jahren geeignet sind (alternativ eine Verzehrsempfehlung für Kinder ab vier Jahren), falls nicht bereits der fehlende Hinweis zur Nichtanwendung bei Kindern und Jugendlichen beim Zusatz von Zink abgewertet wurde; l) Kieselerde; m) mehr als 20 µg Nickel in der höchsten empfohlenen Tagesdosis; n) mehr als 10 µg Arsen in der höchsten empfohlenen Tagesdosis; o) Meereskorallenfossilien; p) Zeolith; q) grüne Mineralerde. Unter dem Testergebnis Weitere Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) Zusatz von Aroma; b) Zusatz von Süßstoffen; c) Zusatz von Phosphaten.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) Auslobung von Selbstverständlichkeiten (hier "frei von Konservierungsstoffen" oder "ohne Konservierungsstoffe").

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Maßgebliche Inhaltsstoffe und dem Testergebnis Weitere Inhaltsstoffe. Es kann nicht besser sein als das schlechteste Einzelergebnis. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder schlechter ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note.

Testmethoden

Elemente: Totalaufschluss in der Mikrowelle, Elementbestimmung mittels ICP-MS. PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Oktober/November 2014

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Spezial Vitamine 2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2016 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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