Viele Nagellackentferner "sehr gut" – Warum trotzdem Vorsicht geboten ist

Magazin Juli 2021: Mineralwasser | Autor: Jörg Döbereiner/Lena Wenzel | Kategorie: Kosmetik und Mode | 24.06.2021

Nagellackentferner im Test: Welche Marken überzeugen?
Foto: ÖKO-TEST

Die meisten Nagellackentferner im Test können wir empfehlen. Aber: Sie entfetten Nägel und Haut –  und in einigen wies das Labor Schadstoffe nach, die wir aus gesundheitlichen Gründen kritisieren.  

  • Nagellackentferner entfetten Nägel und Haut, deshalb besser sparsam einsetzen. Raum nach der Anwendung gut lüften.  
  • Produkte mit Aceton sehen wir nicht kritischer als acetonfreie. An Kunstnägel aus Acryl gelangt aber besser kein Aceton. Es kann Acrylnägel angreifen.
  • Viele Nagellackentferner im Test schneiden "sehr gut" ab, wir sind aber vereinzelt auch auf Problemstoffe gestoßen. 

Dieses Testergebnis ist erklärungsbedürftig: Viele der Nagellackentferner im Test schneiden "sehr gut" ab, darunter drei mit Aceton. Gleichzeitig raten wir dazu, all diese Produkte vorsichtig zu verwenden, bloß nicht zu oft. Und bitte währenddessen für genügend frische Luft sorgen. Wie passt das zusammen?

Klar ist: Nagellackentferner müssen Lösemittel enthalten, um den Lack vom Nagel zu lösen. Hier ist eine gewisse Aggressivität erwünscht – sonst bliebe der Lack, wo er ist. Allerdings machen diese Mittel beim Lack leider nicht Halt, sie greifen auch die Haut an.

Das Problem mit Lösemitteln in Nagellackentfernern 

In der Vergangenheit wurde bevorzugt Aceton als Lösemittel eingesetzt, während inzwischen viele Nagellackentferner als "acetonfrei" ausgelobt sind. Aceton greift die Haut an, indem es ihr Fett entzieht. Das gilt allerdings auch für andere Lösemittel wie Ethylacetat und Alkohol, die wichtigsten Wirkstoffe in acetonfreien Nagellackentfernern.

Ethyllactat, eingesetzt in Naturkosmetika, kann Hautreizungen verursachen. Es gilt also, Hautkontakt möglichst zu vermeiden. Das gilt auch für das Einatmen der Lösemittel. Insbesondere Aceton und Ethylacetat, die schnell verdunsten, können die Atemwege reizen und benommen oder schwindelig machen. Darüber hinaus sind alle genannten Lösemittel leicht entflammbar.

Nagellackentferner im Test: Wir haben 20 Produkte überprüft.
Nagellackentferner im Test: Wir haben 20 Produkte überprüft. (Foto: ADragan/Shutterstock)

Die Unterschiede zwischen den eingesetzten Lösemitteln sind aus unserer Sicht nicht so groß, dass dies eine unterschiedliche Bewertung zur Folge haben müsste. Weil sich der Lack ohne Lösemittel nicht entfernen lässt, werten wir die Stoffe nicht ab.  

Aceton in "acetonfreien" Nagellackentfernern im Test 

Trotzdem gilt natürlich: Wenn ein Produkt als "acetonfrei" ausgelobt ist, sollte Aceton nicht klar nachweisbar sein. Bei drei Produkten bemängeln wir die im Labor analysierten Acetongehalte. 

Was ist ansonsten im Nagellackentferner-Test aufgefallen? Auf keiner Verpackung finden sich hochumstrittene Lösemittel deklariert, zum Beispiel Toluol. Es steht im Verdacht, die Fortpflanzung zu gefährden. Wir haben die Nagellackentferner im Labor auf Toluol und weitere problematische Lösemittel prüfen lassen.

Von 20 Produkten im Test enthielt nur ein Produkt nennenswerte Mengen an Toluol. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Verunreinigung. Positiv: In den anderen 19 Nagellackentfernern wies das Labor keine weiteren bedenklichen Lösemittel nach. Auch nicht das giftige und krebserzeugende Benzol, das in der Vergangenheit eine Rolle spielte.

Jetzt alle Testergebnisse als ePaper kaufen

Kritik an Duftstoff in Nagellackentferner im Test 

Wie steht es um die Duftstoffe in Nagellackentfernern? Den Geruch von Lösemitteln empfinden viele Menschen als unangenehm. Um ihre Produkte attraktiver zu machen, setzen die meisten Hersteller Parfüm oder ätherische Öle ein. Manche Duftstoffe können allerdings Allergien auslösen.

Anlass zur Kritik gibt nur ein Nagellackentferner im Test. Er enthält den polyzyklischen Moschusduft Galaxolid (HHCB). Dieser reichert sich im menschlichen Fettgewebe an und ist gewässergefährdend.

(Foto: ÖKO-TEST )

Bedenkliche Weichmacher verhageln Testergebnis 

Schließlich tauchte in der Laboranalyse auch eine altbekannte Stoffgruppe auf: Phthalate – das sind Weichmacher. Drei besonders bedenkliche Phthalate summieren sich in einem Nagellackentferner derart, dass wir das Produkt nur mit "mangelhaft" beurteilen.

Es handelt sich um Dibutylphthalat (DBP), Diethylhexylphthalat (DEHP) und Diisobutylphthalat (DIBP). Sie sind aufgrund ihrer fortpflanzungsgefährdenden Eigenschaften besonders streng geregelt. Laut Anbieter stammen die Phthalate aus der Plastikverpackung, die Gehalte seien technisch unvermeidbar. Wie wäre es mit einer anderen Verpackung? Andere Anbieter schaffen es auch.  

Nagellackentferner – mit oder ohne Aceton? 

Diese Frage ist aus dermatologischer Sicht eher zweitrangig, wie Dr. Christoph Liebich erklärt, niedergelassener Dermatologe in München: "Egal ob Aceton oder Ethylacetat: Alle Nagellackentferner enthalten Lösungsmittel und schädigen die Haut."

Der Grund: Sie entfetten sie und verringern so ihren Schutz gegen Krankheitserreger wie Pilze und Bakterien. "Wer Nagellackentferner benutzt, hat deshalb ein höheres Risiko, sich eine Infektion im Nagelbereich zu holen", sagt der Mediziner.

Damit Haut und Nägel möglichst schnell wieder Fett zurückerhalten, rät Christoph Liebich zu einer Extraportion Nagelpflege, nachdem der Nagellack entfernt ist. Etwas Jojoba- oder Olivenöl einmassieren hilft. Liebich empfiehlt, mit dem Lackieren und Entfernen auch mal eine Pause zu machen, damit sich Haut und Nägel erholen können.  

Die Testsieger, die Testtabelle sowie das gesamte Ergebnis im Detail lesen Sie im ePaper.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 20 Nagellackentferner eingekauft. Drei Hersteller deklarieren auf den Verpackungen Aceton, der Rest ist als acetonfrei ausgelobt. Vier Produkte sind als Naturkosmetika zertifiziert.

100 Milliliter des teuersten Mittels kosten rund zehn Euro, für die gleiche Menge des günstigsten bezahlten wir knapp 40 Cent. Wir ließen alle Produkte im Labor auf bedenkliche Restlösemittel analysieren. Uns interessierte zudem, ob sie allergieauslösende Duftstoffe oder problematische Moschusverbindungen enthalten. Ein weiteres Labor untersuchte auf Phthalate, von denen manche im Verdacht stehen, die Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen. Außerdem ließen wir die Mittel auf halogenorganische Verbindungen prüfen – eine Gruppe von Stoffen, von denen viele als allergieauslösend gelten. Wir nahmen auch die Deklarationen unter die Lupe, und wir ließen die Verpackungen auf chlorierte Verbindungen untersuchen.

Wie gut ein Entferner wirkt, hängt unter anderem vom verwendeten Nagellack ab, auch deshalb haben wir auf einen Praxistest verzichtet. Für problematische Phthalate, Lösemittel oder Duftstoffe gibt es Notenabzüge unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Mängel in der Deklaration und chlorierte Verbindungen in der Verpackung bewerten wir unter dem Testergebnis Weitere Mängel.

Bewertungslegende 

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um vier Noten: mehr als 10 mg/kg gesetzlich reglementierter Phthalate (hier: Summe aus Dibutyl-, Diisobutyl- und Diethylhexylphthalat). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) halogenorganische Verbindungen; b) mehr als 10 mg/kg Toluol; c) mehr als 10 mg/kg polyzyklische Moschusverbindungen (hier: Galaxolid/HHCB; in der Tabelle: künstlicher Moschusduft); d) der bedenkliche UV-Filter Benzophenon-1. Zur Abwertung um eine Note führt: mehr als 10 mg/kg Diisononylphthalat.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) Produkt deklariert, frei von Aceton zu sein, enthält aber mehr als 100 mg/kg Aceton.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht. Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir die von den Herstellern versprochenen Wirkungen der Produkte nicht überprüft haben.

Testmethoden 

Testmethoden (je nach Zusammensetzung der Produkte): PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse. Aceton und weitere Restlösemittel: Lösen in DMF, HS. GC-FID. Ggf. zusätzliche Bestimmung durch MSD-Messung. Deklarationspflichtige Duftstoffe, Diethylphthalat, Moschusverbindungen, Cashmeran: Extraktion mit TBME, GC-MS. Weitere Phthalate: GC-MSD. Halogenorganische Verbindungen: a) Heißwasserextraktion, Zentrifugation und Membranfiltration, Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. b) Extraktion mit Essigester, Verbrennung des Extrakts im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Weitere Verbindungen: per Deklaration.

Einkauf der Testprodukte: März und April 2021

Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.