Wann macht ein Corona-Antikörpertest Sinn?

Autor: Benita Wintermantel | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 18.01.2022

Wann und für wen ist ein Corona-Antikörpertest sinnvoll?
Foto: Shutterstock / Cryptographer

Die zunehmende Anzahl der Impfdurchbrüche verunsichert. Wenn die Impfung gegen Covid-19 oder eine durchgemachte Erkrankung schon einige Zeit her ist, möchten deshalb viele wissen, ob sie noch genügend Antikörper haben und sie vor einer Corona-Infektion geschützt sind. Kann ein Antikörpertest helfen? Fragen und Antworten rund um den Corona-Antikörpertest.

Zunehmend infizieren sich vollständig geimpfte Menschen mit dem Corona-Virus. Zwar schützen die Corona-Impfstoffe allesamt gut gegen einen schweren Verlauf, aber auch unter Geimpften kann es zu Infektionen kommen.

Wenn die Impfung gegen Covid-19 schon einige Monate zurückliegt, werden die Antikörper weniger, der Antikörpertiter sinkt. Derzeit wächst bei vielen Menschen, bei denen die Immunisierung schon eine Weile her ist, die Angst vor einem sogenannten Impfdurchbruch.

Sollte ich vor der Booster-Impfung einen Antikörpertest machen?

Eine Corona-Auffrischungsimpfung soll den abnehmenden Impfschutz erhöhen. Aktuell (Stand 13. Januar 2022) empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Booster-Impfung nicht nur allen Erwachsenen, sondern auch Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren.

>> Zum Weiterlesen: Dritte Corona-Impfung: Für wen ist die Booster-Impfung wichtig und empfohlen?

Die Auffrischung mit einem mRNA-Impfstoff soll frühestens drei Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung erfolgen, unabhängig davon, welcher Impfstoff zuvor verwendet wurde.

Die drastisch steigenden Infektionszahlen der vierten Coronawelle sorgen für Unsicherheit, viele Menschen machen sich Gedanken über ihren Antikörperstatus: Habe ich ausreichend Antikörper, um vor einer Infektion geschützt zu sein? Sollte ich mich schon "boostern" lassen – oder lieber noch etwas warten?

Ist ein Antikörpertest vor der Booster-Impfung sinnvoll?

Die Idee, mit Hilfe eines Corona-Antikörpertests mehr über die eigene Immunität zu erfahren, klingt verlockend: Über ein paar Tropfen Blut einfach und schnell den Antikörperstatus testen und überprüfen, ob der Impfschutz noch ausreicht. Doch so einfach ist es nicht, warnen Experten. 

Auf die Frage, ob ein Corona-Antikörpertest vor der Booster-Impfung erforderlich sei, antwortet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit "nein". Grund dafür sei, dass der Nachweis von Antikörpern und auch deren Höhe bezüglich des vorliegenden Immunschutzes allein nicht aussagekräftig sei. Und auch das Robert Koch-Institut (RKI) hat eine klare Botschaft: Es sei nicht empfohlen, vor der Auffrischungsimpfung einen Antikörpertest zu machen, um zu prüfen, ob weiterhin Schutz vor Covid-19 bestehe. 

(Foto: Twitter-Tweet RKI)

"Fehlende Antikörper sind kein Hinweis für das Fehlen einer Immunreaktion. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Genesene ohne nachweisbare Antikörper sehr wohl einen Schutz gegen das Virus durch aktive sogenannte T-Zellen haben", so das BMG.

Auch das Gros der Mediziner sieht die Antikörpertests skeptisch. So weist der Bayerische Hausärzteverband e.V. darauf hin, dass die Tests derzeit noch mit einer "großen Unsicherheit verbunden" seien.

Carsten Watzl, Leiter des Forschungsbereichs Immunologie im Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund, erklärt, dass zwar wenige Antikörper nicht automatisch einen fehlenden Schutz bedeuten, ein Mensch mit einem hohen Antikörperspiegel aber wahrscheinlich gut gegen das Coronavirus geschützt sei (Quelle: Deutsche Welle): "Viel hilft viel - das würde ich schon unterstreichen. Wo der Grenzwert liegt, ist aktuell noch nicht sicher und ab welchem Wert man wirklich geschützt ist. Aber da werden wir noch hinkommen."

Das Robert Koch-Institut (RKI) hält es nicht für empfohlen, vor der Booster-Impfung einen Antikörpertest zu machen. Man wisse noch nicht genau, ab welchem Antikörperwert ein ausreichender Schutz bestehe.

Endgültige Gewissheit über den Immunschutz können Antikörpertests nicht liefern.
Endgültige Gewissheit über den Immunschutz können Antikörpertests nicht liefern. (Foto: Shutterstock / Corona Borealis Studio)

Corona-Antikörpertest: Das sollten Sie wissen

  • Die Antikörperkonzentration kann von Mensch zu Mensch stark variieren. Auch eine niedrige Konzentration kann ausreichen, um vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen.
  • Im Umkehrschluss bedeutet eine höhere Konzentration von Antikörpern nicht automatisch einen besseren Schutz vor einer Infektion.
  • Und auch wenn derzeit die Antikörperkonzentration hoch ist, lässt dieser Wert keine Schätzung zu, wie schnell er abfällt.
  • Bislang gibt es keinen allgemein gültigen Schwellenwert, der besagt, ab welchem Titer (Maß für die Anzahl der Antikörper im Blut) das Immunsystem stark genug ist, um eine Infektion zu verhindern.
  • Antikörper sind nur eine Komponente bei der Immunantwort. Auch die B-Gedächtniszellen und die T-Zellen spielen  eine wichtige Rolle. Über deren Aktivität kann der Antikörpertest jedoch keine Aussage machen.
  • Ein Antikörpertest ist – wenn überhaupt – erst vier Wochen nach einer überstandenen Infektion oder Impfung sinnvoll.

Falsch positiv: Antikörpertest zeigt auch andere Antikörper an

Ein Problem, auf das Christian Drosten von der Berliner Charité in seinem Podcast aufmerksam macht: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Tests nicht nur auf Antikörper gegen Sars-CoV-2 reagieren, sondern auch auf andere Erreger aus der Familie der Coronaviren.

Diese meist harmlosen Erkältungs-Coronaviren sind für fünf bis fünfzehn Prozent der Erkältungserkrankungen verantwortlich. Es kann also passieren, dass ein Antikörper-Test nur Antikörper für Erkältungs-Coronaviren nachweist, nicht aber für SARS-CoV-2.

"Man muss vorsichtig sein mit der Interpretation eines solchen Tests. Gerade die falschen positiven Tests sind gefährlich. Das heißt, wenn der Test mir anzeigt, ich habe Antikörper und ich glaube, ich bin geschützt, ich kann jetzt wieder alles machen. Das stimmt aber gar nicht, weil das Antikörper sind, die ich schon vor fünf Jahren hatte gegen irgendein anderes ähnliches Coronavirus", erklärt Ulrike Protzer, Virologin am Helmholtz Zentrum München.

Antikörpertests, die im Labor ausgewertet werden, liefern zuverlässigere Ergebnisse als Schnelltests.
Antikörpertests, die im Labor ausgewertet werden, liefern zuverlässigere Ergebnisse als Schnelltests. (Foto: Shutterstock / Bihlmayer Fotografie)

Wann ist der Antikörpertest sinnvoll?

Die Stiko empfiehlt bei den Covid-19-Impfungen keine generelle vorherige Prüfung des Impferfolgs, weder nach der ersten, noch nach der zweiten Impfstoffdosis. Eine Ausnahme seien aber "bestimmte Patient:innen mit Immundefizienz und einer erwartbar stark verminderten Impfantwort".

Antikörper-Labortests können außerdem für Gewissheit sorgen, wenn jemand wissen möchte, ob er sich infiziert hat, es aber nicht bemerkt hat, weil er oder sie keine oder nur leichte Symptome hatte. Auch bei asymptomatischen Krankheitsverläufen bildet der Körper Antikörper, die sich noch mehrere Monate später im Blut nachweisen lassen. Eine aktuelle Infektion lässt sich dagegen nur mit einem PCR-Test zuverlässig diagnostizieren.

Was ist ein Antikörpertest?

  • Beim Antikörpertest wird nicht das Virus selbst, sondern Antikörper gegen das Virus nachgewiesen. Für den Nachweis einer aktuellen Infektion ist ein Antikörpertest nicht geeignet.
  • Antikörper sind nach einer durchgemachten Erkrankung oder nach einer Impfung gegen das Coronavirus nachweisbar.
  • Der Antikörpertest erfolgt über eine Blutuntersuchung und sollte frühestens vier Wochen nach einer Infektion durchgeführt werden. 

Mittlerweile gibt es ein umfangreiches Angebot an Antikörpertests. Zur Auswahl stehen Schnelltests und Labortests.

Welche Antikörpertests gibt es?

Schnelltests für zu Hause: Bei den Testkits für daheim genügen einige Tropfen Blut aus dem Finger. Das Ergebnis besteht lediglich aus der Aussage "Antikörper ja/nein", über die Menge der Antikörper wird keine Angabe gemacht. Getestet wird nach den eher unspezifischen IgA- und IgM-Antikörpern. Das Ergebnis ist nach 20 bis 30 Minuten ablesbar.

Selbsttest (Labortest) für zu Hause: Auch hier wird Blut aus der Fingerkuppe für die Analyse untersucht. Die Blutprobe wird allerdings an ein Labor geschickt und dort auf IgG-Antikörper untersucht.

Labortest beim Arzt: Beim Antikörpertest beim Hausarzt wird Blut aus der Vene entnommen und im Labor analysiert. Unterschieden wird zwischen qualitativen Tests (Antikörper ja/nein) und quantitativen (Aussage über Antikörperkonzentration). Tests, bei denen die sogenannten IgG-Antikörper getestet werden, liefern genauere Ergebnisse.

Das RKI rät: "Bei der Bestimmung spezifischer Antikörper sollten bevorzugt quantitative Tests mit hoher Spezifität für SARS-CoV-2 zur Anwendung kommen. IgG-Antikörper sind hinsichtlich ihrer Spezifität und Aussagekraft dem Nachweis von Gesamt-AK (IgA, IgG und IgM) eindeutig überlegen."

Weiter heißt es beim RKI: "Schnelltests zum Nachweis von Antikörpern stellen aufgrund von zum Teil geringer Sensitivität, Spezifität und des qualitativen Formats kein geeignetes Mittel dar".  

Auch das Ärzteblatt bezeichnet die Zuverlässigkeit der kommerziell verfügbaren Tests als "fraglich".

Hinweis: Mehr über die verschiedenen Antikörper (IgA, IgM und IgG) erfahren Sie bei IMD Labor Berlin.

Was sagt einem das Ergebnis eines Antikörpertests?

Bei einem Antikörpertest werden laut Andreas Bobrowski, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte, in der Regel die sogenannten Anti-Spike-Antikörper (IgG) geprüft, die sich in Folge der Impfung bilden. Wichtig ist, dass so ein Test aussagekräftige und vergleichbare Ergebnisse ergibt. Das geschieht mit einem Standard der Weltgesundheitsorganisation WHO, der in BAU/ml angegeben wird (BAU = Binding Antibody Units).

Sichere Grenzwerte, ab welchem BAU/ml-Wert man noch als geschützt gilt, gibt es aber eben keine. Man kenne sie (noch) nicht, schreibt Watzl auf Twitter. Die Frage, ob man vor der Booster-Impfung die Antikörper bestimmen müsse, beantwortet er wie das RKI: "Nein."

Schätzungen zu den Grenzwerten gibt es aber bereits: Mit Blick auf Daten seines Labors und unter anderem aus Israel sagt etwa Bobrowski: Unter einem Wert von 21,8 BAU/ml sei kein messbarer Schutz durch Anti-Spike-Antikörper gegeben. Darüber folge jedoch ein großer Graubereich, wo man noch nicht so richtig wisse, wann der Schutz ausreichend gut ist.

"Nach meiner Einschätzung ist ein Wert von 500 so hoch, dass man nicht sofort eine Drittimpfung benötigt", so der Laborarzt. Bei allem über 1000 BAU/ml könne man von einem guten Schutz sprechen. Das deckt sich mit dem, was Carsten Watzl auf Twitter nach einem Blick auf die Studienlage zum Thema schreibt: "Antikörperwerte über 1000 BAU/ml scheinen mit recht gutem Schutz vor symptomatischer Infektion zu korrelieren." Korrelieren meint: In Beziehung stehen.

Was kosten die Antikörpertests?

  • Labortest beim Arzt: ca. 20 bis 70 Euro
  • Testkit für zuhause: ca. 40 Euro
  • Labortest für zu Hause: ca. 70 Euro

Wenn ein Arzt entscheidet, dass ein Antikörpertest medizinisch notwendig ist, werden die Kosten über die Krankenkasse abgerechnet. Einen Antikörper-Test zur Prüfung der Immunität bezahlen die Krankenkassen nicht.

Was ist ein Antikörpertest NICHT?

Immunologische Befunde in Form eines Sars-CoV-2-Antikörpertests beinhalten keinen Anspruch auf einen "Immunitätsnachweis", der Getestete mit Geimpften oder Genesenen (hierfür ist die Vorlage des positiven PCR-Tests notwendig) gleichstellt. 

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