Farbstoff Karmin: Gibt es veganen Ersatz für den Farbstoff aus Läusen?

Autor: Heike Baier | Kategorie: Kosmetik und Mode | 08.11.2022

Immer mehr Kosmetik-Marken versuchen, auf den Farbstoff Karmin in ihren Produkten zu verzichten.
Foto: golubovystock/Shutterstock

Nichts färbt Schminke in so brillant leuchtendem Rot wie der Farbstoff Karmin. Er entsteht aus dem Blut von Schildläusen – und nicht nur Veganerinnen würden gerne drauf verzichten. Aber geht das?

Profi-Veganerinnen erkennen die unscheinbare Nummer sofort: Karminrot verbirgt sich auf der Liste der kosmetischen Inhaltsstoffe meist hinter dem Kürzel CI 75470, seltener unter Begriffen wie Carmine oder Cochenille.

Karmin besteht aus getrockneten Schildläusen

CI steht für Color Index und Schminke enthält meist eine lange Liste solcher Pigmente, die dann je nach Farbton anders zusammengesetzt sind. Karminrot aber wird von Tierschützerinnen strengstens gemieden. "Das Pigment wird durch Trocknen und Auskochen von gezielt gezüchteten Läusen hergestellt", sagt Sabrina Engel von der Tierschutzorganisation Peta.

"Und auch wenn unsere Empathie mit Läusen vielleicht nicht dieselbe ist wie mit anderen Tieren, müssen wir davon ausgehen, dass die Tiere ein Schmerzempfinden haben. Da ist es nicht hinnehmbar, dass zehntausende Tiere für ein paar Gramm Karmin wie Ware behandelt und getötet werden."

Lackschildläuse auf der Hand eines Farmers: Der Farbstoff Karmin wird aus dem Blut getrockneter Tiere hergestellt.
Lackschildläuse auf der Hand eines Farmers: Der Farbstoff Karmin wird aus dem Blut getrockneter Tiere hergestellt. (Foto: Lalabel_Poster/Shutterstock)

Veganer Ersatz für Karminrot leuchtet weniger

Das Bewusstsein für Tierleid in Kosmetik wächst auch auf Seite der Verbraucherinnen stetig. Selbst große Kosmetik-Marken reagieren inzwischen darauf. So hat beispielsweise die Marke Essence seit diesem Jahr 100 Prozent der Rezepturen auf vegan umgestellt.

"Das Thema vegan ist in der Kosmetik-Industrie ein sehr großes und unsere junge Zielgruppe ist da entsprechend anspruchsvoll", erklärt Mirjam Nierste vom Essence-Anbieter Cosnova. Die Farbpalette der Lippenstifte, Rouges und Lidschatten von Essence lässt auf den ersten Blick keine Wünsche offen.

Dennoch enthält kein Farbton mehr Karminrot. Das Unternehmen hat CI 75470 durch eine Mischung von mineralischen und synthetischen Pigmenten ersetzt, berichtet Mirjam Nierste.

Damit waren aber – vor allem bei Lippenstiften – gewisse Abstriche verbunden: "Das Ersetzen von Karminrot ging vor allem mit dem Verzicht auf einige klassisch- leuchtende Rottöne einher." Denn kein anderes Pigment komme wirklich an Karmin heran.

Künstliche Farbstoffe in Naturkosmetik nicht erlaubt

In unserem Rouge-Test verzichtet immerhin die Hälfte der Produkte auf CI75470. Da aber auch andere tierische Inhaltsstoffe drin sein können, sind allerdings nur zwei Rouges als vegan ausgelobt. Die Rouges mit Naturkosmetik-Siegel enthalten hingegen alle Karminrot, denn dort ist der Verzicht noch schwerer.

Denn Naturkosmetik-Standards erlauben nur Pigmente pflanzlichen, mineralischen oder eben tierischen Ursprungs. Synthetische Farbstoffe fallen damit aus – also beispielsweise auch synthetisches Karmin (CI 16255), das zur Gruppe der allergieauslösenden Azo-Farben gehört.

Perfekter Ersatz für Karmin noch nicht gefunden

Bei der Marke Benecos ist man spezialisiert auf Schminke mit Naturkosmetik-Zertifizierung und bemüht sich seit geraumer Zeit um vegane Rezepturen. Doch auch Christina Velten von Benecos sagt: "Vor allem bei leuchtend roten Lippenprodukten ist es uns noch nicht gelungen, auf Karmin zu verzichten."

Immerhin hat es die Marke bereits geschafft, bei den Liquid Lipsticks fünf vegane Töne zu entwickeln. Bei Rouge, das sich eher in einer Rosa-Palette bewegt, seien von neun Farbtönen bereits sechs vegan. Gelungen ist das durch die Mischung mineralischer Pigmente – vor allem Eisenoxide, Ultramarin und Manganviolett.

Immer wieder ist auf einschlägigen Websites auch von Rot-Pigmenten pflanzlichen Ursprungs die Rede – Rote-Bete-Saft oder Farbstoff aus der Alkannawurzel etwa. Auch damit hat Benecos bereits experimentiert, setzt solche Farbstoffe aber derzeit nicht ein. "Das Problem ist, dass die Töne je nach Charge unterschiedlich ausfallen. Und sie reichen auch nicht an die Deckkraft von Karmin heran."

Mehr Verständnis für vegane Kosmetik nötig

Sabrina Engel von Peta findet es schade, dass Lippenstifte mit diesen Pflanzenfarbstoffen dem Markt nicht standhalten können. In ihren Augen müssen Verbraucherinnen mehr darüber informiert werden, falls mit veganer Schminke Abstriche in der Farbrange oder -deckkraft verbunden sind.

"Denn nur so kann ein Verständnis dafür wachsen." Und Frauen können sich bewusst für ein weniger starkes Leuchten entscheiden.

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