Kinderschminke im Test: Die Hälfte der Produkte fällt durch

Jahrbuch Kleinkinder 2017 | Autor: Svenja Markert | Kategorie: Kinder und Familie | 19.01.2017

Die Hälfte der Kinderschminke im Test fällt mit "ungenügend" durch.
Foto: freya-photographer/Shutterstock

Die meisten Kinder sind begeistert, wenn sie farbenfroh geschminkt in eine andere Rolle schlüpfen können. Doch viele Kinderschminken sind zum Gruseln, denn sie stecken voller Schadstoffe.

Aktualisiert am 19.01.2027 | Kinderschminken stehen immer wieder in der Kritik. Denn teilweise sind sie stark belastet. Das zeigen zum Beispiel frühere ÖKO-TESTs oder die Analysen des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts (CVUA) Karlsruhe im Jahr 2014, das den verbotenen Farbstoff Lackrot (CI 15585) in mehreren WM-Fan-Schminken entdeckte.

Kinderschminke im Test: Das Fazit

Haben die vielen negativen Schlagzeilen dazu geführt, dass die Schminken nun besser sind? Um das herauszufinden, haben wir zwölf Produkte ins Labor geschickt. Das Ergebnis in Kürze: Die Hälfte der Produkte ist "ungenügend". Zwei Lichtblicke gibt es aber immerhin.

Gefahrstoff in Kinderschminkstiften entdeckt

Die Schminkstifte einer Marke sind mit PHMB konserviert. Doch das ist ein CMR-Stoff, also eine jener Substanzen, die als krebserregend, erbgutverändernd und reproduktionstoxisch eingestuft sind. Somit ist der Konservierer aus Sicht der EU in Kosmetika seit 2015 formell nicht mehr erlaubt.

Daran ändert auch nichts, dass der Stoff (noch) auf der Liste der erlaubten Konservierungsmittel steht. Auf diese Liste verweist die Industrie gern. Ob und wie die EU-Kommission das ändern wird, ist noch in der Schwebe. In den EU-Ländern sind die Mitgliedsstaaten und ihre Behörden für die Umsetzung des Verbots von PHMB verantwortlich. Die Untersuchungsanstalt Sachsen bestätigt mit Hinweis auf die Einschätzung der EU: "Daher werden Proben, in denen wir PHMB positiv nachweisen, (...) beanstandet."

Weitere Schadstoffe in Kinderschminke im Test

In anderen Schminkstiften fand das Labor erhöhte Werte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Zu den PAK gehören Verbindungen, von denen einige nachgewiesenermaßen krebserregend, andere krebsverdächtig sind. In den Schminkstiften steckt unter anderem das krebsverdächtige Naphthalin.

Vier weitere Produkte wiesen zudem MOAH auf. Diese aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffe sind möglicherweise auch krebserregend und können in mineralölhaltigen Substanzen wie Paraffinen stecken, die wir schon lange abwerten.

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In einem Kinderschminke-Set steckt zu viel Nickel

Ein Kinderschminke-Set weist im Vergleich zu den anderen Testprodukten einen höheren Nickelwert auf. Nickelallergien sind verbreitet; Betroffene können auf solche Gehalte schon allergisch reagieren.

In der wissenschaftlichen Literatur wird ein Gehalt von fünf Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) als technisch vermeidbar beschrieben. Nach Untersuchungen des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit schaffen es die allermeisten Kinder- und Karnevalsschminken sogar, darunterzuliegen. Für das erwähnte Set gilt das jedoch nicht.

In drei Farben dieses Produkts steckt außerdem eine ordentliche Portion Chrom. Immerhin zeigen unsere Ergebnisse, dass es sich nicht um giftiges Chrom VI handelt.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin Februar 2016 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder für 2017 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Wir kauften pünktlich zur Karnevalszeit 12 Schminken ein: feste Produkte und Stifte sowie Wasserfarben aus dem Bastelladen, Karnevalsshop, Supermarkt und vom Onlinehändler. Nur ein Testprodukt stellt im Namen den Bezug zu Kindern her, alle anderen richten sich aber durch ihre Aufmachung direkt an Kinder oder bieten sich einfach nur zum Schminken von Kindern an.

Die Inhaltsstoffe: Die Schminken unterscheiden sich vor allem dadurch, dass sie eine Wasser- oder Fettbasis haben. Unser umfangreiches Prüfprogramm passten wir den entsprechenden Produkttypen an und gaben zum Beispiel für parfümhaltige Farben eine große Duftstoffanalyse in Auftrag. Außerdem wollten wir wissen, ob in den Schminken Schwermetalle stecken beziehungsweise ob die mineralölhaltigen Bestandteile verunreinigt sind.

Die weiteren Mängel: Für die Kinderschminken können die Anbieter die eingesetzten Farben für alle Nuancen aufzählen, nicht nur für das jeweilige Produkt. Das erkennt man an dem kleinen Zusatz "+/-" oder dem Hinweis "may contain". Was genau in der Schminke steckt, lässt sich dann anhand der Inhaltsstoffliste nicht erkennen. Informiert ein Anbieter auf Nachfrage, welche Farbbestandteile genau in seiner Schminke stecken? Wenn nicht, finden wir das nicht verbraucherfreundlich.

Die Bewertung: Stoffe, die verboten sind, zeigen wir die rote Karte. In unserer Bewertung unterscheiden wir jedoch, ob es sich beispielsweise um einen vorsätzlich zugesetzen Stoff handelt oder nicht. Im Falle der verbotenen Konservierungsmittel Isobutylparaben und PHMB sind wir strenger als etwa bei Nickel. Dessen Gehalt sehen unsere Experten in einem Fall zwar als nicht in Ordnung an, aber es ist von einer Verunreinigung auszugehen. Auch die Aufmachung des Produkts spielt eine Rolle - Paraffine werten wir beispielsweise stärker ab, wenn eine Abbildung impliziert, dass das Produkt auch auf den Lippen verwendet werden kann. Denn vom Mund lutscht man die Farbe schnell mal ab, und die Stoffe können so in den Körper gelangen.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: Polyaminopropylbiguanid (PHMB). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) halogenorganischer Farbstoff (hier: CI 12490); b) mehr als 100 bis 1.000 μg/kg einer PAK-Einzelverbindung; c) PEG/PEG-Derivate; d) mehr als 0,1 Prozent aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH); e) Paraffine/Erdölprodukt bei einem Produkt, dessen Abbildung auf der Verpackung eine Verwendung auf den Lippen impliziert, sofern nicht bereits wegen MOAH abgewertet wurde; f) der bedenkliche UV-Filter Ethylhexylmethoxycinnamat.

Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) mehr als ein Prozent Paraffine/ Erdölprodukte, sofern nicht bereits wegen MOAH abgewertet wurde; b) mehr als 5 mg/kg Nickel; c) mehr als 100 mg/kg Chrom, sofern kein Chrom VI nachgewiesen wurde; d) der Farbstoff Gelborange S (CI 15985); e) der bedenkliche UV-Filter Homosalat, sofern nicht schon wegen eines anderen UV-Filters um zwei Noten abgewertet wurde; f) Natrium laurylsulfat; g) die bedenklichen Parabene Propylparaben und/oder Butylparaben.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um vier Noten: Anbieter hat Farbbestandteile für getestetes Produkt auch auf Nachfrage nicht aufgeschlüsselt. Zur Abwertung um eine Note führt: PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" oder "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamt urteil um zwei Noten.

Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir die (vom Hersteller versprochene) Wirkung der Produkte nicht überprüft haben.

Testmethoden

Testmethoden (je nach Zusammensetzung der Produkte): Formaldehyd/-abspalter: saure Wasserdampfdestillation, Derivatisierung mit Acetylaceton, Ausschütteln mit n-Butanol und Bestimmung mittels Fotometrie. Diethylphthalat, deklarationspflichtige Duftstoffe, Moschus-Verbindungen: Extraktion mit TBME, GC-MS. Halogenorganische Verbindungen (falls nicht deklariert): a) Wasserdampfdestillation, Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. b) Reinigung der Proben mit Kieselgel, Extraktion mit Essigester, Verbrennung des Extrakts im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse. MOAH (aromatisch) C10-50: GC-FID. Elemente: Totalaufschluss in der Mikrowelle. Elementbestimmung mittels ICP-MS. Chrom VI: Herstellen einer Probe und Durchführung der Extraktion gemäß EN 71-3 - 2013; Zugabe des internen Standards (Rhodium und Rhenium); Angaben der Ergebnisse in lösliches Element mg/kg bezogen auf die Probensubstanz. Fotometrische Bestimmung des Chrom VI-Gehalts. Parabene: HPLC-UV. Paraffine/Erdölprodukte/Silikonverbindungen: Deklaration und/oder HPLC/RI. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): GC-MSD. 25 PAK nach EU/EPA/JECFA, analysiert in der schwarzen Farbe. Farbstoff Lackrot (CI 15585): 1H-NMR-Spektroskopie nach Lösen der Probe in geeignetem deuterierten Lösungsmittel, analysiert in der roten Farbe.

Einkauf der Testmethoden: Oktober/November 2015.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin Februar 2016 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder für 2017 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.

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