Schmerzsalben und Schmerzgel im Test: Nur zwei sind "sehr gut"

Jahrbuch für 2018 | Autor: ÖKO-TEST Redaktion | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 31.10.2017

Schmerzsalben und Schmerzgel im Test: Nur zwei sind "sehr gut"
Foto: Stocker plus / Shutterstock

Prellungen, Verstauchungen, Zerrungen sind beim Sport schnell passiert. Rezeptfreie Schmerzgele, Schmerzsalben und Schmerzcremes sollen schnelle Linderung verschaffen. Sie setzen auf unterschiedliche Wirkstoffe: mal auf klassische Schmerzmittel, mal auf durchblutungsfördernde Stoffe, mal auf pflanzliche Mittel wie Arnika. Doch nur wenige Schmerzsalben und Schmerzgele im Test sind wirklich empfehlenswert.

  • Wir haben 19 rezeptfreie Arzneien von einem Pharmazieexperten begutachten lassen.
  • Außerdem haben wir die Präparate ins Labor geschickt, um sie auf Schadstoffe zu untersuchen.
  • Das Ergebnis: Nur zwei Produkte sind "sehr gut", fast die Hälfte fällt durch.

Mehr als jeder dritte Sportunfall ereignet sich beim Freizeitfußball, gefolgt von Skifahren und sonstigen Sportarten. Die häufigsten Verletzungen, für die private Sportunfall-Versicherer zahlen: Muskelfaser- und Bänderrisse, Zerrungen, Verrenkungen, Zerreißungen und Knochenbrüche.

Das Robert-Koch-Institut schätzt für 2014 bundesweit rund vier Millionen Freizeitunfälle. Wie gut helfen da Schmerzsalben, Schmerzcremes und Schmerzgele gegen Muskelschmerzen, Zerrungen oder rheumatische Beschwerden?

Wir haben 19 rezeptfreie Arzneien begutachten und testen lassen. Rund die Hälfte fällt durch: fünf Salben mit "ungenügend", vier mit "mangelhaft". Mit "sehr gut" zeichnen wir nur zwei Mittel aus.

Schmerzgel im Test: NSAR-Salben helfen

Neun getestete Salben enthalten jeweils Ibuprofen, Diclofenac, Felbinac, Etofenamat, Flufenaminsäure oder Piroxicam. Die Wirkstoffe zählen zu den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und enthalten deshalb kein Kortison.

"NSAR-Salben helfen sehr gut gegen akute Muskelschmerzen bei Verstauchungen, Verspannungen, Überlastungsverletzungen und rheumatischen Beschwerden", urteilt unser Berater Professor Manfred Schubert-Zsilavecz vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Goethe-Universität Frankfurt.

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Das verdeutlicht eine Metastudie der Cochrane Collaboration, einem Netz von Wissenschaftlern und Ärzten, aus dem Jahr 2015. Die Daten der 61 ausgewerteten Studien belegen zudem, dass die Salben ein deutlich niedrigeres Nebenwirkungsrisiko als NSAR-Tabletten besitzen. Denn von den Wirksubstanzen gelangt wesentlich weniger ins Blut.

Laut der Cochrane-Arbeit erwies sich Diclofenac noch vor Ibuprofen als am effektivsten, um Schmerzen lokal zu behandeln. Aber: Laut einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamts von 2016 ist Diclofenac in 50 Ländern in auffallend hohen Konzentrationen in Oberflächengewässern nachweisbar. Dort kann die Arznei etwa Nieren und Kiemen von Fischen sowie Pflanzen schädigen.

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Schmerzsalben mit Cayennepfeffer im Test

Wirkstoffe auf Basis von Cayennepfeffer erweitern die Blutgefäße, sorgen so für ein Wärmegefühl im Gewebe und lindern Schmerzen. Auf diesen Wirkstoff setzen mehrere Cremes im Test. "Die Wirksamkeit solcher Arzneimittel bei Rheuma gilt als ausreichend belegt, nicht jedoch deren Anwendung bei Sportverletzungen", sagt Schubert-Zsilavecz.

In der Wärmecreme eines Herstellers sind sogar gleich zwei durchblutungsfördernde Wirkstoffe enthalten. Das ist leider kein Vorteil: Die Kombination erhöht vielmehr die Gefahr von Neben- und Wechselwirkungen.

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Schmerzgel: Arnika-Salben nicht empfehlenswert

In vier Salben steckt Arnikatinktur. In vergangenen Tests haben wir den pflanzlichen Wirkstoff noch empfohlen. Wenige Studien wiesen darauf hin, dass er Entzündungen hemmt und Schmerzen dämpft. 2016 bewertete die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die Heilpflanze allerdings komplett neu.

"Der Einsatz von Arnika-Schmerzsalben lässt sich bis heute nicht durch Ergebnisse zeitgemäßer klinischer Studien begründen", fasst Schubert-Zsilavecz zusammen. Ihre Zulassung sei daher nur durch einen über 30-jährigen Einsatz in Arzneien gerechtfertigt.

Entzündungshemmende Salbe mit Beinwellwurzel

Genauso sieht es auch für den Beinwellwurzel-Fluidextrakt in einer der Schmerzsalben im Test aus: Unserem Gutachter zufolge weist eine brauchbare Studie auf einen möglichen schmerzstillenden und entzündungsmindernden Effekt hin. Laut aktueller EMA-Bewertung fehlen jedoch auch für diesen Extrakt ausreichend hochwertige Daten.

In den Schmerzsalben und Schmerzgelen von zwei Drogerieketten soll Campher alleine oder kombiniert mit Ethanol und ätherischen Ölen gegen Schmerzen helfen. Das ist zweifelhaft: "Mehr als ein oberflächlicher, kühlender Effekt nach dem Auftragen auf die Haut ist von solchen Präparaten nicht zu erwarten", stellt Professor Schubert-Zsilavecz klar.

      CC0 / Unsplash.com / John Torcasio
      CC0 / Unsplash.com / John Torcasio (Foto: Unfälle beim Sport sind keine Seltenheit. Wr haben Schmerzsalben und Schmerzgel begutachtet.)

      Schmerzcreme im Test: Krebsverdächtige MOAH

      In sechs Salbentuben wies das beauftragte Labor Paraffine nach. Sie integrieren sich nicht so mühelos ins Hautgleichgewicht wie die Bestandteile natürlicher Öle. Zudem wiesen die beauftragte Analytiker in drei Salben krebsverdächtige Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) nach. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt für Kosmetika, dass bereits kleinste Mengen krebserregendes Potenzial haben können.

      In zwei Produkten stieß das beauftragte Labor auf Duftstoffe, die Allergien auslösen können. In einer Arznei steckt zudem das allergisierende Terpen Delta-3-Caren, hautreizendes Natriumdodecylsulfat sowie bedenkliche Parabene. Letztere stehen im Verdacht, wie ein Hormon zu wirken. Eine solche Substanz ließ sich auch in einer anderen Schmerzcreme nachweisen.

      Kompletten Test freischalten: 19 Schmerzgele und Schmerzsalben

      Sportverletzungen: Das rät ÖKO-TEST

      • Gehen Sie nach akuten Sportverletzungen möglichst rasch nach dem PECH-Prinzip vor: Pausieren, Eiskühlen, Compression mit elastischen Binden, über Herzhöhe hochlagern.
      • Setzen Sie direkt nach Verletzungen keine durchblutungsfördernden Arzneien ein.
      • Gele und Salben mit etwa Ibuprofen oder Flufenaminsäure lindern Schmerzen durch Zerrungen, Prellungen und Verstauchungen wirksam.

      Wirkstoffe in Schmerzsalben & Schmerzgelen

      Empfehlenswerte Wirkstoffe

      • Daumen hoch: Ibuprofen, Etofenamat, Flufenaminsäure, Felbinac oder Piroxicam in Salben helfen, wenn Prellungen, Verstauchungen und Zerrungen quälen. Dass diese Wirkstoff gruppe Schmerzen lindert und Entzündungen hemmt, ist gut durch klinische Studien belegt.
      • Auf die Haut aufgetragen, besitzen die Stoffe zudem ein deutlich geringeres Nebenwirkungsrisiko als in Tabletten. Wir empfehlen sie wegen möglicher Wechselwirkungen aber nur in Arzneien ohne weitere Wirksubstanzen.

      Eingeschränkt empfehlenswerte Wirkstoffe

      • Diclofenac-Salben helfen ebenfalls gut, Schmerzen stumpfer Freizeit- und Sportverletzungen und Rheuma zu lindern. Wir können den Wirkstoff allerdings nur eingeschränkt empfehlen, da er sich mittlerweile als Umweltproblem entpuppt.
      • Auf Cayennepfeffer basierende Wirkstofie steigern die Durchblutung. Mit Capsaicin und Cayennepfeffer-Dickextrakt eingesalbtes Gewebe fühlt sich deshalb für einige Stunden erwärmt an und wird schmerzunempfindlicher. Studien bestätigen nur eine Linderung von rheumatischen Beschwerden durch diesen Effekt, nicht aber von Schmerzen bei Sportverletzungen. Die Salben im Test sind allerdings nicht zu empfehlen, da sie mit Schadstoffen belastet sind.

      Nicht empfehlenswerte Wirkstoffe

      • Von Nonivamid und Nicoboxil in Kombination müssen wir abraten. Der Wirkzusatz Nicoboxil bringt keinen Vorteil gegenüber Salben, in denen nur der chemische Capsaicin-Nachbau Nonivamid steckt. Im Gegenteil: Das Nebenwirkungsrisiko erhöht sich.
      • Auch Arnikablütentinktur und Beinwellwurzel-Fluidextrakt sind nicht zu empfehlen. Es fehlen bis heute ausreichend wissenschaftliche Beweise, dass die pflanzlichen Wirkstoffe tatsächlich gegen Schmerzen und Entzündungen helfen.
      • Von Salben mit Campher können Sie bestenfalls einen oberflächlichen Kühlungseffekt erwarten. Dieser wird meist durch zusätzlich enthaltenen Alkohol oder ätherische Öle erzielt, die auf der Haut verdunsten. Für einen Effekt dieser Stoffe gegen Muskelschmerzen oder etwa rheumatische Beschwerden fehlen aber überzeugende wissenschaftliche Beweise.

      Weiterlesen auf oekotest.de:

        Wir haben diese Produkte für Sie getestet

        Testverfahren

        Einkauf: Wir haben 19 Salben und Gels gegen Muskel- und Gelenkbeschwerden in der Apotheke und in Drogerien eingekauft - darunter viele bekannte Marken. In den Mitteln stecken sowohl pflanzliche als auch gängige chemische Wirkstoffe wie Ibuprofen und Diclofenac.

        Wirksamkeit und Nutzen: Helfen die Arzneien gegen Muskelschmerzen, Schmerzzustände des Haltungs- und Bewegungsapparates, Zerrungen und Verstauchungen? Diese Frage hat Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz für uns beantwortet. Der Experte vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Goethe-Universität Frankfurt bewertete für uns belastbare klinische Daten für die ausgelobten Anwendungsgebiete. Neben Wirksamkeit, Risiken und Nutzen der einzelnen Produkte beurteilte er auch die Beipackzettel und Produktinformationen.

        Hilfs- und weitere Inhaltsstoffe: Einige problematische Hilfsstoffe lassen sich bereits anhand des Beipackzettels identifizieren. PEG/PEG-Derivate tragen etwa Stoffnamen wie Macrogol oder Poloxamer. Allergieauslösende Duftstoffe, Mineralölrückstände (MOAH) oder das starke Allergen Delta-3-Caren aus Fichtennadelöl entlarvte erst die chemische Analyse im Labor.

        Bewertung: Was keine Schmerzen stillt, kann nur "mangelhaft" sein: Unsere Testnote hängt maßgeblich davon ab, ob die klinische Studienlage die Wirksamkeit einer Arznei zweifelsfrei belegt. Sind einzelne Hilfsstoffe problematisch, kann auch eine wirksame Salbe ein schlechtes Gesamturteil erhalten.

        Testlegende: Produkte mit gleichem Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Unter dem Testergebnis Wirksamkeitsbelege und Beipackzettel führt zur Abwertung um vier Noten: eine nicht ausreichend belegte Wirksamkeit. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) eine nur teilweise belegte Wirksamkeit; b) der halogenorganische Wirkstoff Diclofenac; c) Deklarationsmangel: fehlende Altersbeschränkung für Kinder und Jugendliche, wenn der Arzneiwirkstoff von der Europäischen Arzneimittel-Agentur nur für Erwachsene empfohlen wird. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) eine überflüssige Kombination von Wirkstoffen. Unter dem Testergebnis Hilfsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) PEG/PEG-Derivate; b) mehr als 100 mg/kg Delta-3-Caren; c) Duftstoffe, die Allergien auslösen können (hier: mehr als 10 mg/kg Cinnamal); d) mehr als 0,1 Prozent aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe ("MOAH stark erhöht"). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) Duftstoffe, die Allergien auslösen können (hier: mehr als 10 mg/kg Cinnamylalkohol, Hydroxycitronellal), falls nicht schon wegen Duftstoffen um zwei Noten abgewertet wurde; b) mehr als 1 % Paraffine/Silikone/Erdölprodukte; c) Natriumdodecylsulfat; d) mehr als 10 mg/kg Diethylphthalat; e) Propyl-, Butyl- und/oder Isobutylparaben; f) mehr als 0,01 Prozent bis 0,1 Prozent aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe ("MOAH erhöht"). Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um eine Note: eine fehlende Angabe zu in Kosmetika deklarationspflichtigen Duftstoffen, die Allergien auslösen können. Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Wirksamkeitsbelege und Beipackzettel. Ein Testergebnis Hilfsstoffe, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Testergebnis Wirksamkeitsbelege und Beipackzettel um eine Note. Ein Testergebnis Hilfsstoffe, das "mangelhaft" oder "ungenügend" ist, verschlechtert das Testergebnis Wirksamkeitsbelege und Beipackzettel um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Testergebnis Hilfsstoffe um eine Note. Preisberechnung basiert auf dem kleinsten Produktangebot.

        Testmethoden (je nach Zusammensetzung der Produkte): Wirksamkeitsbelege und Beipackzettel: Begutachtung der Studien zur Wirksamkeit und Beurteilung der Beipackzettel durch Gutachter. Halogenorganische Verbindungen: a) Heißwasserextraktion mit anschließender Zentrifugation und Membranfiltration. Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts; b) Extraktion mit Essigester, Verbrennung des Extrakts im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Formaldehyd/-abspalter: saure Wasserdampfdestillation, Derivatisierung mit Acetylaceton, Ausschütteln mit n-Butanol und Bestimmung mittels Fotometrie. Aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH): GC-FID. Delta-3-Caren: Ultraschallextraktion mit tert-Butylmethylether, GC-MS. Alternativ Wasserdampfdestillation. Duftstoffe/Diethylphthalat/Moschus-Verbindungen: Extraktion mit TBME, GC-MS. Paraffine/Erdölprodukte/Silikone: NLPC-RI. PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse.

        Einkauf der Testprodukte: Dezember 2016

        Bereits veröffentlicht: ÖKO-TEST Magazin 04/2017. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben, sofern sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder ÖKO-TEST neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt hat.

        Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.

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