Das ist die dreisteste Werbelüge des Jahres

Autor: Benita Wintermantel | Kategorie: Essen und Trinken | 03.12.2019

Das ist die dreisteste Werbelüge des Jahres
Foto: Foodwatch

Die Kinder-Tomatensauce von Zwergenwiese gewinnt den "Goldenen Windbeutel 2019". Das Produkt für Kinder enthält mehr als doppelt so viel Zucker wie die Zwergenwiese-Tomatensauce für Erwachsene.

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte auch 2019 zur Wahl der dreistesten Werbelüge aufgerufen: Fast 70.000 Verbraucherinnen und Verbraucher stimmten in den vergangenen Wochen ab, welches Produkt den "Goldenen Windbeutel" verdient.

Kinder-Tomatensauce ist Zuckerbombe

Das Ergebnis fiel relativ eindeutig aus: Über 50 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher stimmten für die Kinder-Tomatensauce von Zwergenwiese. Die Tomatensauce erweckt bei Eltern den Eindruck, ihre Rezeptur sei kindgerecht. Dabei enthält die Sauce fast 20 Gramm Zucker pro Portion – mehr als doppelt so viel wie die Zwergenwiese-Tomatensauce für Erwachsene.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dass Saucen für Kinder gar keinen zugesetzten Zucker enthalten sollten. Foodwatch fordert ein Gesetz, das Zuckerbomben für Kinder verbietet.

36.721 Stimmen und damit 53,2 Prozent der Verbraucher stimmten für die Kinder-Tomatensauce
36.721 Stimmen und damit 53,2 Prozent der Verbraucher stimmten für die Kinder-Tomatensauce (Foto: Foodwatch)

Reaktion des Herstellers

Zwergenwiese ist das erste Unternehmen, das die zweifelhafte Ehrung angenommen hat. Der Bio-Hersteller betont, ihm sei an einer kooperativen Zusammenarbeit mit der Verbraucherorganisation gelegen. "Wir sind ein Bio-Pionier, und wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber unseren Verbrauchern deutlich bewusst", so Zwergenwiese bei der Übergabe des Schmähpreises. Zwergenwiese möchte die Rezeptur ändern und den Kriterien der WHO gerecht werden.

Zwergenwiese hatte nach der Nominierung für den Goldenen Windbeutel sein Produkt damit verteidigt, dass "kein zugesetzter Kristallzucker", sondern Apfeldicksaft enthalten sei. Doch die WHO definiert auch Zucker aus Fruchtsaftkonzentraten wie Apfeldicksaft als freien oder zugesetzten Zucker, dessen Konsum reduziert werden müsse. 

Die anderen Gewinner 

Nominiert für den Schmähpreis waren außerdem der "Bio-Karottensaft" von Hipp, die "Wasabi Erdnüsse" von Rewe, der "Corny Protein Lower Carb"-Schokoriegel von Schwartau und das Getränk "Yakult".

2. Platz: Yakult Original von Yakult 

(18.036 Stimmen, 26,1 Prozent) 

Yakult bewirbt sein Getränk als "die kleine Flasche Wissenschaft" und suggeriert, der Drink hätte positive Effekte auf die Darmgesundheit. Doch aus Sicht von Foodwatch ist Yakult vor allem eines: dreiste Abzocke für 8,40 Euro pro Liter. Effekte auf die Darmgesundheit seien wissenschaftlich nicht belegt, so die Verbraucherorganisation. Außerdem stecken in einer Mini-Flasche fast neun Gramm Zucker.

(Foto: Foodwatch)

3. Platz: "100% Bio Direktsaft Karotte" von Hipp 

(5133 Stimmen, 7,4 Prozent) 

Neue Verpackung, doppelter Preis: Hipp hatte die Flasche seines Karottensafts für Babys von 500 auf 330 Milliliter verkleinert. Der Preis hat sich dabei um 95 Prozent erhöht – auf 4,50 Euro je Liter.

(Foto: Foodwatch)

4. Platz: Wasabi Erdnüsse von Rewe Beste Wahl 

(4635 Stimmen, 6,7 Prozent)

Rewe bewirbt seine Erdnüsse auf der Verpackung groß mit Wasabi. Das Produkt enthält aber gerade einmal 0,003 Prozent des edlen japanischen Gewürzes. Um eine Wasabi-ähnliche Schärfe und Farbe zu erreichen, hilft Rewe offenbar mit Aroma und Farbstoffen nach.

(Foto: Foodwatch)

5. Platz: "Corny Protein Lower Carb" von Schwartau 

(4477 Stimmen, 6,5 Prozent)

Mit Angaben wie "Protein" und "Lower Carb" sowie dem an Light-Produkten angelehnten Design erweckt Schwartau den Eindruck, der Riegel sei ein gesundes Produkt. Doch Corny enthält 24 Prozent Zucker und 13 Prozent Fett. Und besteht zu 40 Prozent aus Kohlenhydraten – trotz "Lower Carb".

[Update, 7. November] Schwartau hatte während der Nominierungsphase angekündigt, den Riegel in dieser Form vom Markt zu nehmen. Wie die Firma, die von Foodwatch als "Wiederholungstäter" bezeichnet wird, mitteilte, wolle sie "das Produktkonzept" ihres Proteinriegels "komplett überarbeiten". Die Entscheidung sei schon vor mehreren Monaten gefallen, so Schwartau in einem Schreiben an Foodwatch.

(Foto: Foodwatch)

So wurden die Top-Kandidaten bestimmt

Verbraucherinnen und Verbraucher hatten auf schummelmelder.de, der Foodwatch-Beschwerdeplattform gegen Werbelügen, in den letzten zwölf Monaten mehr als 200 Produkte eingereicht und für die diesjährige Wahl vorgeschlagen. Vier der nominierten Windbeutel-Kandidaten waren Vorschläge von Verbrauchern – ein weiterer Kandidat, Yakult, geht auf Recherchen von Foodwatch zurück.

"Goldener Windbeutel": Neunte Runde für den Schmähpreis

Der "Goldene Windbeutel" wurde dieses Jahr zum neunten Mal verliehen. Bisherige Preisträger waren unter anderem der Trinkjoghurt Actimel von Danone (2009), die Milch-Schnitte von Ferrero (2011) und ein überzuckerter Babykeks von Alete (2017). Vergangenes Jahr gewann das "Smart Water" von Coca-Cola den Negativpreis. 

Täuschungstricks der Lebensmittelindustrie 

Erst kürzlich hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte ein Werbeverbot für Süßigkeiten wie Milchschnitte und Kinderschokolade gefordert. Und auch die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kritisiert die Täuschungstricks der Lebensmittelindustrie: "Egal ob im Bio-Supermarkt oder im Discounter: Überall werden Verbraucherinnen und Verbraucher mit fiesen Werbelügen in die Irre geführt", erklärte Manuel Wiemann von Foodwatch. "Fitness-Schwindel, Pseudo-Wissenschaft, versteckte Preiserhöhungen – bei all diesen Täuschungstricks den Durchblick zu behalten, ist für Verbraucherinnen und Verbraucher nahezu unmöglich. Das muss sich dringend ändern. Die Kennzeichnungsregeln gehören endlich auf den Prüfstand!"

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