Tomatensaft im Test: Vielen fehlt es an Aroma

Magazin August 2020: Radler | Autor: Hanh Nguyen/Annette Dohrmann | Kategorie: Essen und Trinken | 30.07.2020

Tomatensaft im Test: Wir haben insgesamt 20 Säfte überprüft.
Foto: ÖKO-TEST

Nur volles Aroma heißt volle Qualität – und die können wir nicht jedem Tomatensaft im Test zusprechen. 20 Produkte haben wir getestet, ein Viertel davon bewerten wir mit Bestnote. Viele allerdings schneiden aus unterschiedlichen Gründen nur mittelmäßig ab.

  • Fünf Tomatensäfte im Test sind mit "sehr gut" empfehlenswert. 
  • 70 Prozent der getesteten Tomatensäfte schneiden nur mittelmäßig ab.  
  • Alle Tomatensäfte aus Konzentrat sind unzureichend rearomatisiert. Streng genommen erfüllen die Hersteller damit die gesetzlichen Anforderungen nicht.

Tomatensaft – bei dem Stichwort denkt man entweder an den Cocktail-Klassiker und angeblichen Kater-Killer Bloody Mary. Oder ans Fliegen. Denn kaum über den Wolken, scheinen viele Menschen – anders als mit festem Boden unter den Füßen – ganz verrückt danach zu sein. Kein Wunder: Tomatensaft schmeckt den meisten aufgrund der niedrigen Druckverhältnisse an Bord tatsächlich besser als auf Erden, fanden Forscher vor einigen Jahren heraus.

Auch wenn Flugzeuge aufgrund der Corona- Pandemie erst allmählich wieder abheben und wir der Umwelt zuliebe sowieso eher fürs Bahnfahren sind: Wir haben 20 Tomatensäfte auf die Teststrecke geschickt, darunter Direktsäfte und Säfte aus Konzentrat. Das Ergebnis: Fünf Säfte beurteilen wir mit "sehr gut", einen weiteren mit "gut". Alle anderen schneiden nur mittelmäßig ab, darunter sind auch fünf "ausreichende" Tomatensäfte.


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Tomatensaft-Test: Säfte überzeugen geschmacklich 

Doch fangen wir lieber mit erfreulichen Erkenntnissen an: In keinem Tomatensaft im Test fand das beauftragte Labor Rückstände von Pestiziden. Auch sensorisch überzeugten die Säfte fast ausnahmslos. Lediglich bei einem getesteten Tomatensaft nahmen die professionellen Verkoster "leicht muffige" Noten im Geruch und Geschmack wahr. Ansonsten rochen die Säfte im Test mehr oder weniger aromatisch und nach Tomate; alle schmeckten würzig und umami.

Umami, was auf Japanisch so viel wie köstlich heißt, ist neben süß, salzig, sauer und bitter die fünfte Geschmacksrichtung. Sie wird als "pikant, intensiv-herzhaft, fleischig" beschrieben. Vermittelt wird umami durch Glutamat, das von Natur aus vor allem in eiweißreichen Lebensmitteln wie Fleisch, Käse oder Fisch vorkommt, aber auch reichlich in Tomaten steckt.

Im Flugzeug: Tomatensaft wird vor allem gerne über den Wolken verzehrt.
Im Flugzeug: Tomatensaft wird vor allem gerne über den Wolken verzehrt. (Foto: Cameris/Shutterstock)

Tomatensäften aus Konzentrat fehlt Aroma 

Obwohl die Tomatensäfte im Sensoriktest überwiegend so schmecken und riechen wie sie sollen, hat die Aromaanalyse im Labor offengelegt, dass keines der Konzentrate ausreichend rearomatisiert wurde. Das fordert die Fruchtsaftverordnung, damit Säfte aus Konzentrat einen vergleichbaren Gehalt an Aromen haben wie Direktsäfte. Deshalb müssen Hersteller jene Aromen, die bei der Herstellung eines Konzentrats verloren gehen, wieder hinzufügen, wenn sie das Konzentrat später mit Trinkwasser rückverdünnen.

Das von uns beauftragte Labor hat jedoch festgestellt, dass den Konzentraten im Vergleich zu Direktsäften ein erheblicher Teil des Aromas fehlt. Auch wenn Tomatensafttrinker diesen Unterschied sensorisch kaum wahrnehmen, mindert das die Qualität.

Allen Tomatensäften aus Konzentrat – wie auch einem Direktsaft – ist zudem Zitronensaft oder Zitronensaftkonzentrat zugesetzt. Damit lässt sich – ebenso wie mit Kochsalz – ein unvollständiges Aromaspektrum kaschieren und der Geschmack aufpeppen.

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Zu wenige Tomaten in vier Tomatensäften im Test 

Was ist ansonsten aufgefallen? Vier Hersteller haben den Wasserhahn beim Rückverdünnen offenbar zu spät wieder zugedreht und ihre Konzentrate zu stark verwässert. Darauf deutet zumindest der niedrige Brix-Wert – das Maß für die Menge an gelöster Trockensubstanz – hin.

Der rechtlich nicht bindende Code of Practice der European Fruit Juice Association (AIJN) legt für Tomatensaft einen Brix-Wert von 5,0 zugrunde, den die vier kritisierten Tomatensäfte im Test unterschreiten. Mit anderen Worten: In ihnen ist am Ende weniger Tomate drin als ursprünglich für die Produktion eingesetzt wurde. 

Apropos eingesetzte Tomaten: Ein hoher Gehalt an Ergosterol deutet darauf hin, dass im Saft viele aufgeplatzte Tomaten gelandet sind, in denen sich Schimmelpilze gebildet haben. Ergosterol ist zwar nicht gesundheitsschädlich, lässt aber Rückschlüsse auf die Qualität der Rohware zu. Ein Tomatensaft im Test überschreitet den vom Europäischen Fruchtsaftverband (AIJN) vereinbarten Höchstgehalt an Ergosterol.

Tomaten im Tomatensaft: Ein hoher Gehalt an Lykopin deutet daraufhin, dass viele und vor allem reife Tomaten verarbeitet wurden.
Tomaten im Tomatensaft: Ein hoher Gehalt an Lykopin deutet daraufhin, dass viele und vor allem reife Tomaten verarbeitet wurden. (Foto: nbarnea1/Shutterstock)

Ein hoher Gehalt an Lykopin dagegen ist ein Hinweis darauf, dass viele und vor allem reife Tomaten für den Saft verarbeitet wurden. Der rote Tomatenfarbstoff hat antioxidative Eigenschaften. Vergleichsweise viel Lykopin steckt in vier Tomatensäften im Test. 

Das rät ÖKO-TEST: Tomatensaft richtig konsumieren

Der ÖKO-TEST Ratgeber: 

  1. Geöffnete Säfte kühl und lichtgeschützt aufbewahren, schnell verschließen und möglichst rasch verbrauchen. Sonst fangen sie an zu gären.
  2. Das Lykopin aus Tomaten wird durch Erwärmen für den Körper besser verfügbar. Daher nimmt er aus Tomatensaft mehr Lykopin auf als aus frischen Tomaten.
  3. Tomatensaft enthält relativ viel Salz. Als Durstlöscher ist er daher weniger geeignet. Aber ein Glas davon ersetzt ab und zu eine Portion Gemüse.

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Testverfahren

Insgesamt haben wir 20 Tomatensäfte eingekauft, darunter sieben Direktsäfte und 13 Säfte aus Konzentrat. Sowohl die 14 ökologisch als auch die sechs konventionell erzeugten Produkte ließen wir umfangreich von spezialisierten Laboren untersuchen. Zum Beispiel auf Pestizidrückstände und Ergosterol. Ergosterol ist ein Stoffwechselprodukt – etwa von Schimmelpilzen – das Hinweise auf die Qualität der eingesetzten Rohware gibt. Zudem wurden Lykopin- und Salzgehalte sowie die lösliche Trockenmasse (Brix-Wert) gemessen. Der Lykopingehalt liefert Hinweise auf den Reifezustand der verarbeiteten Früchte.

Alle Säfte durchliefen eine aufwendige Aromenanalyse. Diese Untersuchung lässt unter anderem Rückschlüsse darauf zu, ob Konzentrate bei einer Rückverdünnung vollständig rearomatisiert wurden. Ergänzend dazu haben geschulte Sensorikprüfer die Geruchsund Geschmackseindrücke der Tomatensäfte überprüft. 

Bewertungslegende 

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um zwei Noten: ein Ergosterolgehalt von mehr als 0,76 mg/l Tomatensaft. Herangezogen wurde der von der European Fruit Juice Association (AIJN) in den Guidelines des Code of Practice festgelegte Wert für Tomatensaft. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) eine unzureichende Rückführung spezifischer flüchtiger Aromastoffe (in Tabelle "Aroma nicht ausreichend wiederhergestellt"); b) der Zusatz von Zitronensaft oder Zitronensaftkonzentrat; c) ein um den Salzgehalt korrigierter Brix-Wert von weniger als 5,0° Brix bei Säften aus Tomatenkonzentrat (in Tabelle "Brix-Wert niedrig"). Herangezogen wurde der von der European Fruit Juice Association (AIJN) in den Guidelines des Code of Practice festgelegte Wert für Tomatensaft.

Bewertung Testergebnis Sensorik: Unter dem Testergebnis Sensorik führt zur Abwertung um jeweils eine Note: ein als "leicht muffig" beschriebener Geruchs- oder Geschmackseindruck.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um eine Note: Werbung mit Selbstverständlichkeiten (hier: "Laut Gesetz ohne Zuckerzusatz, chemische Konservierungs- und Farbstoffe").

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Testergebnisse Sensorik und Weitere Mängel, die "befriedigend" sind, verschlechtern das Gesamturteil um jeweils eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.

Testmethoden 

Aromanalyse: Aromastoffe durch LRI-Kapillar-Gaschromatografie. Full-Scan MS und Chirodifferenzierung nach Destillation, Extraktion und Anreicherung, entsprechend ASU L 00.00-106 modifiziert.

Kochsalz: Nach Suspension der Probe mit siedendem Wasser und Ansäuerung mit Salpetersäure wird das Chlorid mit Silbernitrat-Maßlösung bei potentiometrischer Endpunktbestimmung titriert.

Ergosterol: Die homogenisierte Probe wird nach Verseifung extrahiert. Der Extrakt wird semipräparativ mittels Normalphasen-HPLC fraktioniert und gereinigt. Der Gehalt an Ergosterol wird nach Auftrennung mittels HPLC an einer Umkehrphase und UV-Detektion bestimmt. Die Quantifizierung erfolgt mittels eines internen Standards.

Lykopin: ASU L 00.00-149 : 2014.

Brix-Wert: Refraktometrische Bestimmung.

Sensorik: Beschreibende Sensorik (Konsens) nach § 64 LFGB L 00.90-11.

PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: April 2020 

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