Nach wie vor will die Bundesregierung tief in die Tasche aller Kunden von Lebensversicherungen, Rürup- und Riester-Renten, betrieblichen Direktversicherungen und ähnlichen Betriebsrenten greifen. Ende Mai hat sie deshalb den Entwurf für ein "Gesetz zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte", kurz "Lebensversicherungsreformgesetz" (LVRG) vorgelegt, das sie am liebsten noch vor der Sommerpause im Parlament verabschieden will. Das Tempo überrascht. Doch angeblich zeigen sich die Risiken aus der anhaltenden Niedrigzinsphase nur mit erheblicher Verzögerung in den Bilanzen der Unternehmen. Deshalb gelte es, rechtzeitig Maßnahmen zum "Schutz der Versicherten" zu treffen.
Dass für diesen Schutz im neuen Gesetzentwurf nicht nur die Kunden zur Kasse gebeten werden wie bei der ursprünglich geplanten Gesetzesänderung vor einem Jahr, wollen wir uns nicht allein auf die Fahnen schreiben. Aber ohne ÖKO-TEST und unsere Berichterstattung in den vergangenen zwei Jahren wären die Tricksereien der Branche zulasten der Kunden womöglich nicht oder zu spät aufgeflogen. Jetzt sind dagegen auch Einschnitte bei den Versicherern und beim Finanzvertrieb geplant. Doch Fakt bleibt: Anders als bei den Banken, wo ausschließlich die Institute selbst und der Staat für die Sicherheit der Branche sorgen, werden bei Versicherungen überwiegend die Kunden zur Kasse gebeten. Dabei sind die derzeitigen Risiken keinesfalls allein Folge der Niedrigzinspolitik. Vielmehr ist die Schieflage einzelner Versicherer vor allem auf Managementfehler oder die ehemalige Unternehmensstrategie zurückzuführen. Denn diese Versicherer haben Ende der 90er-Jahre besonders aggressiv um Kunden geworben und daher einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Verträgen mit vier Prozent Garantiezins in ihren Büchern. Nach Angaben der Kölner Versicherungsratingagentur Assekurata machen die Hochprozenter bei diesen Unternehmen bis zu 51,5 Prozent vom Bestand aus, während sie im Durchschnitt der Branche gerade mal bei 21,5 Prozent liegen. Während im freien Wettbewerb der Marktwirtschaft üblicherweise allein die Eigentümer für solche Fehlentscheidungen haften müssen, wollen Staat und Aufsicht bei Versicherungen jedoch eine Branchenlösung durchdrücken, die überwiegend die Kunden zur Kasse bittet.
Ausgewogen und "fair" - wie es der Name sagt - ist der Gesetzentwurf, der Änderungen im Versicherungsaufsichts- und Versicherungsvertragsgesetz sowie in sieben Verordnungen vorsieht und eine weitere neue Verordnung zu den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen umfasst, daher nicht. Aber jetzt "meckern" alle - nicht nur die Verbraucherschützer. Das scheint für den Gesetzgeber Indiz genug für eine ausgewogene Behandlung aller Beteiligten zu sein. Doch der Reihe nach.
Die Änderungen im Detail
Nach wie vor will der Gesetzgeber die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven in Niedrigzinszeiten drastisch zusammenstreichen. Allerdi...