Greenwashing: Wo es beim Verbraucherschutz immer noch hakt

Magazin März 2024: Spaghetti | Autor: Katja Tölle | Kategorie: Freizeit und Technik | 25.02.2024

Das ÖKO-TEST-Buch: Gibt's das auch in Grün?
Foto: ÖKO-TEST

Auf Honig soll künftig stehen aus welchen Ländern er stammt. Und auch die Werbung mit angeblicher "Klimaneutralität" gehört bald der Vergangenheit an. Es bewegt sich also was. Was noch fehlt, damit das ewige Greenwashing ein Ende findet? Darüber schreiben wir in unserem ÖKO-TEST-Buch "Gibt’s das auch in Grün?".

  • Das ÖKO-TEST-Buch "Gibt's das auch in Grün?" ist am 7. Februar erschienen. Darin klären wir Verbraucherinnen und Verbraucher über die Greenwashing-Methoden der Industrie auf.
  • Auch auf Gesetzesebene tut sich gerade etwas: So soll die Herkunftsbezeichung "EU/Nicht-EU" auf Honig künftig wegfallen und auch die Werbung mit vermeintlicher "Klimaneutralität" könnte bald Geschichte sein. 
  • Wir verraten, was sich darüber hinaus noch tun muss.

Fühlt sich Ihr Kampf nicht an wie ein Kampf gegen Windmühlen?", wurden wir letztlich in einem der Presse-Interviews zu unserem neuen Buch "Gibt’s das auch in Grün?" gefragt. Ganz und gar nicht! Denn gerade im Moment tut sich in Sachen Greenwashing viel – eben weil Verbraucherschützerinnen wie wir immer wieder über Jahre den Finger in die Wunde gelegt haben.

Die alles und nichtssagende Herkunftskennzeichnung "EU/Nicht-EU" – ganz so, als sei der Mars eine mögliche weitere Herkunft – wird es, zumindest auf Honiggläsern, künftig nicht mehr geben. Und die EU will auch den produktbezogenen Werbeaussagen "klimaneutral", "umweltfreundlich" und Co. den Riegel vorschieben.

Was sich noch tun muss, schreiben wir in unserem Buch, das es seit 7. Februar überall da gibt, wo’s Bücher gibt. Wir geben hier ein paar Beispiele. 

Verbraucherinnen und Verbraucher können häufig nicht nachvollziehen, woher die Tomaten für Dosentomaten, Tomatenmark oder Ketchup stammen. Das sollte sich ändern.
Verbraucherinnen und Verbraucher können häufig nicht nachvollziehen, woher die Tomaten für Dosentomaten, Tomatenmark oder Ketchup stammen. Das sollte sich ändern. (Foto: masa44/Shutterstock )

1. Wir brauchen eine echte Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel

Ja, für Honig soll die absurde Herkunftsangabe EU/Nicht-EU oder, übersetzt: "Planet Erde", künftig ein Ende haben. Aber sie steht auch auf etlichen Bio-Lebensmitteln. Und auf konventionelle schreiben die Hersteller oft gleich gar nichts drauf und verschweigen die Herkunft komplett.

Wir sagen: Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht darauf zu erfahren, woher die Lebensmittel stammen, die sie kaufen. Und wenn in einem Ketchup chinesische Tomaten verarbeitet sind, dann sollte das auch auf der Verpackung stehen – damit wir beim Einkauf eine echte Wahl haben.

2. Was in einem Wasch- oder Putzmittel drin ist, muss draufstehen

Wie erkenne ich als Verbraucherin, als Verbraucher, dass in einem Waschmittel weniger Chemikalien stecken als in einem anderen? Wenn Sie zufällig Chemie studiert haben und sehr viel Zeit haben, haben wir mittelgute Nachrichten für Sie: Sie bekommen das hin, zumindest teilweise.

Wasch- und Putzmittelhersteller müssen auf der Verpackung allerdings nicht alle Inhaltsstoffe, die sie verwenden, deklarieren. Bei Lebensmitteln müssen sie das, bei Kosmetika auch – bei Wasch- und Putzmitteln nicht. Es reicht, dass sie das im Internet tun.

Und hier kommt die Geduld ins Spiel: Denn so nutzerfreundlich und selbsterklärend die Webseiten der Hersteller sind, so lange es darum geht, die Produkte mit blumigen Worten zu bewerben – so sehr fühlt man sich im Netz plötzlich in die frühen 2000er-Jahre versetzt, sobald man auf der Suche nach konkreten Inhaltsstofflisten ist.

Nicht alle Inhaltsstoffe, die Wasch- und Putzmittelhersteller verwenden, müssen auf der Verpackung deklariert werden.
Nicht alle Inhaltsstoffe, die Wasch- und Putzmittelhersteller verwenden, müssen auf der Verpackung deklariert werden. (Foto: Stock-Asso/Shutterstock)

Hat man die Geduld aufgebracht hat, die oft arg versteckten Listen zu finden, kommt das Chemiestudium ins Spiel: Dort sind tatsächlich nur die chemischen Bezeichnungen aufgelistet. Was sich dahinter verbirgt, dürften nur die wenigsten aus dem Stegreif wissen.

Und ganz am Schluss kommen auch die Chemikerinnen und Chemiker unter Ihnen an ihre Grenzen: Wie viel von welchem Stoff in der Rezeptur steckt, das müssen die Hersteller überhaupt nicht veröffentlichen.

3. Mehrwertsteuer senken für pflanzliche Lebensmittel

Für Grundnahrungsmittel zahlen wir in Deutschland einen ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent, für alle anderen 19 Prozent. So weit, so gut – schließlich ist der Gedanke dahinter: Jeder soll sich Grundnahrungsmittel leisten können. Nur: Auf der Liste der Grundnahrungsmittel steht die klimaschädliche Kuhmilch – und die klimafreundlichere regionale Bio-Hafermilch, die steht da nicht.

Heißt: Für Kuhmilch zahlen wir 7 Prozent Mehrwertsteuer, für Hafermilch 19 Prozent. Dabei ist es nicht hochkomplex, Umweltwirkungen und auch gesundheitliche Aspekte mit in die Mehrwertsteuerberechnungen einfließen zu lassen.

Das Umweltbundesamt macht einen sehr simplen, sehr nachvollziehbaren Vorschlag dazu. Demnach soll für pflanzliche Grundnahrungsmittel, die gesund sind und die Umwelt wenig belasten, gar keine Mehrwertsteuer anfallen – sie sollen also günstiger werden als bisher. Das soll für Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Getreideerzeugnisse, pflanzliche Öle und Fette, Brot und Nudeln gelten.

Für etwas stärker verarbeitete pflanzliche Lebensmittel wie eben Milch- und Fleischersatzprodukte, also auch Hafermilch, sollen sieben Prozent fällig werden. Und tierische Lebensmittel sollen im Gegenzug mit 19 Prozent besteuert werden – weil sie der Umwelt schaden und somit hohe Folgekosten nach sich ziehen.

Weltweit werden immer mehr Pestizide eingesetzt – und das, obwohl die ökologischen und gesundheitlichen Folgen längst bekannt sind.
Weltweit werden immer mehr Pestizide eingesetzt – und das, obwohl die ökologischen und gesundheitlichen Folgen längst bekannt sind. (Foto: ittipon/Shutterstock )

4. Verbotene Pestizide im Anbau = verbotene Pestizide auf Lebensmitteln

Dass weit gereiste Lebensmittel ökologischer Irrsinn sind? Wissen wir, klar. Mit ihnen reisen aber nicht selten auch Pestizide, die bei uns im Anbau längst nicht mehr zugelassen oder verboten sind. Und der Skandal ist: Diese Pestizide kommen ursprünglich teils aus Europa, sogar auch aus Deutschland.

Wir verbieten hier also Pestizide, weil sie entweder für uns oder die Umwelt gefährlich sind, erlauben deutschen und europäischen Chemiekonzernen aber, sie weiterhin herzustellen. Und sie weiterhin zu verkaufen – zwar nicht an uns, klar, sind ja schädlich, aber an Länder mit lascheren Vorschriften.

Und diese bei uns im Anbau verbotenen Pestizide, die kommen zu uns zurück – mit dem importierten Tee etwa, dem Müsli oder den Weinblättern, um nur einige Lebensmittel zu nennen, in denen wir diese giftigen Stoffe bereits nachgewiesen haben. Und auch das ist: erlaubt, je nach Stoff zumindest bis zu einer bestimmten gesetzlich vorgeschriebenen Höhe. Wir fordern: Pestizide, die bei uns im Anbau verboten sind, dürfen bei uns auch nicht hergestellt werden. Und dürfen auch auf importierten Lebensmitteln nicht nachweisbar sein.

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5. Ein echtes Tierwohllabel – und Subventionen für faire, nachhaltige Tierhaltung

Es gibt eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung, halleluja! Zunächst muss Schweinefleisch gekennzeichnet sein. Nur: Die gesetzliche Regelung gleicht doch sehr der Kennzeichnung, die Industrie und Handel schon vor Jahren vorgelegt haben. Und mit der Gesundheit der Tiere, die ja nun ein entscheidendes Kriterium für "Tierwohl" sein sollte, damit befasst sich das Siegel nicht einmal.

Es geht um etwas mehr Platz, ja, und ab Stufe 4 dürfen die Tiere auch auf die Weide. Für den dringend notwendigen Umbau der Tierhaltung aber bietet das Siegel weder eine Antwort, noch die nötigen finanziellen Mittel. Denn klar ist natürlich auch: Die Landwirtinnen und Landwirte, die lassen ihre Tiere ja nicht freiwillig leiden. Sie tun das, weil sie in einem System leben, in dem der Preisdruck regiert und sie nicht ausreichend finanziell unterstützt werden, wenn sie wirkliche Verbesserungen für die Tierhaltung umsetzen.

Wir fordern deswegen: ein echtes Tierwohllabel, das die Gesundheit der Tiere mitbetrachtet, Kontrollen der bereits geltenden Gesetze und finanzielle Unterstützung für all jene Landwirtinnen und Landwirte, die wirklich etwas für die Tiere in den Ställen verbessern.

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