40 Perchlorat-haltiges Obst und Gemüse im Test

Nicht mit rechten Düngern

ÖKO-TEST August 2013 | | Kategorie: Essen und Trinken | 26.07.2013

40 Perchlorat-haltiges Obst und Gemüse im Test

Perchlorat in Obst und Gemüse? ÖKO-TEST wollte wissen, was es mit dem neuen Schadstoff, der die Jodaufnahme in die Schilddrüse hemmt, auf sich hat und hat Tomaten, Gurken, Zucchini, Paprika und Erdbeeren getestet. Das unerfreuliche Ergebnis: 40 Prozent sind belastet, einmal sogar über dem Höchstwert.

Frisches Obst und Gemüse steht gerade bei denjenigen hoch im Kurs, die auf eine gesunde Ernährung achten. Umso bedrohlicher, wenn darin plötzlich ein Stoff auftaucht, der bei einer ersten Internetrecherche allenfalls in Zusammenhang mit Schilddrüsenerkrankungen oder Raketentreibstoffen erwähnt wird. Doch so unbekannt ist der Stoff, um den es hier geht, gar nicht. Perchlorate wurden bereits vor zehn Jahren von US-Wissenschaftlern in Trinkwasser und Lebensmitteln untersucht und bewertet. In Europa passierte lange Zeit nichts, bis das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUAS) 2012 eine Untersuchungsmethode auf die Beine stellte und erste Proben analysierte. Im März dieses Jahres war es erneut das CVUAS, das Meldungen zu überhöhten Perchloratfunden in Tomaten in das europäische Schnellwarnsystem stellte.

Chemisch betrachtet handelt es sich bei Perchloraten um Salze der Perchlorsäure. Sie gelangen hauptsächlich durch den Menschen in die Umwelt, können aber auch natürlichen Ursprungs sein. So bildet sich die Substanz durch oxidative Vorgänge in der Atmosphäre und wird mit Staub auf der Erdoberfläche abgelagert. Das führt in trockenen Gebieten wie der chilenischen Atacamawüste zu einer Anreicherung, was erklärt, weshalb der dort abgebaute Dünger Chilesalpeter mit Perchlorat verunreinigt sein kann. Ob dies für die aktuellen Perchloratfunde in Obst und Gemüse von Bedeutung ist, ist noch unklar. Klar ist aber, dass sich hohe Perchloratgehalte in Lebensmitteln fast immer auf verunreinigte Mineraldünger zurückführen ließen.

Doch nicht immer konnten Dünger als Ursache festgemacht werden, weshalb es weitere Eintragspfade geben muss. Da Perchlorat sehr gut wasserlöslich ist, wird kontaminiertes Wasser vermutet, das zur Bewässerung eingesetzt wird. Die Kontaminante könnte sich in den wasserhaltigen Teilen der Früchte anreichern - oder aber auf Schalen und Blätter heften, wenn Beregnungsanlagen im Spiel sind. Auch chloriertes Trinkwasser oder die direkte Chlorierung zur Entkeimung, etwa von Blattsalaten, wären denkbar - wobei die Chlorierung von Lebensmitteln in Europa nicht erlaubt ist.

Doch wie schädlich ist Perchlorat? Aus der Medizin weiß man, dass hohe Dosen die Jodaufnahme in die Schilddrüse hemmen. Perchlorat wird deshalb als Medikament zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt. In einer US-Studie mit 37 gesunden Erwachsenen kam allerdings heraus, dass auch sehr viel geringere Perchloratgaben - wie sie in Lebensmitteln gefunden werden - die Jodaufnahme blockieren können. Der Effekt ist allerdings nur von kurzer Dauer, da Perchlorat relativ schnell ausgeschieden wird und sich nicht anreichert.

Dennoch stellt sich die Frage, ob die vorübergehende Unterversorgung der Schilddrüse mit Jod auch zu weniger Schilddrüsenhormonen im Blut führt. Das wäre gerade für Kinder problematisch, da das Wachstum und die Hirnentwicklung entscheidend von der Schilddrüse beeinflusst w...

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

So haben wir getestet

Der Einkauf

Weil Perchlorat in höheren Mengen bislang vor allem in Fruchtgemüse, wie Tomaten, Gurken, Paprika und Zucchini, nachgewiesen wurde, fiel die Wahl auf diese Produkte. Hinzu kamen Erdbeeren - auch hier hatte es einige Funde gegeben. Diese Gemüse- und Obstsorten könnten auch deshalb besonders riskant sein, weil sie meist in größeren Portionen verzehrt werden und damit zu einer höheren Perchlorataufnahme beitragen würden. Die Produkte wurden im Juni in insgesamt acht Supermärkten, Discountern und einem Bio-Supermarkt eingekauft.

Die Untersuchung

Die Proben wurden in einem spezialisierten Labor auf Perchlorat analysiert. Bei der Untersuchung handelt es sich um eine europaweit einheitliche Analysenmethode, die 2012 vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart entwickelt wurde.

Das Ergebnis

Die Perchloratfunde wurden entsprechend der derzeit gültigen Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) eingeordnet. Diese beurteilen das Risiko, das von der Perchloratmenge einer einmalig verzehrten Portion Gemüse oder Obst ausgeht. Überschreitet die Perchlorataufnahme den zugrundeliegeden Höchstwert, stufen wir das Produkt als "stark" belastet ein. "Mäßig" belastet sind Produkte, die den Aufnahmewert zu mehr als der Hälfte ausschöpfen. Auch das kann aus unserer Sicht schon zu viel sein, da sich die Belastungen durch mehrere Portionen Obst und Gemüse im Laufe eines Tages unter Umständen summieren.