39 Health Claims im Test

Nein danke!

ÖKO-TEST April 2012 | | Kategorie: Essen und Trinken | 30.03.2012

39 Health Claims im Test

Eine Extraportion Gesundheit wird uns auf den Verpackungen vieler Lebensmittel versprochen. ÖKO-TEST hat Produkte mit Health Claims getestet - und kein einziges gefunden, das wir weiterempfehlen können.

Wer sich gesund und ausgewogen ernährt, dem fehlt nichts. Aber Hand aufs Herz: Wer kann von sich behaupten, so viel Gemüse zu essen, wie empfohlen wird? Wer macht wirklich um jeden Fast-Food-Tempel einen großen Bogen? Und wer lässt für einen Apfel jeden Schokoriegel links liegen?

Das schlechte Gewissen sitzt immer mit am Tisch. Und das ist die beste Grundlage für Lebensmittelhersteller, ausgewählte Produkte als ganz besonders gesund zu bewerben - quasi als Ausgleich für kleine Sünden. "Health Claims" heißen die gesundheitsbezogenen Behauptungen, die da auf den Packungen stehen. Aber stimmt auch jede dieser Behauptungen? Das wollte die EU eigentlich prüfen. Und wenn der Zeitplan nicht so völlig aus dem Ruder gelaufen wäre, gäbe es längst eine Liste mit zugelassenen Aussagen. Alles andere wäre verboten. Doch die zuständigen Behörden wurden mit Anträgen geradezu bombardiert, sodass einer Verspätung die nächste folgte.

Fest steht aber schon jetzt, dass die meisten der mehr als 4.000 eingereichten Claims schon der ersten Prüfung nicht standgehalten haben. Erst 19 Claims sind derzeit definitiv abgesegnet. Daneben existiert eine weitere Liste mit 222 Claims, deren Zulassung unmittelbar bevorsteht, sobald diese sogenannte Gemeinschaftsliste das Europäische Parlament passiert hat.

Eigentlich ist das reine Formsache. Doch einzelne Parlamentarier unterschiedlichster Lager haben für die Abstimmung Mitte April schon jetzt Widerstand angekündigt. Viel zu streng sei die Prüfung gewesen. Ansonsten sind die Fraktionen aber einig darüber, dass die arbeitsintensive Liste keinesfalls in die Tonne getreten werden darf - auch wenn man damit nicht so richtig glücklich ist: "Der Grundansatz ist richtig", erklärt etwa die deutsche SPD-Parlamentarierin Dagmar Roth-Behrendt. Es sei wichtig, dass "der ganze Wildwuchs mit Aussagen, von denen viele nicht haltbar sind, jetzt beendet wird". Trotzdem ist sie "nicht ganz zufrieden" angesichts der vielen Produkte, die mit überflüssigen Vitaminen angereichert sind: "Wir wollen das nicht verbieten. Aber wenn man reflektiert ist, kauft man solche Produkte eigentlich nicht", erklärt die Verbraucherschutzexpertin. Auch die Agraringenieurin Dr. Renate Sommer (CDU) sieht eine "Übervitaminisierung der Bevölkerung" kritisch, weiß aber, dass ein Veto kaum eine Chance hätte.

Mit offiziellem Segen entsteht nun eine ellenlange Liste mit erlaubten Aussagen, die kaum Herstellerwünsche offenlässt. Jeder kann nun behaupten, sein Produkt stärke das Immunsystem, schütze die Zellen oder beuge Blähungen vor. Es müssen nur die richtigen Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt werden.

Bleibt die Frage, ob das der Volksgesundheit etwas bringt. Die für die Beurteilung der Claims zuständige Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa jedenfalls hat in ihren Stellungnahmen gebetsmühlenartig darauf hingewiesen, dass die Studienlage eben nicht zeigt, dass in der EU irgendein Mangel...

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

So haben wir getestet

Der Einkauf

In Supermärkten, Discountern und Bio-Läden haben wir Lebensmittel gekauft, die einen gesundheitlichen Zusatznutzen versprechen. Dabei haben wir darauf geachtet, dass Produkte aus unterschiedlichen Warengruppen, mit unterschiedlichen Inhaltsstoffen und den verschiedensten Versprechen in den Test kommen.

Die Prüfung der Claims

Welche speziellen Inhaltsstoffe enthält das Produkt und welche Gesundheitsversprechen verknüpft der Hersteller damit? Daraufhin haben wir die eingekauften Lebensmittel als Erstes überprüft. Anschließend interessierte uns, auf welcher Grundlage die Werbesprüche basieren. Tauchen diese sogenannten Health Claims in einer der offiziellen EU-Listen auf und sind damit bereits bewertet? Oder fehlt der Spruch in diesen Listen? Gründe dafür können zum Beispiel sein, dass das Versprechen wissenschaftlich nicht haltbar ist, aus anderen Gründen abgelehnt wurde oder der Hersteller - warum auch immer - keinen Antrag stellen wollte. In einem weiteren Schritt haben wir die Verpackungen nach Hinweisen durchforstet, die laut EU auf solchen Produkten deklariert sein sollten. So sollte nicht nur der Werbespruch Platz auf dem Joghurtbecher haben, sondern auch die Angabe, wie viel von dem Produkt wie oft verzehrt werden soll, um die versprochene Wirkung zu erreichen. Wie genau nehmen es hier die Werbestrategen, haben wir uns gefragt? Den Herstellern haben wir - wie immer in unseren Tests - auch dieses Mal Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen.

Die Bewertung

Auf der Basis gängiger Ernährungsempfehlungen haben wir geprüft, ob die Produkte, deren gesundheitsbezogene Werbesprüche (Health Claims) bereits genehmigt wurden oder auf dem Weg dahin sind, für eine gesunde und ausgewogene Ernährung tatsächlich überhaupt notwendig sind. Oder steckt im Verzehr eines solchen Lebensmittels sogar ein mögliches Risiko? Daraus ist die ÖKO-TEST-Bewertung hervorgegangen. Ein Gesamturteil in Form einer Note haben wir in diesem Test nicht vergeben, da wir nur die Health Claims geprüft haben, nicht aber beispielsweise das Vorhandensein von Schadstoffen.