Vliestapeten im Test: Acht fallen mit "ungenügend" durch

Ratgeber Bauen & Wohnen 2020 | Autor: Jörg Döbereiner | Kategorie: Bauen und Wohnen | 14.05.2020

Vliestapeten im Test: Wir haben insgesamt 14 Produkte überprüft.
Foto: DUO Studio/Shutterstock

Vliestapeten haben ein Problem mit einem Weichmacher, der unter Verdacht steht, hormonell zu wirken. Das zeigt unser Test von 14 Produkten. Mehr als die Hälfte fällt durch, zwei Vliestapeten schneiden aber auch "gut" ab.

  • Knapp 60 Prozent der strukturierten Vliestapeten im Test sind "ungenügend".
  • Grund dafür sind problematische Inhaltsstoffe: Weichmacher, halogenorganische Verbindungen und Dibutylzinn.
  • Zwei Vliestapeten sind mit "gut" empfehlenswert.

Aktualisiert am 14.05.2020; Einkauf Testprodukte Nov 2019 | Vliestapeten machen das Tapezieren leichter: Man streicht den Kleister auf die Wand – nicht auf die Tapete – und bringt die Bahnen darauf an. Nach unserem Test können wir sagen: Viele Vliestapeten sind tatsächlich gut zu handhaben. Doch teils bringen die Tapeten Schadstoffe in die eigenen vier Wände. Insgesamt haben wir 14 weiße, strukturierte Vliestapeten eingekauft, darunter Tapeten von Markenherstellern wie A.S. Création, Erfurt, Erismann und Rasch, außerdem Eigenmarken von Bau- und Möbelmärkten.

Vliestapeten im Test: Von acht Tapeten raten wir ab 

Nur zwei der getesteten Vliestapeten können wir mit "gut" empfehlen. Vier schneiden mittelmäßig ab, und die restlichen acht Tapeten im Test fallen ganz durch. Sie erhalten das Gesamturteil "ungenügend". 

Wesentliches Problem: In sechs Vliestapeten steckt Diisononylphthalat (DINP), teilweise zu mehr als zehn Prozent. Der Weichmacher kann ausdünsten und in den Hausstaub übergehen. DINP ist in Spielzeug und Babyartikeln, die von Kindern in den Mund genommen werden können, verboten – wegen des Verdachts, hormonell zu wirken. Auch wenn die Auswirkungen auf die Fortpflanzung nicht sicher nachgewiesen sind, hat der Phthalat-Weichmacher aus unserer Sicht auch in Vliestapeten nichts verloren.

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Kritik an umweltschädlichen Verbindungen

In vier Produkten stecken sogenannte Ersatzweichmacher. Über deren gesundheitliche Unbedenklichkeit liegen aus unserer Sicht noch nicht ausreichend Informationen vor, deshalb bemängeln wir auch Ersatzweichmacher.

In nahezu allen Tapeten mit Weichmachern kritisieren wir auch umweltschädliche chlorierte Verbindungen. Das ist kein Zufall: Anbieter setzen Phthalate und Ersatzweichmacher ein, um Kunststoffe wie PVC weich zu machen. Die drei geprägten Vliestapeten im Test kommen ohne Weichmacher aus.

Außerdem in der Kritik: umstrittene halogenorganische Verbindungen. Diese hat das beauftragte Labor in allen Vliestapeten im Test nachgewiesen. Viele Vertreter dieser Stoffgruppe reichern sich in der Umwelt an, viele gelten als allergieauslösend, manche können Krebs erzeugen. Mit der von uns angewandten Methode lässt sich die genaue halogenorganische Verbindung nicht eindeutig bestimmen. Wir meinen aber, dass Verbraucherprodukte grundsätzlich frei von solchen Verbindungen sein sollten.

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Tapezieren: Bevorzugen Sie beim Kauf Tapeten mit der Auslobung "PVC- und phthalatfrei".
Tapezieren: Bevorzugen Sie beim Kauf Tapeten mit der Auslobung "PVC- und phthalatfrei". (Foto: imago images/Panthermedia)

In vier Produkten bemängeln wir zudem Dibutylzinn aus der Gruppe der zinnorganischen Verbindungen. Es steht unter anderem im Verdacht, die Fortpflanzung zu gefährden. Immerhin: Keine der untersuchten Tapeten gast flüchtige organische Verbindungen (VOC) aus. VOC tragen erheblich zur Belastung der Raumluft bei.  

Tapezieren der Vliestapeten klappt häufig gut

Schade, dass die Tapeten so viele Schadstoffe enthalten. Denn tapezieren lassen sich die meisten recht gut. Das zeigte der Praxistest von Malermeister Peter Hoffmann. Einige Punkte stören den Fachmann aber. 

Zum einen lassen sich bei der Hälfte der Tapeten die Bahnen etwas schwer an die vorigen anschließen. Zum anderen geben die Anleitungen teils zweifelhafte Tipps, etwa, dass man einen konischen Nahtroller verwenden soll. Der kann aber leicht zu irreparablen Druckstellen führen. Stattdessen wäre ein Hinweis angebracht, wie mit Kleisterflecken umzugehen ist. 

Ein weiterer Kritikpunkt des Profi-Testers: Einige Vliestapeten decken nicht gut genug ab. Im Test markierte Peter Hoffmann den Untergrund jeweils mit Bleistiftstrichen. Drei Tapeten-Marken ließen die Striche besonders deutlich durchscheinen. In diesen Fällen hält unser Fachmann einen Anstrich für notwendig. Für einige andere Tapeten empfiehlt er ihn zumindest.

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Untergrund der Tapeten: Das sollten Sie beachten

Überhaupt, der Untergrund: Für Vliestapeten sollte er möglichst glatt und homogen sein. Viele Anbieter weisen darauf hin, mit pigmentiertem Tapetengrund vorzustreichen oder ein Malervlies anzubringen. Das halten auch wir für sinnvoll, um gute Ergebnisse zu erzielen.

Eine andere Möglichkeit: die Vliese nach dem Tapezieren überstreichen. Fünf Vliestapeten im Test – darunter die beiden "guten" – sind aus unserer Sicht sogar erkennbar dafür vorgesehen. Die Anbieter machen entsprechende Angaben auf der Verpackung oder in der Anleitung. Bei diesen Produkten haben wir deshalb nicht bewertet, ob der Untergrund durchscheint oder ob Kleisterflecken auftauchen. 

Andere deklarieren lediglich "überstreichbar" oder gehen gar nicht näher auf diese Frage ein. Ärgerlich, wenn Verbraucher erst nach dem Tapezieren merken, dass sie ihre Tapete auch noch überstreichen müssen. Um Ihnen das zu ersparen, geben wir Infos zum Überstreichen für jedes getestete Produkt direkt in der Testtabelle.

Sollen die Tapeten später wieder von der Wand entfernt werden, lassen sich zumindest solche mit glatter Rückseite wieder leicht trocken abziehen. Das ergab eine Prüfung unseres Praxistesters. Dieses Ergebnis fließt aber nicht in unsere Bewertung ein.

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Weiße Wand: Wir können zwei weiße Vliestapeten im Test mit "gut" empfehlen.
Weiße Wand: Wir können zwei weiße Vliestapeten im Test mit "gut" empfehlen. (Foto: Photographee.eu/Shutterstock)

Vliestapeten: Tipps zum Tapezieren

Peter Hoffmann, Malermeister und Berufsschullehrer, erklärt kurz und knapp, wie er tapeziert: 

Untergrund vorbereiten:

  1. Er sollte trocken sein, sauber, glatt und ohne farbliche Schattierungen.
  2. Dazu spachteln, schleifen und weißen Tapetengrund oder eine glatte Vliestapete (Malervlies) aufbringen.

Tapezieren:

  1. Die Bahnen auf die gewünschte Höhe plus 15 Zentimeter zuschneiden.
  2. Den Spezial- oder Vliestapetenkleister satt mit dem Farbroller auf die Wand auftragen, immer nur eine Bahn im Voraus.
  3. Die Bahn von oben ins Kleisterbett einlegen und blasenfrei andrücken. Dabei leistet ein Tapezierwischer oft bessere Hilfe als eine Moosgummiwalze.
  4. Kleisterflecken sofort mit weichem, feuchten Tuch entfernen.
  5. Zum Schluss den Übersatz am unteren Rand kürzen, entweder mit Cutter und Beschneidelineal oder mit einer Tapetenschere.

Diesen Test haben wir erstmal im ÖKO-TEST Magazin 4/2020 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen & Wohnen 2020, sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 14 weiße, strukturierte Vliestapeten eingekauft, von Markenherstellern wie A.S. Création, Erfurt, Erismann und Rasch, außerdem Eigenmarken von Bau- und Möbelmärkten. Wir fanden nur wenige Tapeten, die als PVC- oder phthalatfrei ausgelobt sind, dafür viele mit dem französischen Siegel A+ (Émissions dans lʼair intérieur). Wie viele flüchtige organische Verbindungen (VOC) aus den Produkten ausgasen, ließen wir prüfen. Außerdem untersuchten die Labore, ob die Struktur mithilfe von chlorierten Verbindungen wie PVC hergestellt ist und ob die Wandbeläge problematische Weichmacher und andere bedenkliche oder umstrittene Hilfsstoffe enthalten.

Der Maler- und Lackierermeister Peter Hoffmann von der Berufsschule (August-Bebel-Schule) in Offenbach testete, wie gut die Vliestapeten an die Wand zu bringen sind. Er prüfte auch Angaben auf den Produkten und ob farbliche Schattierungen des Untergrunds durchschlagen. Schadstofffreie Innenräume sind für uns das Wichtigste. Deshalb beruht die Endnote auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Weitere umweltbelastende Stoffe oder eine nur "befriedigende" Praxisprüfung können sie verschlechtern.  

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: mehr als 10.000 mg/kg des Phthalat-Weichmachers Diisononylphthalat (DINP).Zur Abwertung um zwei Noten führt: mehr als 100 bis 1.000 μg/kg Dibutylzinn (DBT). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) halogenorganische Verbindungen; b) mehr als 1.000 mg/k g eines oder mehrerer Ersatzweichmacher (hier: DiNCH, DEHT, Acetyltributylcitrat, Diethylenglykoldibenzoat); c) mehr als 10 bis 1.000 mg/kg der phosphororganischen Verbindung TBEP. Die Mängel der Praxisprüfung werden mit Minuspunkten bewertet. Anleitung: kein Hinweis zum Entfernen von Kleisterflecken, falls ein Anstrich nicht zwingend vorgeschrieben ist = 5 Minuspunkte; keine Empfehlung für eine Grundierung = 5 Minuspunkte; keine Angabe des Werkzeugs zum Andrücken = 3 Minuspunkte; zweifelhafte Empfehlung ("ggf." bzw. "evtl.) eines konischen Nahtrollers, dessen Verwendung laut Einschätzung unseres Praxistesters nicht sinnvoll ist = 1 Minuspunkt. Handhabung: Nahtanschluss etwas schwierig = 5 Minuspunkte. Ergebnis: Untergrund kann (im Falle von farblichen Schattierungen des Untergrunds) deutlich durchschlagen und Anstrich unbedingt notwendig, aber laut Deklaration nicht vorgesehen = 5 Minuspunkte; Untergrund kann (im Falle von farblichen Schattierungen des Untergrunds) durchschlagen und Anstrich empfehlenswert, aber laut Deklaration nicht vorgesehen = 3 Minuspunkte ; Untergrund kann (im Falle von farblichen Schattierungen des Untergrunds) durchschlagen bzw. deutlich durchschlagen und Anstrich empfehlenswert bzw. notwendig, wenn der Anbieter die Tapete zumindest als "überstreichbar" ausgelobt hat = 2 Minuspunkte. Notenschlüssel Praxisprüfung: Weniger als 5 Minuspunkte = sehr gut; 5 bis 10 Minuspunkte = gut; mehr als 10 Minuspunkte = befriedigend.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen im Produkt; b) optische Aufheller.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Testergebnis Inhaltsstoffe um eine Note. Ein Testergebnis Praxisprüfung, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note.

Testmethoden 

Methoden Inhaltsstoffe: Halogenorganische Verbindungen: Elution mit Reinstwasser in der Soxhlet-Apparatur, Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts. Flüchtige organische Verbindungen (VOC): GC-MS nach Thermodesorption in Anlehnung an DIN ISO 16000-06.Weichmacher, phosphororganische Verbindungen: GC-MS nach Extraktion und Derivatisierung. Zinnorganische Verbindungen:  NaDDTC, EtOH, Hexan, NaBEt4, GC-ICP-MS. Optische Aufheller: qualitivativer Nachweis, UV-Licht. PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Methoden Praxisprüfung: Herstellung eines gleichmäßigen Untergrunds (trocken, sauber, glatt, tragfähig und gleichmäßig saugfähig), gespachtelt, geschliffen und mit Glattvlies 150 g tapeziert. Tapezieren der Vliestapete wie auf dem Beipackzettel angegeben mit Spezialkleister oder mit Vliestapetenkleister, Auftrag des Kleisters mit Farbroller, Andrücken der Tapete mit Moosgummiwalze beziehungsweise Tapezierwischer, Naht ggf. mit konischem Nahtroller (falls empfohlen). Um zu prüfen, ob der Untergrund durchschlägt, wurde eine leichte Schattierung mit einem Bleistiftstrich simuliert.

Einkauf der Testprodukte: November 2019 

Diesen Test haben wir erstmal im ÖKO-TEST Magazin 4/2020 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen & Wohnen 2020, sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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