Daten zu CO₂-Ausstoß: Deutschland verfehlt Klimaziel

Autor: dpa / Redaktion (bw) | Kategorie: Freizeit und Technik | 15.03.2022

Deutschland verfehlt Klimaziel
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Nach der Coronapause 2020 ist der CO₂-Ausstoß in Deutschland wieder deutlich gestiegen: Der Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen war im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent höher als 2020. 

Deutschlands Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen ist nach vorläufigen Zahlen vergangenes Jahr um 4,5 Prozent gestiegen. Damit wurde das eigentlich schon für 2020 gesetzte Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgas-Ausstoß im Vergleich zu 1990 auch ein Jahr danach noch verfehlt. Die Emissionen sanken im langfristigen Vergleich lediglich um 38,7 Prozent. Dies geht aus Daten des Umweltbundesamtes sowie des Wirtschafts- und Klimaministeriums von Dienstag hervor.

Ressortchef Robert Habeck (Grüne) hatte das Verpassen des Ziels bereits Anfang des Jahres angekündigt. Die Zahlen sind noch vorläufig. Endgültige Werte wird es erst Anfang 2023 geben.

Insgesamt stieß Deutschland vergangenes Jahr 33 Millionen Tonnen mehr klimaschädliche Gase aus als im Jahr zuvor. "Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 ist fast zur Hälfte schon wieder verloren", beklagte Bundesamtschef Dirk Messner. "Unsere Zahlen zeigen deutlich, dass die Ziele der Bundesregierung schnellstens angegangen werden müssen." Ein Teil der niedrigeren Emissionen 2020 war nach früheren Angaben des Bundesamts der Corona-Pandemie zuzuschreiben, durch sinkende Mobilität und Produktionsrückgänge.

Ziel: bis 2045 Treibhausgas-neutral

Ziel ist, Deutschland bis 2045 Treibhausgas-neutral zu machen - bis dann müssen alle Treibhausgase vermieden oder wieder gebunden werden. Das Zwischenziel für 2030 sieht Einsparungen von 65 Prozent gegenüber 1990 vor. Dazu müssten die Emissionen jedes Jahr um 6 Prozent sinken, sagte Messner. "Seit 2010 waren es im Schnitt nicht einmal zwei Prozent." Die 20er Jahre seien das entscheidende Jahrzehnt. "Wenn wir diese Dekade verpassen, können wir unsere Klimaziele national und global nicht mehr in den Griff bekommen."

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP will den Ausbau erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne deutlich vorantreiben - auch unter dem Eindruck der Krise im Verhältnis zum wichtigsten Gaslieferanten Russland. Dazu zählte Klima-Staatssekretär Patrick Graichen auch das geplante Klimaschutz-Sofortprogramm.

Höhere Emissionen durch Abkehr von russischem Gas

Wenn Deutschland sich von russischen Gaslieferungen löst, wird sich dies kurzfristig negativ auf die Klimabilanz auswirken, weil stärker Kohle genutzt werden dürfte. "Kommt es kurzfristig zu mehr Emissionen? Das ist zu erwarten, ja", sagte Graichen mit Blick auf den Strommarkt. Gleichzeitig werde die Regierung aber bei Verkehr, Gebäuden und erneuerbaren Energien "massiv auf die Tube" drücken.

Insbesondere der Energiesektor verzeichnete laut Bundesamt einen Anstieg an Emissionen von 27 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Zur besseren Vergleichbarkeit werden andere Treibhausgase in CO2-Äquivalente umgerechnet, Maßstab ist ihr jeweiliger Beitrag zur Erderwärmung im Vergleich zu Kohlendioxid. Das Plus im Energiesektor ist demnach auf eine gestiegene Stromnachfrage sowie geringere Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zurückzuführen, unter anderem wegen wenig Wind und einer stärkeren Nutzung von Kohle.

Handlungsdruck vor allem bei Verkehr und Gebäuden

Die Sektoren Verkehr und Gebäude liegen über den festgelegten Emissionsmengen. Dort bestehe der "größte Handlungsdruck", sagte Graichen. Der Gebäudesektor verfehlte das Ziel bereits zum zweiten Mal. Messner forderte, Gebäude auf Wärmepumpen umzustellen. Zudem sollten keine Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden. Auch beim Energiesparen sei Luft nach oben, insbesondere durch Sanierungen.

Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, bezeichnete dies auch als soziale Frage: "Geringverdienende leben besonders häufig in Häusern mit schlechter Energieeffizienz und müssen einen erheblichen Anteil ihres Einkommens fürs Heizen ausgeben." Allerdings fehle am Bau häufig an Fachwissen.

Im Verkehr schlägt vor allem der Straßengüterverkehr zu Buche, der wieder leicht über dem Niveau vor Beginn der Corona-Pandemie liege. Der Pkw-Verkehr liege hingegen weiter darunter. Es brauche mehr Elektrofahrzeuge, erklärte Graichen. Zudem müssten der öffentliche Nahverkehr sowie der Rad- und Fußverkehr gestärkt werden.

Die Daten werden nun noch binnen eines Monats von einem Expertenrat geprüft. Dann kommt Arbeit auf Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) zu: Sie müssen binnen drei Monate Sofortprogramme vorlegen mit Vorschlägen, wie ihre Sektoren auf Kurs kommen. Geywitz sagte: "Was neu gebaut oder saniert wird, muss klimagerecht entstehen." Das Bundesverkehrsministerium erklärte, Ziel bleibe eine klimafreundliche und bezahlbare Mobilität.

Aktuelle Emissionsdaten im Einzelnen

Im Sektor Energiewirtschaft sind mit rund 27 Mio. Tonnen die größten Emissionssteigerungen in absoluten Zahlen zu verzeichnen – das entspricht 12,4 Prozent mehr als 2020.

Im Verkehr wurden im Jahr 2021 rund 148 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente ausgestoßen. Damit liegen die Treibhausgasemissionen dieses Sektors sowohl 1,2 Prozent über dem Wert von 2020, als auch rund 3 Mio. Tonnen über der im Bundesklimaschutzgesetz für 2021 zulässigen Jahresemissionsmenge von 145 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente.

Im Sektor Industrie stiegen die Emissionen gegenüber dem Vorjahr um gut 9 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente an (plus 5,5 Prozent). 

Im Gebäudebereich kam es 2021 zu einer Emissionsminderung von knapp 4 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalenten (minus 3,3 Prozent) auf rund 115 Mio. 

Im Sektor Landwirtschaft gingen die Treibhausgasemissionen um gut 1,2 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente (minus 2,0 Prozent) auf 61 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente zurück. Der Sektor bleibt damit deutlich unter der für 2021 im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von 68 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalenten.

Die Emissionen des Abfallsektors sanken gegenüber dem Vorjahr um rund 4,3 Prozent auf gut acht Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente. Damit bleibt der Abfallsektor erneut unter der im Bundes-Klimaschutzgesetz festgelegten Jahresemissionsmenge von neun Mio. Tonnen CO₂-Äquivalenten. 

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