Ingwershots im Test: Gesunde Immunbooster für den Winter?

Magazin November 2022: Honig | Autor: Cerline Wolf-Gorny/Marieke Mariani/Hannah Pompalla | Kategorie: Essen und Trinken | 24.10.2022

Gute Nachrichten: Viele Ingwershots im Test können wir empfehlen.
Foto: ÖKO-TEST

Ingwershots sollen den Gesundheitsboost fürs Immunsystem bringen. Wir haben 20 davon in die Labore geschickt und überprüfen lassen. Das Ergebnis ähnelt den Zutatenlisten: bunt gemischt. Viele Shots können wir empfehlen – es gibt aber auch Produkte, die negativ auffallen. 

  • Wir haben 20 Ingwershots getestet, zwölf davon in Bio-Qualität.
  • Viele Ingwershots sind empfehlenswert.
  • Kritik gibt es insbesondere für Pestizide, fehlendes Vitamin C und zu viel Zucker.

Eine Tasse Ingwertee soll wahre Wunder wirken – kaum einer anderen Pflanze wird eine derart ganzheitliche Wirkung nachgesagt wie der unscheinbaren Wurzel. Gerade in der Erkältungszeit ist Ingwer für viele Menschen das Naturheilmittel der Wahl.

Schließlich gilt die Knolle mit dem scharfen Aroma als gesundheitsfördernd und soll das Immunsystem stärken, hilft bei kratzigem Hals und schmerzendem Bauch. Ein Allrounder. Aber wird die Knolle ihrem Ruf gerecht?

Wir haben mit Professor Roman Huber, Leiter des Zentrums Naturheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg über Ingwer-Mythen gesprochen. Er forscht unter anderem zur Wirkung von Pflanzenwirkstoffen auf das Immunsystem.

Stärkt Ingwer das Immunsystem?

Es ist nicht wissenschaftlich belegt, dass Ingwer das Immunsystem stärkt. Professor Huber weist auf den Unterschied zwischen lokalem Immunsystem und systemischem Immunsystem hin: "Bei Halskratzen kommt es zum Beispiel auf das lokale Immunsystem direkt im Rachen an. Ich könnte mir vorstellen, dass Ingwer hier antivirale Eigenschaften hat und die Durchblutung verbessern kann – und so einen lindernden Effekt hat."

Auf das systemische Immunsystem, das sich über Blut, Milz und Lymphsystem im ganzen Körper auswirkt, habe Ingwer allerdings keine belegten Auswirkungen.

Ingwershots werden häufig getrunken, um Erkältungen vorzubeugen. Allerdings gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Ingwer tatsächlich das Immunsystem stärkt.
Ingwershots werden häufig getrunken, um Erkältungen vorzubeugen. Allerdings gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Ingwer tatsächlich das Immunsystem stärkt. (Foto: Dementieva Iryna/Shutterstock)

Hilft Ingwer gegen Erkältungen?

Ingwer wird eine antibakterielle und antivirale Wirkung nachgesagt. Auszuschließen sei dies nicht, sagt Professor Huber. Doch es fehlen, wie so oft, die Belege.

"Vieles ist einfach noch nicht gut genug erforscht", gibt der Experte zu bedenken. Dass Ingwer durch die enthaltenen Scharfstoffe die Durchblutung verbessert und so zumindest das lokale Immunsystem anregt, scheint aber plausibel.

Ist Ingwer gut bei Übelkeit?

Hier sieht die Datenlage schon anders aus. "Die Wirksamkeit bei verschiedenen Formen von Übelkeit ist in klinischen Wirksamkeitsstudien gut belegt", sagt Huber. Die in der Ingwerwurzel enthaltenen Scharfstoffe Gingerole wirken dabei auf die Serotoninrezeptoren im Magen.

Reiseübelkeit, Schwangerschaftsübelkeit oder auch Übelkeit, die bei einer Chemotherapie häufig auftritt, kann Ingwer also nachweislich lindern. Seine Wirkung entfaltet Ingwer als Tee aus frisch überbrühten Ingwerstücken oder, für Hartgesottene, direkt durch das Kauen eines frischen, geschälten Ingwerstücks. 

Regt Ingwer die Darmtätigkeit an?

Diese Wirkweise spielt vor allem in der traditionellen Medizin eine große Rolle. "In der traditionellen Anwendung bei Verdauungsbeschwerden wird Ingwer angewendet, um als Gewürz über die Scharfstoffe die Sekretion im Verdauungstrakt anzuregen", so der Professor. Dadurch werde die Verdauung in Schwung gebracht und die Verträglichkeit von Speisen verbessert.

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Der Ruf des Ingwers als Allheilmittel lässt sich also nur in wenigen Bereichen wissenschaftlich fundiert belegen. Dennoch sind Ingwershots aus dem Supermarkt beliebt. Schließlich sind sie auch praktisch: Sie ersparen das Schälen, Schnippeln und Überbrühen, dass etwa bei der Zubereitung eines Ingwertees nötig wäre.

Doch teilen diese Produkte die Eigenschaften der puren Knolle, oder sind sie womöglich sogar ungesund? Um das zu überprüfen, haben wir 20 Ingwershots eingekauft und einer umfangreichen Laboranalyse unterzogen. Zudem ließen wir sie von geschulten Sensorikern auch auf ihren Geschmack, Aussehen und Geruch untersuchen.

Das Ergebnis ist erfreulich: Viele Ingwershots können wir empfehlen. Es gibt jedoch auch Produkte, die uns nicht überzeugen. Denn in ihnen sind wir auf Inhaltsstoffe gestoßen, die nach unserer Meinung nichts in einem Ingwershot verloren haben.

Wie gesund ist Ingwer wirklich? Hierzu gibt es noch viele offene Fragen.
Wie gesund ist Ingwer wirklich? Hierzu gibt es noch viele offene Fragen. (Foto: Charoen Krung Photography/Shutterstock)

Pestizide in Ingwershots entdeckt

So haben die von uns beauftragten Laborexperten in ein paar Produkten Pestizide entdeckt. Sie sind etwa auf Clothianidin gestoßen: Das Mittel gehört zur Gruppe der Neonicotinoide, die Bienen und Hummeln schaden.

Außerdem wurde der Wachstumsregulator Mepiquat nachgewiesen. Die gemessene Menge schöpft 60 Prozent des Rückstandshöchstgehalts für Äpfel und Zitronen aus. Besonders pikant: Mepiquat ist im Obstanbau in der EU nicht erlaubt. Der Wirkstoff war bereits in unserem Apfelsaft-Test im August ein Problem.

Einige Ingwershots liefern kein Vitamin C

Ebenfalls enttäuschend: In sieben Ingwershots konnte das Labor kein Vitamin C finden. Dabei kommen die Shots als gesunde Getränke mit Ingwer-, Apfel- und Zitronensaft daher. Zumindest ein minimaler Gehalt an Vitamin C sollte aus unserer Sicht deshalb enthalten sein.

In Hinblick auf den Zuckergehalt fällt ein Ingwershot im Test besonders negativ auf: Er enthält satte 13 Gramm Zucker pro 100 Milliliter Saft – das sind knapp drei Teelöffel. Das Glasfläschchen fasst 99 Milliliter, und es gibt keine Angabe, dass eine Portion kleiner sein soll.

Wir gehen davon aus, dass Verbraucher die ganze Flasche trinken und so mehr als ein Viertel der von der WHO empfohlenen Tageshöchstmenge an Zucker aufnehmen. Ganz schön ungesund. 

Schmecken die Ingwershots im Test?

Stellt sich noch die Frage, überzeugen die Ingwershots auch in puncto Aussehen, Geschmack und Geruch? Die Antwort lautet: Ja – die geschulten Sensorikprüfer hatten an keinem Ingwershot etwas zu beanstanden.

Vor allem die für den Ingwer charakteristischen Scharfstoffe schmeckten die fachkundigen Zungen zielsicher heraus und attestierten den Kandidaten mit den höchsten gemessenen Scharfstoffgehalten einen stark würzigen Ingwergeschmack.

Auch weitere Geschmacksnoten, die auf den Flaschen beworben werden, machten sich in der Sensorik bemerkbar.

Ingwer womöglich zu lange gelagert

Die Gesamtmenge der Scharfstoffe sagt allerdings noch nichts über die Qualität aus – wichtiger ist das Verhältnis der Scharfstoffe Gingerole und Shogaole. Es lässt Rückschlüsse auf die Frische des verarbeiteten Ingwers zu, da sich Shogaole erst durch Alterung oder andere äußere Faktoren bilden.

In frischem Ingwer liegt das Verhältnis der beiden Stoffe deutlich über 100. In 13 Proben haben die Experten ein Verhältnis unter 100 gemessen – das kann ein Hinweis auf lange gelagerte oder stark verarbeitete Ingwerzutaten sein.

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Testverfahren

Die 20 Ingwershots im Test haben wir in Drogeriemärkten, Supermärkten, Discountern und in Onlineshops eingekauft – mit dabei sind auch zwölf Shots in Bio-Qualität. Manche werden gekühlt gelagert, andere bei Raumtemperatur. Die Mehrheit der Shots enthält als Hauptzutat Apfelsaft. Anhand der Deklaration prüften wir den Zuckergehalt der Mischgetränke. In spezialisierten Laboren ließen wir sie auf Schimmelpilzgifte und auf Rückstände von Pestiziden untersuchen. Analysieren ließen wir auch den Gehalt an Scharfstoffen und Vitamin C. Geschulte Sensorikprüfer verkosteten die Ingwershots und beurteilten, ob Aussehen, Geruch und Geschmack in Ordnung waren. Bei den Verpackungen interessierte uns, ob sie umweltschädliche chlorierte Verbindungen enthalten, die häufig in Deckeldichtungen zu finden sind, und aus wie viel Prozent recyceltem Kunststoff die Plastikflaschen bestehen.

Bewertungslegende

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um zwei Noten: ein gemessener Gehalt an Mepiquat, der mehr als 50 bis 100 Prozent des EU-Rückstandsgehalts von 0,02 mg/kg in Äpfeln bzw. Zitronen ausschöpft (ohne Berücksichtigung eines Verarbeitungsfaktors; laut BfR- oder EFSA-Liste nicht verfügbar; in der Tabelle "stark erhöht"). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) Vitamin C nicht nachweisbar; b) ein deklarierter Gesamtzuckergehalt von mehr als elf Gramm pro Shot bzw. angegebener Portionsgröße; c) drei bis sechs nachgewiesene Pestizide; d) ein als besonders bedenklich eingestuftes Pestizid in einem gemessenen Gehalt von mehr als 0,01 mg/kg (hier: Clothianidin, PAN-gelistet als bienentoxisch); e) ein berechnetes Verhältnis von Gingerolen zu Shogaolen kleiner als 100, normiert auf 100 Prozent Ingwer. Basis für die Berechnung sind die gemessenen Gehalte von Gingerolen und Shogaolen; f) der Zusatz von natürlichem Aroma.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: Kunststoffgetränkeflasche mit weniger als 50 Prozent Rezyklatanteil oder keine Angabe oder kein ausreichender Nachweis auf unsere Anfrage hierzu. Zur Abwertung um eine Note führen: PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Deckeldichtung von Glasflaschen. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.

Testmethoden

PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.
Pestizid-Screening: GC-MS/MS und LC-MS/MS nach DIN EN 15662:2018-07.
Chlormequat/Mepiquat: LC-MS/MS nach ASU L 00.00-76: 2008-12.
Vitamin C: HPLC-UV.
Scharfstoff-Analysen: Bestimmung von Gingerolen und Shogaolen gegen Referenzen mittels RP-UPLC-DAD-MS/MS; SOP 1303/0282/02.
Sensorik: ASU L 00.90-16: 2006.
Aflatoxine: Automatisierte IAC-SPE und HPLC-FLD mit Nachsäulenderivatisierung (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Weitere Inhaltsstoffe: per Deklaration.

Einkauf der Testprodukte: August 2022.

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