Elektroautos: Das steckt hinter dem Tarifchaos an den Ladesäulen

Spezial: Umwelt und Energie | Autor: Volker Lehmkuhl | Kategorie: Freizeit und Technik | 31.10.2021

An welcher Ladestation das E-Auto geladen wird, sollte vorab gut durchdacht sein.
Foto: Scharfsinn/Shutterstock

E-Auto-Fahrer haben es nicht leicht: Die Vielzahl an Anbietern, Tarifen und Ladekarten macht es schwer, den Überblick über die Kosten zu behalten. Um bei der Abrechnung keine böse Überraschung zu erleben, gilt es einiges zu beachten.

Rein in die Tanke, Deckel auf, die Treibstoffsorte wählen und los geht’s. So einfach gestaltet sich der Energiebezug beim Auto mit Verbrennermotor. Zudem weiß man schon vorher, welche Kosten anfallen. Denn der aktuelle Preis pro Liter Sprit steht auf einer weithin sichtbaren Anzeige am Straßenrand und dann noch einmal an der Zapfsäule.

Apps auf dem Smartphone zeigen, wo man gerade am günstigsten tankt. Grundgebühren für die Benutzung der Tankstelle oder Kosten fürs Abstellen des Autos? Wer kommt denn auf so eine Idee? Ganz anders beim E-Auto.

Zwar steigt die Zahl der Ladepunkte, gleichzeitig aber auch die Verwirrung. Abgesehen von Steckervielfalt, Problemen beim Freischalten und ungewissen Ladegeschwindigkeiten sorgen vor allem die Stromtarife fürs Laden unterwegs für Frust.

Tarife vorher ausgiebig vergleichen

Nahezu wöchentlich erscheinen neue Anbieter von Ladekarten auf dem Markt. Deren Preismodelle sind oft alles andere als transparent. "Im Moment ist das ein Dschungel aus den Betreibern von Ladestationen, den Anbietern von Ladekarten und Tarifen sowie dem Roaming, wenn man mit seiner Ladekarte an der Säule eines anderen Anbieters lädt", sagt Louis-F. Stahl, Chefredakteur der Energiedepesche.

Die Mitgliederzeitschrift des Bundes der Energieverbraucher versucht schon lange, ihren Lesern einen Weg durch das Dickicht zu weisen.

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E-Auto-Fahrer sollten stets über die aktuellen Ladetarife informiert sein.
E-Auto-Fahrer sollten stets über die aktuellen Ladetarife informiert sein. (Foto: Monkey Business Images/Shutterstock)

Abrechnungen für Ladekosten dokumentieren

"Je nach Ladekarte und Tarif kostet eine Kilowattstunde Strom unterwegs zwischen 29 und 109 Cent", sagt Stahl. Ohne genaues Studium des Kleingedruckten und der tagesaktuellen Tarife seien negative Überraschungen vorprogrammiert.

Denn die Abrechnung komme nicht selten erst Wochen später. Wer nicht genau Buch führt, habe so gut wie keine Chance, die Rechnungen später nachvollziehen zu können. Selbst mit ein und derselben Karte zapft man zu unterschiedlichen Preisen. Schnellladen ist generell teurer als eine Standardladung mit Wechselstrom.

Für eine "Tankfüllung" steht das Auto dabei je nach Batteriekapazität und Ladezustand vier bis sechs Stunden an der Säule. Mit Gleichstrom geht es schneller, je nach Batteriezustand und Ladeequipment versprechen die Autohersteller nach 45 Minuten einen zu 80 Prozent vollen Akku.

Ladestation nicht zu lange blockieren

Doch wer lange lädt oder die Zeit für einen ausgedehnten Einkaufsbummel nutzt, zahlt oft zusätzlich. In vielen Tarifen kommt eine Strafgebühr fürs Blockieren des Ladepunkts dazu, häufig ab vier Stunden. Das kostet dann zum Beispiel zehn Cent pro Minute. Da ist es ein schwacher Trost, wenn die Maximalgebühr auf zwölf Euro gedeckelt ist.

"Immerhin stellen die Anbieter nach und nach auf einen Preis pro Kilowattstunde um", sagt Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW. "Modelle, wonach das Laden pro Stunde bezahlt wird, ohne dass klar ist, wie viel Strom fließt, werden auch durch entsprechende Vorschriften verschwinden."

Auch Abrechnungen pro Ladevorgang wird es zukünftig nicht mehr geben. "Hier ist unklar, wie teuer die einzelne Kilowattstunde ist. Zudem sind sie unvorteilhaft, wenn der Ladevorgang aufgrund technischer Probleme erneut gestartet werden muss", betont Wallraf.

Bundeskartellamt überprüft Ladepreise

In vielen Regionen oder Großstädten dominiert ein einziger Anbieter, häufig sind es die regionalen Stadtwerke. Zum Teil mehr als 80 Prozent der Ladepunkte vor Ort gehören dann dem lokalen Platzhirsch. Das kann gut sein bei einem fairen Tarif, muss es aber nicht.

Unabhängige Anbieter wie der Energieversorger Lichtblick beklagen bereits regionale Monopole. Im Endeffekt werde dadurch der Ladestrom deutlich teurer als der Strom für Haushalte.

Diese Gefahr sieht offensichtlich auch das Bundeskartellamt. Im Juli hat die zuständige Behörde eine sogenannte Sektoruntersuchung angekündigt. Diese soll die Bedingungen auf dem bislang unregulierten Markt für Ladestrom durchleuchten.

Aufgepasst beim Einkaufsbummel: Wer zu lange mit seinem E-Auto den Ladeplatz blockiert, muss mit einer Geldstrafe rechnen.
Aufgepasst beim Einkaufsbummel: Wer zu lange mit seinem E-Auto den Ladeplatz blockiert, muss mit einer Geldstrafe rechnen. (Foto: Copenhagen Stock/Shutterstock)

Kostenlose Lademöglichkeiten gibt es weiterhin

Das andere Extrem gibt es auch: Denn nach wie vor kann man kostenlos laden. "Das machen einige Supermärkte oder Möbelhäuser als Werbemaßnahme", weiß Christina Wallraf. Zahlreiche Angebote aus den Pionierjahren wandeln sich aber zur Bezahlvariante. Insgesamt stellt die Expertin allerdings eher steigende Preise fest.

Hochpreisig ist auch das Laden, wenn eine Ladesäule nicht zum Netzwerk des Kartenanbieters gehört oder es eben besonders schnell gehen soll. So haftet dem Strombezug an den Schnellladern des Anbieters Ionity, eines Gemeinschaftsunternehmens mehrerer Autohersteller, durchaus ein Hauch von Luxus an, betrachtet man den Preis für Fremdnutzer von bis zu 79 Cent pro Kilowattstunde.

Wann welcher Tarif gilt und welche Zusatzkosten entstehen, ist beim sogenannten Roaming kaum auszumachen.

Klare Preisanzeigen an den Säulen gefordert

Louis-F. Stahl vom Bund der Energieverbraucher sieht hier den Gesetzgeber in der Pflicht. "Bei den Ladekarten handelt es sich letztlich nur um eine Art Zahlungsmittel wie eine Girocard oder eine Kreditkarte – nur mit einem für Verbraucher schwer zu durchdringenden Preismodell. Aus diesem Grund sprechen wir uns schon länger für ein Verbot des Ladekartenwahnsinns sowie für eine Pflicht zur Akzeptanz gängiger Zahlungsmittel durch die Ladestationsbetreiber und klare Preisanzeigen an den Ladesäulen aus. Beim Mobilfunk werden Verbraucher seit vielen Jahren vor unberechenbaren Roamingfallen in der gesamten EU geschützt. Es ist nicht begreiflich, warum der Gesetzgeber es zugelassen hat, dass sich diese strukturelle Roamingabzocke im Autostrommarkt zulasten der Verbraucher wiederholt", sagt er.

Ladestationen am schnellsten per App suchen

Wer kein Smartphone besitzt oder damit schlecht zurechtkommt, ist beim elektrischen Fahren ziemlich außen vor. Die nächste Ladesäule findet man am besten per App, auch das Anmelden an der Ladesäule geht mit dem Taschencomputer im Idealfall einfach.

Zwar gibt es zusätzlich Ladekarten, aber auch die gelten nur für den jeweiligen Anbieter und seine Netzwerkpartner. Und die ganz einfache Lösung wie an der Benzintankstelle lässt auf sich warten.

Die nächste Ladestation lässt sich am einfachsten per App finden.
Die nächste Ladestation lässt sich am einfachsten per App finden. (Foto: Scharfsinn/Shutterstock)

Keine Pflicht für neues Kartenterminal

Zwar hat das Bundeskabinett im Mai 2021 die Ladesäulenverordnung erneuert. Darin steht, dass jede Ladesäule über ein Kartenterminal für EC- und Kreditkarten verfügen muss. Doch die Regelung gilt nur für neue Stromzapfstellen und erst ab Juli 2023. Bis dahin aufgestellte Ladesäulen müssen nicht nachgerüstet werden. Es bleibt also unübersichtlich.

Für viele E-Autofahrer ist der Abschied vom Verbrenner auch eine Frage des Klimaschutzes. Mit Öko-Strom geladen, hat ein E-Auto meist ökologische Vorteile gegenüber fossilen Antriebsformen. Für die Wallbox zu Hause hat man das selbst in der Hand, für die staatliche Förderung einer Ladestation ist ein Ökostromtarif Vorschrift.

Zertifikate für Ökostrom nur selten hochwertig

Die meisten Ladesäulenbetreiber füttern ihre Zapfstellen mit grünem Strom. Allerdings gilt dieses Versprechen nicht beim Laden über Netzwerkpartner. Wobei der Ökostrom für Ladesäulen keinen besonderen Anforderungen genügen muss und nur selten über hochwertige Zertifikate wie das Grüner Strom Label oder Ok-Power plus verfügt. Diese gewährleisten unter anderem einen gewissen Zubau an neuen Kapazitäten.

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