Senf im Test: Alnatura-Senf ist Testschlusslicht

Magazin Mai 2024: Cornflakes | Autor: Birgit Hinsch/Sarah Becker/Julia Dibiasi/Cordula Posdorf | Kategorie: Essen und Trinken | 25.04.2024

Senf im Test: Alnatura-Senf ist Schlusslicht.
Foto: ÖKO-TEST

Senf versüßt – besser: verschärft – den Sommer. Er schmeckt prima in Salatdressings und zu allen Arten von Grillgut. Eine gute Nachricht: Rund zwei Drittel der mittelscharfen Senfe in unserem Test sind empfehlenswert. Schlusslicht ist der Alnatura Mittelscharfer Senf. Die Gründe: Bisphenol F und Erucasäure.

  • Im Test: 23 mittelscharfe Senfe, darunter acht Bio-Produkte.
  • Zwei "sehr gute" Produkte gibt es bereits für 45 Cent pro 250 Gramm.
  • In der Kritik: Funde von Bisphenol F und dem Unkrautvernichter Glyphosat.
  • Erfreulich: In keinem der Bio-Senfe wies das Labor Glyphosat nach. Einige der Bio-Senfsaaten stammen zudem, im Gegensatz zu den konventionellen, aus Deutschland.

Ganze 774 Gramm – so viel Senf hat jede und jeder Deutsche im Durchschnitt 2022 gegessen. Aber was steckt drin im Senf – also außer Senfkörnern? Das wollten wir genau wissen und haben deswegen 23 mittelscharfe Senfe ins Labor geschickt.

Senf im Test: Acht erhalten die Bestnote 

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Acht Produkte schneiden mit "sehr gut" ab, darunter auch zwei günstige Eigenmarken:

  • Byodo Mittelscharfer Senf
  • Campo Verde Feiner Senf Mittelscharf, Demeter
  • Löwensenf Bio Mittelscharf mild
  • Münchner Kindl Mittelscharfer Senf, Bioland
  • Delikato Delikatess Senf Mittelscharf
  • Händlmaier Mittelscharfer Senf
  • K- Classic Delikatess Senf Mittelscharf
  • Kühne Mittelscharfer Senf fein würzig

Und: Nur ein einziges Produkt fällt durch: der Alnatura Mittelscharfer Senf. Das von uns beaufragte Labor hat darin sowohl Bisphenol F als auch Erucasäure in aus unserer Sicht erhöhter Konzentration nachgewiesen. Unser Urteil: "mangelhaft".

>> Die detaillierten Testergebnisse lesen Sie ganz unten in der Produktbox

Senf schmeckt in Salatdressings und auch zu Fleisch.
Senf schmeckt in Salatdressings und auch zu Fleisch. (Foto: nadianb/Shutterstock)

Was ist überhaupt Bisphenol F?

Ist Bisphenol F das Gleiche wie die bekannte Massenchemikalie Bisphenol A (BPA)? Nicht ganz. Aber es ähnelt ihm in seiner chemischen Struktur.

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) sieht für Bisphenol F (BPF) die Kriterien für eine hormonelle Wirkung in der Umwelt erfüllt – vor allem belegt durch Studien an Fischen. Im Gegensatz zu BPA, bei dem der Verdacht naheliegt, dass es nicht nur hormonschädlich wirkt, sondern auch das menschliche Immunsystem beeinträchtigt, fehlen für BPF jedoch wichtige Daten, um dessen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit einschätzen zu können.

So bewertet ÖKO-TEST Bisphenol F

Deshalb fehlt bisher auch ein entsprechender TDI – also eine Mengenangabe, wie viel BPF ein Mensch täglich aufnehmen kann, ohne gesundheitliche Risiken befürchten zu müssen – auf europäischer Ebene. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) befürwortet deswegen, den 2023 vom BfR herausgegebenen TDI für BPA für die gesundheitliche Bewertung heranzuziehen – was wir tun.

Da es sich hierbei lediglich um eine Annäherung handelt, werten wir nur ab, wenn der TDI tatsächlich zu mehr als 100 Prozent ausgeschöpft wird und ziehen moderate zwei statt den üblichen vier Noten ab. Das betrifft bei einer angenommenen Verzehrmenge von 10 Gramm pro Tag bezogen auf einen 60 Kilogramm schweren Erwachsenen fünf Produkte im Test.

Wie gelangt es in den Senf im Test? 

Damit aus Senfsaat Senf wird, werden die Körner gereinigt, gemahlen und mit Wasser, Essig, Salz und Gewürzen zur sogenannten Maische angesetzt. Das BfR vermutet, dass das natürlich in heller Senfsaat vorkommende Glucosinalbin in Kombination mit dem Essig zu Bisphenol F (BPF) reagiert, wovon auch einige Hersteller im Test nach eigenen Angaben ausgehen.

Erucasäure und die Herzgesundheit

Kommen wir zur Erucasäure, die wir insgesamt dreimal im Test kritisieren. Von Natur aus enthält Senfsaat und damit auch fertiger Senf Erucasäure – eine Fettsäure des in den Körnern enthaltenen Senföls. Das Problem: Laut BfR können hohe Gehalte eine Verfettung des Herzens begünstigen und den Herzmuskel schwächen. Die Schäden gelten als reversibel, können sich also wieder zurückbilden.

Um Orientierung zu bieten, wie viel Erucasäure ein Erwachsener täglich aufnehmen kann, ohne gesundheitliche Risiken befürchten zu müssen, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2016 einen TDI für Erucasäure festgelegt. Demnach kann eine 60 Kilogramm schwere Person bis zu 420 Milligramm Erucasäure pro Tag tolerieren.

Bei einer Portion Senf täglich schöpfen drei Produkte diesen Wert zu mehr als der Hälfte aus: Alnatura Mittelscharfer Senf, Bautz’ner Senf Mittelscharf und Zwergenwiese Mittelscharfer Senf. Aber, und das sind die guten Nachrichten: Keins der Produkte überschreitet den TDI. Auch den seit 2019 geltenden Grenzwert für Erucasäure in Senf halten alle Hersteller ein.

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Senf im Test: Weniger Glyphosat-Funde als 2021

Was das Labor allerdings gefunden hat: In vier der konventionellen Produkte wurden Rückstände von Glyphosat nachgewiesen. Ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum unserem letzten Senf-Test im Jahr 2021. Damals wurden in zehn von 13 mittelscharfen Senfen aus konventionellem Anbau Glyphosat-Rückstände nachgewiesen. Die Bio-Senfmarken waren auch damals frei von Glyphosat.

Wir stufen das Pestizid als besonders bedenklich ein. Denn, obwohl die EU es gerade erst für weitere zehn Jahre zugelassen hat, räumte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bei der Risikobewertung von Glyphosatrückständen in Lebensmitteln und deren möglichen Gesundheitsrisiken Datenlücken ein.

Außerdem stuft die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) den Unkrautvernichter weiter als "wahrscheinlich krebserregend" beim Menschen ein. Genauso wie das Pestizid- Aktions-Netzwerk Deutschland, das Glyphosat immer noch für "hochgefährlich" hält. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hingegen hält eine Einstufung von Glyphosat als krebserregend nicht für gerechtfertigt. Wir kritisieren zudem, dass die breite Anwendung von Glyphosat die Artenvielfalt bedroht.

(Foto: ÖKO-TEST)

So schmeckt der getestete Senf

Wir wollten natürlich auch wissen, wie der Senf schmeckt. Deswegen haben wir alle Senfe von Experten sensorisch beurteilen lassen. Während die meisten überzeugten, gab es bei zehn Senfen kleinere Auffälligkeiten. So wird beispielsweise bei sechs Produkten die fehlende Schärfe bemängelt, während der Löwensenf Medium pikant als "zu scharf für mittelscharf" bewertet wird.

Beim Bautz'ner Senf Mittelscharf werten wir zudem zugesetztes natürliches Aroma ab. Schließlich schaffen es andere Hersteller auch ohne zugesetztes Aroma, dass ihr Senf "sehr gut" schmeckt.

Wie steht es um die Senf-Verpackungen?

Die Verpackungen der Senfe haben wir auf PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen prüfen lassen. Bei fünf Produkten gab es positive Befunde in den Deckeldichtungen. Da diese Verbindungen die Umwelt belasten, Weichmacher enthalten können und es inzwischen PVC-freie Deckel gibt, werten wir ab.

Auch die in vielen Produkten nachgewiesenen BPA-Spuren könnten aus den Deckeln stammen. Eine Kontamination der Zutaten während der Lagerung ist ebenfalls denkbar. Die BPA-Spuren sind jedoch so gering, dass wir sie als unbedenklich einschätzen.  

So kommt die Schärfe in den Senf

Es gibt unterschiedliche Senfsaaten – darunter Gelbsenfsaat und Braunsenfsaat.

  • Dunkle Senfsaat – woraus schwarzer und brauner Senf hauptsächlich bestehen – ist relativ scharf. Das liegt unter anderem am enthaltenen Allylsenföl, das beim nassen Vermahlen der dunklen Senfsaat entsteht und für die kribbelige Schärfe in der Nase sorgt.
  • Helle Senfsaat ist milder im Geschmack. Bei der Herstellung eines mittelscharfen Senfes kommt es deshalb auf das Mischungsverhältnis der beiden Saaten an, während für einen scharfen Senf meist nur Braunsenfsaaten verwendet werden.

Die Unterschiede der Senfsaaten setzen sich auch in Bezug auf deren gesundheitliche Wirkung fort. So ist das in heller Senfsaat enthaltene Glucosinalbin aufgrund der Bisphenol F-Bildung eher nachteilig, während sich das in Braunsenfsaat enthaltene Sinigrin (ebenfalls ein sekundärer Pflanzenstoff) aufgrund der belegten entzündungshemmenden Eigenschaften positiv auswirkt.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 23 mittelscharfe Senfe getestet, darunter acht Bio-Produkte. Wenn es von großen Marken eine konventionelle und eine Bio-Variante gab, haben wir beide gekauft. Zudem griffen wir zu Senf in Gläsern oder Kunststoffbechern, Tubensenf blieb außen vor. Eingekauft haben wir in Discountern, Super- und Bio-Märkten, zu Preisen zwischen 0,45 und 3,44 Euro pro 250 Gramm bzw. Milliliter.

Fachlabore analysierten die Produkte auf Bisphenole, Erucasäure, Glyphosat, Mineralölbestandteile sowie gentechnisch veränderte Organismen; die beiden Letztgenannten fanden sich nicht in den Produkten. Darüber hinaus ließen wir die salz- und fettfreie Trockenmasse bestimmen – ein Parameter zur Beurteilung der Senfqualität. Hinzu kam eine Prüfung auf mögliche Keime, die aber unauffällig war. Geschulte Prüfer beurteilten die Senfe schließlich in Hinblick auf das Aussehen, den Geruch, Geschmack und die Konsistenz.

Die Verpackung ließen wir im Labor auf PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen analysieren. Packungsangaben wie den Nutri-Score überprüften wir, und in den Zutatenlisten schauten wir nach umstrittenen Inhaltsstoffen, etwa Aromen.

Bewertungslegende 

Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das unterhalb der Bestimmungsgrenze der jeweiligen Testmethode.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) ein gemessener Gehalt an Erucasäure, der den von der EFSA 2016 festgelegten TDI von 7 mg/kg Körpergewicht und Tag zu mehr als 50 bis 100 Prozent ausschöpft (in Tabelle "erhöht"); b) ein gemessener Gehalt an Bisphenol F, der den vom BfR 2023 festgelegten TDI für Bisphenol A von 0,2 μg/kg Körpergewicht und Tag zu mehr als 100 Prozent ausschöpft (in Tabelle "stark erhöht"). Für die Berechnungen haben wir eine Portion von 10 g Senf und ein Körpergewicht von 60 kg zugrunde gelegt. Zur Abwertung um jeweils eine Note führt: a) ein bis zwei als besonders bedenklich eingestufte Pestizide in gemessenen Gehalten von mehr als 0,01 mg/kg (hier: Glyphosat). Dabei orientieren wir uns an der Liste der hochgefährlichen Pestizide des Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN), insbesondere der in Gruppe 2 oder Gruppe 3 als sehr bienentoxisch oder sehr bioakkummulierend und sehr persistent in Wasser, Böden oder Sedimenten genannten Stoffe sowie Einstufungen von Pestiziden in der EU-Datenbank oder CLP-Verordnung (ECHA) als kanzerogen oder reproduktionstoxisch; b) natürliches Aroma.

Bewertung Testergebnis Sensorik: Unter dem Testergebnis Sensorik führt zur Abwertung um jeweils eine Note: a) eine Abweichung, die auf den Geschmack und/oder den Geruch zurückzuführen ist (in Tabelle: "aromaarm", "Würzung nicht abgestimmt", "fehlende Schärfe", "wenig scharf", "zu salzig", "zu scharf für mittelscharf"); b) eine Abweichung, die auf die Konsistenz zurückzuführen ist (in Tabelle: "zu dünn").

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um eine Note: PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung (hier: Deckeldichtung).

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Sensorik, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Sensorik oder ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.

Testmethoden

MOAH, MOSH, MOSH-Analoge: nach DIN EN 16995:2017-08 mod.; die Modifikation betrifft die Verseifung und eine andere Matrix. Glyphosat/Glufosinat/Aminomethylphosphonsäure (AMPA): LC-MS/MS
Erucasäure: Fettsäureverteilung nach Fettextraktion mittels DGF C-VI 10a (00) und 11d (19): 2013/2019
Gesamtfett: Gravimetrisches Verfahren nach Säureaufschluss
Wasser: Gravimetrisches Verfahren nach Trocknung bei 103 °C
Salz- und fettfreie Trockenmasse: Differenzrechnung. Kochsalz: Titration
Mesophile Sporenbildner anaerob: Keimzählverfahren
Bisphenol A/Bisphenol F/Bisphenol S: LC-MS/MS
GVO: GS053 Laurical canola modification und GS195 35S/oxy modification (Navigator canola): EFGT 09.178 (2021-08); GS125 NOS terminator und GS128 PAT(SYN) gene: EFGT 09.182 (2020-11); GS007 EPSPS modification: EFGT 09.182 (2020-11); GSAB2 AgroBorder II: EFGT 09.121 (2017-02); GS03K ubi/gat modification: GS-P-09.095 (2014-03); GS0CS OCS terminator: EFGT 09.178 (2021-08)
Sensorik: Beschreibende Prüfung mit anschließender Qualitätsbewertung auf der 5-Punkte-Skala; Methode § 64 LFGB L 00.90-14:2019-03, mod., PV 00748, Organoleptik (Modifikation: Umfang des Prüfpanels, keine Probenverschlüsselung, keine Ermittlung der Intensitätseigenschaften, keine Aufzeichnung und Angabe des Prüfklimas, verkürzter Prüfbericht)
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse

Einkauf der Testprodukte: Januar 2024.

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