Regionale Kosmetik: Heimatgefühl trifft auf Exotik

Ratgeber Kosmetik 2015 | | Kategorie: Kosmetik und Mode | 05.06.2015

Regionale Kosmetik
Foto: imago/blickwinkel

Trotz einiger Produktlinien, die als "regional" beworben werden, reagiert die Naturkosmetikbranche recht gelassen auf das Thema. Zum einen ist der regionale Bezug nicht neu. Zum anderen ist man aber auch auf Rohstoffe aus aller Welt angewiesen.

Äpfel aus dem Alten Land, Ringelblumen vom Niederrhein, Hopfenblüten aus Bayern und Rosen aus dem Taubertal: Das ist kein Einkauf vom Bauernmarkt, sondern es sind Bio-Wirkstoffe, die der Naturkosmetikhersteller Laverana für seine Lavera-Haarpflegeserie einsetzt und mit den Worten "aus deutschen Anbaugebieten" bewirbt.

Auch die noch junge Marke Lenz Naturpflege besinnt sich auf Pflanzen aus unserem Kulturkreis. In den rein veganen Rezepturen der Lenz-Produkte stehen immer zwei heimische Pflanzen im Vordergrund - beispielsweise Kamille und Melisse, Sonnenhut und Hagebutte, Klettensamen und Brennnessel oder Schachtelhalm und Ringelblume. Mindestens eine stammt aus deutschem Bio-Anbau.

Regionale Kosmetik

Haben die Schönheitsversprechen exotischer Zutaten wie Mango, Kakao, Granatapfel oder Aloe vera an Wirkung verloren? Oder greift der bei Lebensmitteln zu beobachtende Trend zu regionaler Erzeugung jetzt auch auf die Kosmetikbranche über? Fakt ist, dass regionale Produkte immer beliebter werden und schon höher im Kurs als Bio-Lebensmittel stehen. Drei von vier Verbrauchern sind sogar bereit, für Regionalprodukte einen höheren Preis zu bezahlen. Das jedenfalls ergab das Ökobarometer 2013 im Auftrag der Bundesregierung. Verwunderlich ist das nicht: Immer, wenn Menschen die Außenwelt als bedrohlich, unsicher und unüberschaubar empfinden, besinnen sie sich stark auf Dinge und Werte zurück, die ihnen Halt und Geborgenheit vermitteln. "Heimatgefühl in Zeiten der Globalisierung" nennt es die Psychologin Beate Mitzscherlich.

Bei Naturkosmetik indes will die Branche nicht von einem neuen Trend sprechen. Im Gegenteil: "Regionale Inhaltsstoffe spielen für uns schon immer eine große Rolle", sagt Laverana-Sprecherin Sabine Kästner. Das habe schlicht mit dem Anspruch auf Nachhaltigkeit zu tun. "Bei Herstellern wie Wala und Weleda sind (Heilpflanzen-)Gärten, in denen ein Teil der später in Kosmetik oder Arzneimitteln verarbeiteten Pflanzen wächst, seit vielen Jahren selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur - lange, bevor der Begriff "regional" zum werbewirksamen Thema wurde.

So schön der Gedanke ist, dass heimische Birkenblätter oder Kamillenblüten in der Kosmetik stecken: Die Rohstoffe, die vor Ort wachsen, reichen bei Weitem nicht aus.
So schön der Gedanke ist, dass heimische Birkenblätter oder Kamillenblüten in der Kosmetik stecken: Die Rohstoffe, die vor Ort wachsen, reichen bei Weitem nicht aus. (Foto: Foto: imago/imagebroker)

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Carl-Michael Diedrich, Inhaber von CMD-Naturkosmetik aus Goslar, der für zwei seiner Pflegeserien auf regionale Inhaltsstoffe setzt - Heilkreide von der Insel Rügen für Mineral und Sanddorn für Sandorini -, sieht keine gesteigerte Nachfrage nach regionalen Zutaten in Kosmetik - weder bei Endverbrauchern noch bei den Unternehmen, für die seine Firma als Lohnhersteller tätig ist. "Im Gegenteil: Wir beobachten, dass Unternehmen sehr stark auf exotische Rohstoffe setzen, die eine hohe Wirkung versprechen." Vermutlich liege das daran, dass Verbraucher einen Rohstoff, der quasi im eigenen Garten wachsen könnte, als gewöhnlich ansehen und dessen Wirkung unterschätzen. Abgesehen davon, so Diedrich, "sind regionale Zutaten für uns als Naturkosmetikhersteller schon im Hinblick auf Öko-Bilanz, Nachhaltigkeit und kurze Wege interessant. Wo immer es geht, beziehen wir also heimische Produkte und hiesige Produzenten ein."

Birken, die sich im Wind wiegen, satte Alpenwiesen voller Kräuter oder ein Feld mit knallorangen Ringelblumen: So schön der Gedanke ist, dass die Wirkstoffe für unser Haar und Gesicht aus heimischen Gefilden stammen: Bei einer Fokussierung auf rein regionale Inhaltsstoffe würden Naturkosmetikhersteller schnell an ihre Grenzen stoßen. Nicht nur, dass sich Zutaten wie Kakao- und Sheabutter oder Jojobaöl als pflegende Substanzen bewährt haben. Die rasante Entwicklung bei Naturkosmetik hat zu einem ebenso rasanten Bedarf an natürlichen Inhaltsstoffen geführt. "Im Verhältnis zur Nachfrage haben Verbände wie Demeter schon jetzt zu wenig Anbauflächen", erläutert Sabine Kästner. Für Hersteller wie Laverana sei die Sicherung von Rohstoffen daher von Bedeutung - regional und weltweit. "Unsere Inhaltsstoffe stammen zu zwei Dritteln aus Europa, zu einem Drittel aus dem Rest der Welt."

Regionale Kosmetik

Doch selbst wenn ausreichend regionale Rohstoffe vorhanden sind, fehlt es vor Ort mittlerweile häufig an der notwendigen Infrastruktur, um sie zu verarbeiten. Diese Erfahrung hat auch Gerlinde Galvagni gemacht. Ihre Manufaktur Galvagni-Schönheit aus Bad Mergentheim kreierte als eine der ersten Kosmetikprodukte als Eigenmarken für Regionen, Inseln, Kurorte und Wellnesshotels - mit regionalen Zutaten oder Vor-Ort-Ressourcen wie Heilwasser und Sole. Die werden auf Wunsch als zertifizierte Naturkosmetik oder vegan konzipiert, haben aber immer einen regionalen Bezug. "Für das Traubenkernöl einer unserer Kosmetikserien beispielsweise haben wir erst nach vielen Anläufen eine kleine Ölmühle in der Nähe gefunden, die die Traubenkerne presst", sagt Gerlinde Galvagni.

Keine Frage: Das Schlagwort "regional" entwickelt eine emotionale Kraft. Und die starke Nachfrage, zumindest bei Lebensmitteln, zeigt das steigende Bedürfnis von Verbrauchern nach Transparenz, Authentizität, Verantwortung und Glaubwürdigkeit. Allerding sagt es nichts über die Qualität eines Produkts aus. Daher verwundert es auch nicht, dass Naturkosmetikhersteller den Hype ums Regio­nale eher gelassen betrachten; gehören die oben erwähnten Werte doch ohnehin zu ihrem Selbstverständnis. Dafür greifen sie, wo immer möglich, auf regionale Zutaten in - wichtiger noch - Bio-Qualität zurück. Zugleich sichern sie sich wertvolle Kosmetikrohstoffe über langfristige, weltweit angelegte Projekte und sorgen dort für umweltgerechten, nachhaltigen Anbau und faire Bezahlung. Und kombinieren damit in ihren Rezepturen das Beste aus beiden Welten.

J. Pfeiffer / picture alliance / Arco Images
J. Pfeiffer / picture alliance / Arco Images (Foto: Kamillenblüten werden für regionale Kosmetik verwendet)

Regionale Kosmetik: Das Gute wächst so nah

Was ihre pflegende und schützende Wirkung betrifft, müssen sich heimische Pflanzen und (Un-)Kräuter nicht hinter exotischen Kollegen wie Aloe vera, Granatapfel oder Mango verstecken.

  • Ackerschachtelhalm: Die seit Urzeiten existierende Pflanze ist reich an Kieselsäure und Mineralstoffen. Sie regt den Stoffwechsel an, stärkt die Haut und festigt das Bindegewebe.
  • Birke: Der Blätterextrakt ist durchblutungsfördernd und entfettend; Birkensaft regt den Stoffwechsel an und wirkt entwässernd. Birkenbestandteile werden in der Haar- und Hautpflege eingesetzt.
  • Brennnessel: Der Extrakt aus den Blättern ist reich an Vitamin A und E, regt den Stoffwechsel an und wird gern in Haarpflegeprodukten gegen Schuppen, Haarausfall oder für mehr Glanz eingesetzt.
  • Distel: Das aus den Samen gewonnene Öl ist reich an Linolensäure. Es wirkt entzündungshemmend, glättend und mattierend.
  • Gänseblümchen: Der kleine Korbblütler hat eine wundheilende und hautreinigende Wirkung und wird daher gern bei Akne oder Hautirritationen eingesetzt.
  • Hagebutte: Aus den Kernen der Wildrose gewinnt man Öl, aus der Frucht den Extrakt. Hagebutten sind reich an Vitamin C, unterstützen die Hautregeneration und verfeinern das Hautbild.
  • Himbeere: Der Extrakt aus den Früchten verfeinert das Hautbild. Öl aus Himbeersamen hat einen hohen Lichtschutzfaktor, wirkt pflegend und entzündungshemmend.
  • Hopfen: Der Extrakt aus den Hopfenblüten wirkt beruhigend und entzündungshemmend. Die reichlich enthaltenen Phytohormone sollen die Kollagenproduktion der Haut anregen.
  • Kamille: Seit Urzeiten als Heilmittel gegen Erkältungen geschätzt, entwickeln ihre entzündungshemmenden, beruhigenden und lindernden Eigenschaften auch in Kosmetik ihre Wirkung.
  • Kletten: Aus den Samen der Klette gewinnt man ein fettes Öl mit hohem Gehalt an Vitamin E und Betacarotin. Es soll Haut und Haare stärken, pflegend und durchblutungsfördernd wirken.
  • Melisse: Der Extrakt aus den Blättern stärkt und beruhigt die Haut und wirkt antibakteriell, ebenso das durch Wasserdampfdestillation gewonnene Hydrolat.
  • Minze: Das im ätherischen Öl der Minze enthaltene Menthol erfrischt und belebt und wirkt darüber hinaus entzündungshemmend.
  • Ringelblume: Der Extrakt aus den Blüten der Heilpflanze (Calendula) wirkt beruhigend, wundheilend und entzündungshemmend, stärkt und schützt die Haut.
  • Sanddorn: Sowohl aus den Kernen als auch aus dem Fruchtfleisch wird Öl gewonnen. Beide sind reich an Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen. Sie pflegen, regenerieren und stärken die Haut, wirken entzündungshemmend und antibakteriell.
  • Sonnenhut: Als Echinacea in der Heilkunde bekannt, beruhigt Sonnenhutextrakt in der Kosmetik die irritierte Haut und macht sie geschmeidig. Er hat entzündungshemmende, wundheilende Wirkung.
  • Trauben: Das aus den Traubenkernen gewonnene Öl ist reich an essenziellen Fettsäuren, bewahrt die Haut vorm Austrocknen und wirkt rückfettend.

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