Kinderhalbschuhe im Test: Viele Schadstoffe entdeckt

Jahrbuch Kleinkinder 2016 | Autor: Mirko Kaiser | Kategorie: Kinder und Familie | 14.01.2016

Zwölf Kinderhalbschuhe im Test fallen durch.
Foto: Pressmaster/Shutterstock

Das ist gar nicht gut gelaufen: In allen untersuchten Kinderhalbschuhen stecken Schadstoffe in rauen Mengen. Die Billigheimer fielen auch noch im Praxistest unangenehm auf: Bei einem Schuh für 15 Euro brach nach kurzer Belastung die Laufsohle, der Anbieter nahm das Modell daraufhin aus dem Sortiment.

Aktualisiert am 14.01.2016 | Schaut man sich in den Schuhgeschäften um, beherrscht der Sneaker mittlerweile auch die Regale, in denen die Modelle in den Schuhgrößen 27 bis 30 untergebracht sind. Der Sportschuh als Straßenschuh: Schon von klein auf lässt sich damit lässig über den Asphalt schleichen (to sneak = schleichen).

Doch gute Qualität ist keine Frage der Mode. Wie weit der Weg zu einem weitgehend schadstofffreien Schuh noch ist, zeigt der Test Kinderhalbschuhe. Wir haben 13 Modelle in den Größen 27 bis 30 eingekauft und zu intensiven Schadstoff- und Praxisprüfungen in die Labore geschickt.

Wie schlagen sich die Kinderhalbschuhe im Test?

Was die meisten Hersteller Eltern für die Füße ihrer Kinder anbieten, ist schlicht schlecht. Zwölf Mal lautet das Testergebnis "mangelhaft", nur ein Modell ist "befriedigend". Da hilft es auch nicht, dass sich die Schuhe im Praxistest bis auf zwei Ausnahmen "gut" und "sehr gut" geschlagen haben.

Geprüfte Kinderschuhe stecken voller Schadstoffe

In unserem Test kritisieren wir diverse Schadstoffe: 

  • Allein in neun Kinderschuhen hat ein Labor Anilin nachgewiesen. Das ist ein Farbstoffbestandteil, der unter Krebsverdacht steht. In einem Schuh steckt außerdem noch das krebserregende aromatische Amin Benzidin.
  • Neunmal müssen wir polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) abwerten. PAK können im schlimmsten Fall krebserregend sein. Sie gelangen meist durch Weichmacheröle in Gummi und Weichkunststoff. Weichmacheröle machen die Produkte billig. Sie sind ein Neben- oder Abfallprodukt bei der Kohle- oder Erdölverarbeitung. Alternativen sind wegen ihrer aufwendigen Herstellung meist teurer.
  • Um das Leder zu erhalten, setzen Hersteller hautreizende Chlorkresole oder Isothiazolinone sowie das allergisierende o-Phenylphenol ein. In vier Kinderschuhen summieren sich die Schadstoffe derart, dass wir um vier Noten abwerten.
  • Das Nervengift Blei steckt in der Verzierung eines Kindersneakers im Test. Das Schwermetall kann bei Kindern schlimmstenfalls Hirnfunktionen stören und Nervenschäden verursachen. Diese Wirkungen sind freilich von einer Applikation an der Schuhaußenseite nicht zu erwarten, doch hat das Schwermetall in Spielzeug nichts zu suchen. Denn spätestens bei der Entsorgung wird der Treter so zur Umweltbelastung.

Kritik an Chrom in Kinderschuhen im Test

Zum Schluss des Schadstoffreports noch eine gute Nachricht: In keinem Produkt hat das Labor das krebserregende Kontaktallergen Chrom VI – auch Chromat genannt – nachgewiesen. Darauf hatten wir jene Produkte untersuchen lassen, in denen das Labor zuvor Chrom als Rückstand aus der Gerbung nachgewiesen hatte.

Da aber Chrom über Abwässer Flüsse und Meere verseucht und lösliches Chrom für Chromatallergiker problematisch sein kann, werten wir hier um eine Note ab. Auch in einem Schuh, auf dessen Decksohle mit dem Aufdruck "Chromium free" – also chromfrei – geworben wird, steckte Chrom.

Wie schlagen sich die Kinderhalbschuhe im Praxistest?

Im Praxistest überzeugten elf von 13 Halbschuhen. Nur während der Dauerbiegeprüfung gab das Material in zwei Fällen auf: An einem Schuh bildeten sich starke Risse im Profilansatz.

Und ein Kindersneaker erlebte den Schuh-Super-GAU: Nach deutlich weniger als der Hälfte der von der Norm vorgesehenen Biegungen brach die Schuhsohle durch. Für zwei Halbschuhe gab es jeweils eine Note Abzug, weil die angegebene Schuhgröße um eine Nummer von der im Labor gemessenen Größe abweicht.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin April 2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder für 2016 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Auf der Suche nach dem klassischen Halbschuh für Kindergartenkinder haben wir vor allem Sneaker im Angebot gefunden. Entsprechend sportlich kommt unsere Produktauswahl daher. Wir haben Schuhe für Mädchen, für Jungen und Unisexmodelle ausgewählt. Der günstigste Schuh kostet 15, der teuerste 94,95 Euro.

Die Praxisprüfung: Über Stock und Stein und auch mal als Bremse beim Fahrrad fahren und Rollern: Kinder verlangen ihren Schuhe alles ab. Warum sollten wir es anders machen? Im Labor ließen wir die Laufsohlen 30.000-mal biegen. Da auch Kinder in spitze Steine oder Scherben treten, interessierte uns, ob ein kleines Loch unter Dehnung zum gigantischen Riss mutiert. Deshalb haben die Tester ein kleines Loch in die Laufsohlen gestochen und die Sohlen anschließend in die Dauerbiegeprüfung geschickt. Auch wollten wir wissen, ob angeklebte Laufsohlen am Schuh haften, wenn mit Kraft an der Sohlenspitze gerissen wird. Mindestens so ärgerlich wie eine sich lösende Schuhsohle: bunte Schuhe, die auf weiße Söckchen abfärben. Das Praxislabor führte eine umfangreiche Reibprüfung trocken und nass durch. Und natürlich sollte die angegebene Schuhgröße auch der tatsächlichen entsprechen. Wir haben für Sie nachmessen lassen.

Die Inhaltsstoffe: Schuhe bestehen aus verschiedenen Materialien. Für die beauftragten Labore heißt das: jede Menge Arbeit. So kann Leder das krebserregende Chrom VI enthalten, das sich aus den für die Chromgerbung benutzten Chromsalzen bilden kann. Auch Konservierungsmittel wie Formaldehyd, Chlorkresol oder Isothiazolinone stecken häufig im Leder. Kunststoffbestandteile im Schuh können so schön elastisch sein, weil hormonwirksame Phthalate oder mit krebserregenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen verunreinigte Weichmacheröle drinstecken. Außerdem zeigt die Erfahrung von ÖKO-TEST: Wo bunte Farben kräftig leuchten, sind leider auch immer wieder krebserregende Farbbausteine nicht weit. All das ließen wir in den Materialien, die nah am Fuß sind, untersuchen, nicht aber in den Laufsohlen.

Die Bewertung: Schuhe von Kindergartenkindern absolvieren einen Dauerhärtetest auf Spielplätzen, Asphalt, Bäumen und in Pfützen. Daher geht das Testergebnis Praxisprüfung zu 60 Prozent in das Gesamturteil ein. Das Testergebnis Inhaltsstoffe macht 40 Prozent aus, da - anders als in Sandalen - Socken getragen werden, die direkten Hautkontakt zum (belasteten) Material verhindern. Wichtig ist uns aber, dass sich die Schadstoffbelastung in Grenzen hält. Daher kann ein Schuh, dessen Testergebnis Inhaltsstoffe "ungenügend" ausfällt, im Gesamturteil nicht besser als mit "mangelhaft" abschneiden.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Praxisprüfung: Unter dem Testergebnis Praxisprüfung führt zur Abwertung um vier Noten: Laufsohle während der Dauerbiegeprüfung gebrochen. Zur Abwertung um zwei Noten führt: starke Rissbildung (mehr als 10 mm) am Profilansatz. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) gemessene Schuhgröße weicht um eine Nummer von der vom Hersteller angegebenen Schuhgröße ab; b) mäßiges Abfärben (ein oder mehrere Materialien in einer oder mehreren Untersuchungen [trocken, nass, pH-Wert 8], einmal oder häufiger schlechter als Stufe 3 der Grauskala).

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) Benzidin; b) Anilin, wenn nicht bereits wegen Benzidin um vier Noten abgewertet worden ist; c) ein stark erhöhter Gehalt an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) von in der Summe mehr als 1.000 μg/kg, wobei jede Einzelverbindung einen Gehalt von mehr als 100 μg/kg aufweist; d) in der Summe mehr als 100 mg/kg Konservierungsmittel (TCMTB, Octylisothiazolinone, p-Chlor-m-Kresol, o-Phenylphenol).

Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) mehr als 100 und weniger als 1.000 mg/kg des in Spielzeug und Babyartikeln gesetzlich verbotenen Phthalats Dibutylphthalat; b) ein erhöhter Gehalt von mehr als 100 bis 1.000 μg/kg einer oder mehrerer Einzelverbindungen polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK); c) mehr als 100 bis 1.000 μg/kg Dioktylzinn; d) die Kombination aus mehr als 100 mg/kg Chrom und mehr als 90 mg/kg Blei. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) mehr als 100 mg/ kg Chrom; b) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen im Produkt; c) optische Aufheller mit Hautkontakt; d) halogenorganische Verbindungen, wenn nicht bereits – wie in den Produkten Bellybutton Sneaker mit Klettverschluss, rot sowie Elefanten Aygo Ayk, blau-grün – wegen Konservierungsmitteln, die auch halogenorganische Verbindungen enthalten, um vier Noten abgewertet wurde; e) mehr als 10 mg/kg phosphororganische Verbindungen; f) mehr als 1 mg/kg Antimon im Eluat; g) mehr als 10 mg Phenol pro kg Material in der Migration.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: Batterie im Schuh.

In das Gesamturteil gehen das Testergebnis Praxisprüfung zu 60 Prozent und das Testergebnis Inhaltsstoffe zu 40 Prozent ein. Ist das Testergebnis Inhaltsstoffe "ungenügend", kann das Gesamturteil nicht besser als "mangelhaft" sein. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Testergebnis Inhaltsstoffe um eine Note.

Testmethoden

Testmethoden: Parameter abhängig von der Produktzusammensetzung. Untersucht wurden, sofern nicht anders beschrieben, repräsentative Mischproben. Die Laufsohle wurde nicht untersucht (Ausnahme: Untersuchung auf PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen). Praxisprüfung: Größenkennzeichnung: Vermessung. Dauerbiegeprüfung: Nach DIN EN ISO 17707. Vor der Prüfung werden zunächst die Position der Biegelinie auf der Laufsohle und der maximale Biegewinkel des Schuhs bestimmt. Ist dieser Winkel = 45°, muss die Dauerbiegeprüfung durchgeführt werden. Als Prüfmuster dient der vom Schaft abgetrennte Schuhunterbau. Nach dem Einspannen der Laufsohle in die Dauerbiegeprüfmaschine wird die Laufsohle, gemäß DIN EN ISO 17707, durchstochen. Nach einer festgelegten Anzahl von Biegungen der Sohle um einen Dorn (Radius: 15 mm, Biegewinkel: 90°) wird das Risswachstum des Einstichs gemessen und Veränderungen des Probekörpers werden beurteilt. Prüfung mit Einstich, da auch beim Tragen mit einer Verletzung der Sohle gerechnet werden muss. Reibechtheit Futtermaterial/Decksohlenmaterial: in Anlehnung an DIN EN ISO 11640 mit Reibgewebe nach DIN EN ISO 105-X12 für Textilien und sonstige Materialien. Haftung der Sohle: Schuh wird auf einen Leisten gespannt, der auf die Zugprüfmaschine aufgesetzt wird und auf Rollen beweglich ist. Der Abreißwinkel während des gesamten Abreißvorgangs beträgt 90°. An der Sohlenspitze wird eine Abreißklemme befestigt. Es wird die Kraft festgestellt, bei der sich die Sohlenspitze vom Schuh löst. Anschließend wird die Sohle vom Schuh abgerissen und in regelmäßigen Abständen die Haftung im Spitzen- und Ballenbereich gemessen. Anforderung Sohlenhaftung Spitze: = 300 N, Anforderung Ballen: = 200 N. Bei hochgezogener oder angenähter Spitze können Werte unter 300 N toleriert werden, wenn die Ballenwerte erfüllt sind. Inhaltsstoffe: Weichmacher, phosphororganische und phenolische Verbindungen, Chlorkresole, -paraffine: GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung. Phenol (Migration): in Anlehnung an DIN EN 71-10:2006, Messung von Phenolen mittels HPLC-FLD. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): GC-MSD (25 PAK nach EU/EPA/JECFA). Halogenorganische Verbindungen: Probe wird mit Reinstwasser in der Soxhletapparatur eluiert, Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Zinnorganische Verbindungen: NaDDTC, EtOH, Hexan, NaBEt4, GC-AED. Azo-Farbstoffe/Dispersionsfarbstoffe: Azo-Farbstoffe: Prüfung auf Amine nach reduktiver Spaltung, Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-2, Prüfung mit und ohne vorherige Extraktion DIN EN 14362-1 (Januar 2013); Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-3 Prüfung nach DIN ISO/TS 17234 für Leder; bei Hinweisen auf 4-Aminoazobenzol zusätzliche Prüfung entsprechend § 64 LFGB 82.02-15 DIN EN 14362-3 (September 2012); Bestimmungsgrenze: 5 mg/kg; GC/MS, TLC, zusätzliche Prüfung auf Anilin und Xylidine. Dispersionsfarbstoffe: Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-10 Norm DIN 54231 (November 2005); Dünnschichtchromatografie, TLC und HPLC mit DAD (UV/Vis-Detektor). Optische Aufheller: qualitativer Nachweis in Einzelteilen (UV-Licht). Elemente, PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse. Nachweis in Einzelteilen. Konservierungsmittel: DIN EN ISO 13365:2011-04. Formaldehyd (im Leder): SOP 4192: Vortest mit Carbazol/Schwefelsäure. Qualitativer Nachweis mit DIN EN ISO 14184-1 und/oder nach DIN EN ISO 17226-2 (zusätzliche Dimedonkorrektur). Freies Formaldehyd: DIN EN ISO 14184-1: 2011-12 § 64 LFGB B 82.02-1: 1985-06. Antimon im Eluat: Eluatprüfung mittels saurer Schweißlösung. Elementbestimmung mittels ICP-MS. Chrom VI (Leder): Elution gemäß EN-ISO 17075 "Bestimmung des Chrom-VI-Gehalts in Leder". Fotometrische Bestimmung des Chrom-VI-Gehalts.

Einkauf der Testprodukte: Januar 2015.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin April 2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder für 2016 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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